Kitzbüheler Anzeiger
06.08.2021
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123,8 Mio. Euro an Wertschöpfung durch Freizeitwohnsitzler im Bezirk

Eine Studie, die es in dieser Form noch nie gab: Auf Vorschlag der Wirtschaftskammer veranlasste das Regionalmanagement regio3 Untersuchungen zur Wertschöpfung der genehmigten Freizeitwohnsitze. Was bringen uns die genehmigten Freizeitwohnsitze wirtschaftlich? regio3 Geschäftsführer Stefan Niedermoser und regio3 Obmann Sebastian Eder über Ergebnisse und Erkenntnisse.

„Freizeitwohnsitze und ihre ökonomische Bedeutung für den Bezirk Kitzbühel“ – warum wurde diese Studie in Auftrag gegeben?
Sebastian Eder: Die Diskussion um Freizeitwohnsitze ist ja allgegenwärtig. Die Initiative kam von unserem Mitglied, der Wirtschaftskammer. Mit der Studie sollte herausgefunden werden, welche Wertschöpfung von den genehmigten Freizeitwohnsitzen ausgeht. Die zentrale Frage war: Was bringen uns die genehmigten Freizeitwohnsitze wirtschaftlich?
Stefan Niedermoser: Die Daten und Erkenntnisse dieser Studie sind nicht nur für die Wirtschaftskammer interessant. Die Wertschöpfung spielt in der Regional-Entwicklung eine wichtige Rolle.

Wir haben Wertschöpfungs-Kennzahlen aus verschiedensten Bereichen erhoben, die wir in unsere Strategien einfließen lassen – jene nicht unerheblichen Kennzahlen der genehmigten Freizeitwohnsitze fehlten uns noch. Bei 5.642 genehmigten Freizeitwohnsitzen im Bezirk sprechen wir hier über ein Klientel von rund 10.000 Menschen, welches berücksichtigt werden muss. Unser Anspruch war es nicht, Freizeitwohnsitze zu verteidigen oder zu verteufeln, sondern wir wollten Daten und Fakten, auf deren Grundlage man arbeiten kann. Ob die herausgekommenen 123,8 Millionen Euro Wertschöpfung gut oder schlecht sind, wollen wir auch nicht beurteilen.

Was sind die wichtigsten drei Erkenntnisse aus der Studie
Stefan Niedermoser: Es war interessant zu sehen, wie viele Arbeitsplätze an den genehmigten Freizeitwohnsitzen dranhängen, wie viele Euros ausgegeben werden und welche anderen Effekte es gibt.
Klar ist, dass die 5.642 genehmigten Freizeitwohnsitze eine beträchtliche Wertschöpfung für die Region generieren. Den Umkehrschluss, wir brauchen mehr genehmigte Freizeitwohnsitze, damit wir mehr Wertschöpfung in der Region haben, darf man dadurch aber nicht ziehen.
Sebastian Eder: Der bedeutende wirtschaftliche Faktor von genehmigten Freizeitwohnsitzen ist aufgrund der Studienergebnisse nicht zu leugnen. Wenn man jetzt diese genehmigten Freizeitwohnsitze nicht hätte, heißt das aber noch lange nicht, dass es an deren Stelle keine anderen Wohnsitze, z.B. Hauptwohnsitze, gäbe, die auch Wertschöpfung generieren.

Stefan Niedermoser: Eine wesentliche Erkenntnis ist auch, dass die wirtschaftliche Komponente viele Bereiche der Bevölkerung betrifft. Vom Schuhgeschäft, über Floristen, bis hin zu Handwerkern und Bergbahn profitieren viele Branchen von den Freizeitwohnsitzlern.
Was in der Studie auch deutlich herausgekommen ist: dass sich der Freizeitwohnungsbesitzer, wenn er bei uns ist, wie ein Tourist verhält. Das hat natürlich starke Auswirkungen auf das kommunale und soziale Leben in einer Gemeinde. Die Freizeitwohnungsbesitzer sind nicht leicht ins Dorfleben zu integrieren und wollen das oft auch gar nicht.
Für uns als Regionalentwickler ist das ein besonders wichtiger Aspekt. Es gibt rund 10.000 Menschen, die zeitweise in unserer Region leben und die Infrastruktur ganz anders nutzen.

