Liessmann auf Gespensterjagd
Zu einer gut besuchten „Geisterstunde“ lud der St. Johanner Literaturverein in die Gerberei: der bekannte Bildungs-Theoretiker Konrad Paul Liessmann lieferte sich mit dem ehemaligen Wissenschaftsminister Karl-Heinz Töchterle einen angeregten Meinungsaustausch.
St. Johann | „Es ist gespenstisch“ – dieser Satz dient gleichsam als Eröffnungsplädoyer von Konrad Paul Liessmanns gründlicher Abrechnung mit der bildungspolitischen Gegenwart. Liessmanns Thesen kommen in seinem Werk „Geisterstunde – Die Praxis der Unbildung“ in einem stark gepanzerten Harnisch von wunderbarer Eloquenz daher.
Schon alleine deshalb lohnt sich die Lektüre. Die Thesen dürften vor allem bei modernen „Bildungsexperten“ – eine Zunft, zu die der Autor keinesfalls gezählt werden will – auf regen Widerstand stoßen. Denn Liessmann räumt kräftig auf mit den Idealen des modernen Unterrichts: Bitterlich beklagt er das Schwinden von Inhalten, Wissen und regelrechten Fächern aus der Schule. Stattdessen hält nun der Un-Geist der „Kompetenzvermittlung“ Einzug in’s Klassenzimmer. Tun kommt dabei vor Können, so der Philosoph sinngemäß: Dadurch werden die Leistungen und auch künftigen Fähigkeiten der Schüler vermeintlich einheitlich vergleichbar und abrufbar gemacht. In der Praxis bliebe allerdings die Vermittlung dieser „Kompetenzen“ ohnehin auf der Strecke.
„Heilige Kühe“ der Bildung geschlachtet
Liessmann, der für sein wissenschaftliches Wirken bereits mit zahlreichen Preisen gewürdigt wurde, macht in seinen Thesen nicht einmal davor halt, die „heiligen Kühe“ der Bildungspolitik zu schlachten: zu deutlich seine Meinung über Pisa-Studie und Bologna-Prozess sowie über die einsetzende Digitalisierung des Unterrichts.
Auch die generelle Ausbildung der Lehrer war ein Thema, das an diesem Abend eingehend diskutiert wurde. Nicht zuletzt deshalb, weil der Moderator Karlheinz Töchterle als Minister maßgeblich an der Reform derselben beteiligt gewesen ist.
Tosender Applaus im ausverkauften Haus
Über mangelndes Interesse konnte sich das Podium wahrlich nicht beklagen – Liessmanns Thesen fanden im Publikum ihren starken Widerhall. Öfters fiel spontaner Applaus im ausverkauften Hause. Dem Literaturverein St. Johann gelang mit diesem philosophischen Abend ein regelrechter Coup.
Der nächste Streich erfolgt übrigens bereits am 12. November mit Ilija Trojanows „Macht und Widerstand“. Beginn ist um 19.30 Uhr in der Alten Gerberei. Elisabeth Galehr
Bild: Konrad Paul Liessmann und der ehemalige Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (links) diskutierten am Montagabend angeregt rund um das Werk „Geisterstunde – Die Praxis der Unbildung“. Foto: Galehr