Als sich Kitzbühel neu erfunden hat
Innovationen finden nicht erst seit der Digitalisierung statt: Veränderung war früher schon notwendig, um das wirtschaftliche Fortkommen zu sichern. Die aktuelle Schau „Vom Wagner zum Skihersteller“ im Stadtmuseum gibt quasi eine kleine Gebrauchsanweisung, wie Innovation funktioniert.
Kitzbühel | „Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts war Kitzbühel fast mittelalterlich geprägt. Die Stadt versorgte sich weitgehend autark, vom Bäcker bis zum Kunstschmied und Schneider“, klärt Museumsleiter Wido Sieberer über die Ausgangslage in der Gamsstadt um das Jahr 1860 herum auf. Dann hielt die Industrielle Revolution auch in der Region Einzug. Die Eisenbahn kam, sie brachte Massenware mit und damit konnte das lokale Handwerk bald nicht mehr konkurrieren. Zum Glück für Kitzbühel brachte die Eisenbahn noch etwas anderes: Touristen. Die heute noch sehr bekannten Kitzbüheler Handwerkerfamilien wussten diese Chance gut für sich zu nutzen. Schon der Titel der Ausstellung verrät, wie der Wandel Einzug gehalten hat: „Vom Wagner zum Skihersteller“. Schritt für Schritt passten die örtlichen Professionisten ihre Leistungen dem neuen Zeitgeist an. Der Sattler wurde zum Inneneinrichter, der Lebzelter zum Cafetier. Viele weitere Beispiele in der aktuellen Ausstellung zeigen auf, wie findig unsere Vorfahren waren. Heute würde man das „Innovation des Geschäftsmodells“ nennen. Oder, wie die Innovationsmanagerin des Bezirks Kitzbühel, Jenny Koller, erläutert: „Man muss Altes gehen lassen können und Neues entwickeln dürfen.“
„Schöpferische Zerstörung“
Der bekannte Ökonom Joseph Schumpeter prägte damit zusammenhängend den Begriff der „Schöpferischen Zerstörung“. Große Umwälzungen in der Gesellschaft – wie sie damals die Industrielle Revolution und heute die Künstliche Intelligenz mit sich bringen – haben immer das Potenzial für das Neue. Neue Zeiten bringen außerdem ganz neue Berufsbilder mit sich: Technologien wie z.B. die Fotografie oder die Automobilität boten schon damals frische Perspektiven – auch in der Gamsstadt.
Die Ausstellung im Museum Kitzbühel zeigt ganz plakativ auf, wie die heimischen Unternehmer auf die disruptive Veränderung der Industriellen Revolution reagiert haben. Da lassen sich durchaus Parallelen zur Gegenwart ableiten: Gerade erst vor Kurzem gab es bekanntlich ein ziemlich einschneidendes Ereignis, das unsere Wirtschaft gefordert hat: „Die Coronapandemie hat zwingend erfinderisch gemacht. Auf einmal waren viele Industrien in einer Situation, die sie davor nicht gekannt haben. Viele Geschäftsmodelle sind entstanden, etwa was Produkte oder Vertrieb betrifft“, sagt Koller. Firmen gingen sogar dazu über, ihr gesamtes Geschäftsmodell zu hinterfragen bzw. neu aufzustellen. Und die Veränderung geht weiter: Künstliche Intelligenz wird schließlich auch nicht einfach so verschwinden. Also: In die Hände gespuckt und angepackt, ganz so, wie Generationen vor uns. Elisabeth Galehr
Bild: Museumsleiter Wido Sieberer zeigt den Wandel vom Wagner zum Skihersteller bis hin zum Sportartikelhändler auf.