Die Studie geht in den Berechnungen davon aus, dass jeder Freizeitwohnsitz 190 Nächte belegt ist. Das sind über 6 Monate im Jahr - ist das nicht ein bisschen viel? Als Einheimischer hat man einen anderen Eindruck.
Stefan Niedermoser: Hier kann man leicht etwas verwechseln. Es geht um Nächtigung. In einem Freizeitwohnsitz schläft ja selten jemand alleine. Eine Familie mit zwei Kindern generiert in einem Haus pro Tag vier Nächtigungen. Wenn man die Nächtigungen auf Personen umlegt, dann sind wir bei 40- 50 Tagen wo ein  Freizeitwohnsitz im Schnitt im Bezirk bewohnt wird.
Diese Zahlengrundlage von 190 Nächtigungen stammt von einer detaillierten Studie, die in Graubünden in der Schweiz in Bezug auf Freizeitwohnsitz-Nutzung gemacht wurde. Unsere Studie  lehnt sich an diese Zahlengrundlage an, da unsere Region mit der von Graubünden vergleichbar ist.

In der Studie verweist ein Exkurs darauf, dass die genehmigten Freizeitwohnsitze nicht der Preistreiber am Wohnraum-Sektor sind. Kann man sich demnach die Schlussfolgerung erlauben, dass es die versteckten Freizeitwohnsitze sind?
Sebastian Eder: Das kann man nicht so einfach beantworten. Ich würde sagen hier spielen viele Faktoren zusammen. Ein großer Faktor ist sicher die Attraktivität unserer Region für In -und Ausländer.  
Anderseits bin ich aber auch davon überzeugt, dass wenn wir wie im Gesetz vorgeschrieben, max. acht Prozent genehmigte Freizeitwohnsitze hätten, die Freizeitwohnsitze auf die Wohnraumpreise weniger Auswirkungen hätten. Wir haben im Bezirk im Schnitt 14 Prozent, in manchen Gemeinden sogar mehr als 20 Prozent legale  Freizeitwohnsitze.
Stefan Niedermoser: In der Studie geht es primär um  Wertschöpfung im Bereich der Freizeitwohnsitze. Dabei spielte es keine Rolle wie hoch Immobilienpreise sind. Durch den Verkauf eines Hauses entsteht keine Wertschöpfung. Das ist ein Einmaleffekt, welcher nicht Teil der Studie ist.  Wertschöpfung entsteht z.B. wenn die Besitzer der Immobilien im Ort essen gehen.

Der Wohnraum-Preis-Entwicklung wird nur ein kurzer Exkurs gewidmet – hierzu gibt  es zig andere Studien. Wenn man sich die Entwicklung der Grundstückspreise anschaut, dann ist das aber schon eklatant: 93 Prozent Steigerung im Bezirk im Zeitraum 2015-2019 (Vergleich Tirol: 3,5 Prozent).
Betonen möchte ich auch noch einmal: Wir haben uns auf die genehmigten Freizeitwohnsitze konzentriert. Denn wir wissen ja nicht wie viele illegale Freizeitwohnsitze es gibt. Auf  Mutmaßungen wollen und können  wir uns nicht einlassen. Wir halten uns an belegbare Daten und Fakten.

Lässt sich anhand der Studie ein Auftrag oder Denkanstoß an die Politik ableiten?
Sebastian Eder: Diese Art von Studie gab es noch nie für unseren Bezirk. Mit diesen Daten und Fakten muss sich die Politik beschäftigen. Wichtig ist, dass die Gemeinden und das Land die zukünftige Entwicklung unter der Berücksichtigung aller Aspekte im Auge behalten.
Stefan Niedermoser: Alle Bürgermeister unserer Leader-Region kennen die Studie.  Wir von regio3 interpretieren die Studie nicht in Hinblick auf das was, die Politik tun soll, sondern in Hinblick auf Regionalentwicklung.

Wenn das heißt, dass sich junge Leute keinen Wohnraum mehr leisten können, ist das für uns genauso relevant, wie die Tatsache, dass durch 5.642 Freizeitwohnsitze 1.389 Arbeitsplätze geschaffen bzw. gesichert werden. Es ist nicht alles nur gut oder nur schlecht. Johanna Monitzer

Bild: regio3 Obmann Sebastian Eder (li.) und GF Stefan Niedermoser sprachen mit dem Kitzbüheler Anzeiger über Ergebnisse und Erkenntnisse der Studie „Freizeitwohnsitze und ihre ökonomische Bedeutung für den Bezirk Kitzbühel“. Foto: Monitzer

 
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