Auf der Suche nach Strukturen
Die Hilfsbereitschaft für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ist groß. Was fehlt sind Strukturen. Land, Gemeinden und Freiwillige arbeiten teilweise noch aneinander vorbei.
Bezirk | Es zeichnet eine Gesellschaft aus, wenn sie in Notlagen schnell und unbürokratisch hilft. Zahlreiche Freiwilligeninitiativen haben sich gebildet, um den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine zu helfen. Unterkünfte werden zur Verfügung gestellt, Deutsch-Kurse werden abgehalten, Vereine öffnen ihre Türen für Ukrainer – vor allem Ehrenamtliche wollen dafür sorgen, dass das Miteinander funktioniert.
Keine Information über weitere Großunterkünfte
Wie viele Ukrainer im Bezirk eine neue Heimat auf Zeit gefunden haben, lässt sich nicht sagen. Bisher wurden im Bezirk 112 Unterkünfte für Geflüchtete gemeldet, teilt das Land mit. Ob es nach dem Bezug vom St. Johanner Hof in St. Johann, wo 90 Menschen untergebracht wurden, weiter Großunterkünfte geben wird - darüber hält sich das Land bedeckt. „Die verantwortlichen Stellen stehen laufend in Kontakt mit den Gemeinden und potentiellen Vermietern. Die Lage wird täglich evaluiert“, erklärt Jakob Franz Kathrein vom Land Tirol.
Unterkünfte oft von Privaten vermittelt
Angeschaut hat sich das Land Tirol wohl den ehemaligen Gasthof Wintersteller in Kirchdorf als weitere mögliche Großunterkunft. „Wir haben aber bislang keine Rückmeldung erhalten, ob die Unterkunft geeignet ist, bzw. wann und ob sie bezogen wird“, berichtet Amtsleiter Christopher Innerkofler.
So geht es vielen Gemeinden. Keiner weiß etwas. Die Informationen laufen schleppend. Oft werden den Ukrainern Unterkünfte von privaten Initiativen, wie der „Homebase St. Johann“ oder „Kitz for Ukraine“, vermittelt.
Freiwillige, Gemeinden und Land Tirol
Rund 90 Geflüchtete werden im Koordinationsbüro des neugegründeten Vereins „Kitz for Ukraine“ betreut. Stadtrat Andreas Fuchs-Martschitz (UK), der sich bei der Flüchtlingshilfe engagiert vermisst eine Zusammenarbeit mit der Stadt Kitzbühel: „Es wäre wünschenswert, wenn der Sozialausschuss und der Verein sich vernetzen. Es wird aneinander vorbei gearbeitet.“
Die zuständige Sozialausschuss-Obfrau Hedwig Haidegger (Bürgermeisterliste) weist zurück, dass es keine Zusammenarbeit gibt: „Wir haben Kontakt. Wir brauchen aber eine Struktur. Ich warte, dass jemand an mich herantritt.“
Bürgermeister Klaus Winkler sieht das große Problem darin, dass auf mehreren Schienen gearbeitet wird: „Wenn es in jeder Gemeinde Parallelstrukturen gibt, dann kommt Chaos heraus. Die Schienen müssen zusammengeführt werden, damit die Flüchtlingsbetreuung in eine Richtung gelenkt wird.“
Nach Redaktionsschluss gab es einen Termin zwischen „Kitz for Ukraine“ und der Stadt Kitzbühel. „Die Zusammenarbeit mit Reith, Oberndorf oder Going funktioniert reibungslos, wir werden das auch in Kitzbühel hinkriegen“, so Claudia Monitzer vom Verein „Kitz for Ukraine.“
Laut dem Land Tirol sind die Bürger und Gemeinden weiter angehalten, Unterkünfte für Kriegsflüchtlinge bereitzustellen. Infos dazu gibt es bei den Gemeinden oder beim Land.Johanna Monitzer
Bild: Der ehemalige Gasthof Wintersteller wurde als mögliche Unterkunft für Kriegsflüchtlinge an das Land Tirol gemeldet. Ob die Unterkunft bezogen wird, darüber gibt das Land keine Auskunft. Foto: Archiv
Aus der Nähe - Schicksal einer Großfamilie
Kitzbühel, Reith | Der Verein „Kitz for Ukraine“ veranschaulicht anhand einer ukrainischen Großfamilie aus Mariupol, wie aufwendig und flexibel die Hilfe derzeit abläuft:
Ende März traf eine ältere Dame der Familie als Erste im Bezirk ein. Sie wurde kurzfristig bei Hotelière Signe Reisch untergebracht, die „Kitz for Ukraine“ großzügig und unbürokratisch unterstützt. Wenige Zeit später trafen weitere sechs Familienmitglieder, darunter zwei kleine Kinder, ein. Kurz darauf kamen noch zwei weitere Familienmitglieder nach. Nach gut einer Woche hatte man die 9-köpfige Familie, großteils Frauen und Kinder, da die männlichen Familienmitglieder unter 60 Jahre im Krieg bleiben mussten, vereint.
Bis eine längerfristige Unterkunft in Reith gefunden werden konnte, stellte das Lisi Hotel in Reith (Harisch Gruppe) Zimmer zur Verfügung. Die ganze Familie nimmt an Deutschkursen des Vereins „Kitz for Ukraine“ teil. Nach rund zweieinhalb Wochen fanden vier Mitglieder der Familie bereits einen Arbeitsplatz im Tourismus. Quelle: „Kitz for Ukraine“