Kitzbüheler Anzeiger
19.06.2022
News  
 

Aus Angst vor Wolf: 360 Schafe aus Region weiden jetzt im Außerfern

Zwei Wölfe treiben im Bezirk ihr Unwesen, das wurde durch DNA-Analysen nachgewiesen. Brixentaler Schafbauern lassen aus diesem Grund ihre Tiere über den Sommer im Tal oder bringen sie in Ausweichquartiere. In den betroffenen Gebieten liegt die Almwirtschaft brach.

Hopfgarten, Westendorf, Itter | Das vertraute Blöken wird man in den großen Almgebieten des Brixentales heuer wohl vermissen. So wurden auf die Rotwandalm im Windautal heuer weder Schafe noch Ziegen aufgetrieben, wie der Westendorfer Ortsbauern-Obmann Peter Pirchl bestätigt. Nachdem im Juli des Vorjahres an die 20  Schafe gerissen wurden – fünf davon mussten notgeschlachtet werden – zogen die betroffenen Bauern die Reißleine und trieben die verbliebenen Tiere noch am Tag des Gemetzels zu den heimatlichen Höfen ab.

Heuer habe man den Almauftrieb erst gar nicht in Erwägung gezogen, erklärt Pirchl. Ein Teil der Westendorfer Schafe ist in ein aufgelassenes Wildgehege nach Oberndorf übersiedelt, die meisten Tiere aber bleiben im Tal. „Doch hier ist es für sie viel zu heiß“, klagt Pirchl.
Szenenwechsel zur ebenfalls verwaisten Rosswildalm in der Kelchsau: Schafe, die hier normalerweise ihren Almsommer verbringen, haben bereits ihr Ausweichquartier auf einer hochalpinen Alm im Lechtal bezogen – insgesamt an die 360 Tiere, die aus Landwirtschaften in Hopfgarten, Itter, Söll und Wildschönau stammen. Denn auch auf der Rosswildalm wurden im Vorjahr mehrere Tiere nachweislich von einer Wölfin gerissen.

Gedeckter Gabentisch auf den Almen
„Heuer hätten wir dieser Wölfin mit unseren Tieren abermals einen gedeckten Gabentisch bereitet“, hält Walter Pupp, Halter von Bergschafen in Hopfgarten und im Vorjahr selbst betroffener Bauer, unmissverständlich fest. Gleichzeitig betont er kopfschüttelnd: „Es ist ein kompletter Wahnsinn, dass wir aus Angst vor neuerlichen Rissen unsere Tiere quer durchs Land karren müssen. Mit Tierwohl und Nachhaltigkeit hat das nichts zu tun.“
Der ehemals langjährige Leiter des Tiroler Landeskriminalamts ist Vorstandsmitglied im Verein Weidezone Tirol. Der Verein sei überparteilich, aber nicht unpolitisch, wie Pupp betont, er setze sich für die legale Entnahme von großen Beutegreifern – Wolf, Bär, Luchs, Goldschakal – in den Weidegebieten ein und könne bereits auf 20.000 Unterstützungserklärungen aus der Bevölkerung verweisen.

39 gerissenen Schafe im Brixental
Allein im Brixental waren im Vorjahr 39 tote Schafe zu verzeichnen, zehn davon werden  gesichert der Wölfin 126FATK zugeordnet, die auch in der Kelchsau ihr Unwesen trieb. Im Winter fand man in der Nähe von Wildfütterungen gerissene Wildtiere auf, Wölfe wurden außerdem schon in Siedlungsgebieten gesichtet – der Anzeiger hat mehrmals berichtet. Im heurigen Jahr wurden im Bezirk Kitzbühel bereits zwei verschiedene Wolfsindividuen gesichert nachgewiesen. Bürgermeister, Landwirte und Touristiker laufen seit Monaten Sturm und rufen laut nach einer Entnahme. Doch es gibt aktuell keine rechtliche Maßnahme gegen die streng geschützten Großen Beutegreifer, wie Pupp erläutert. Ein erster Abschussbescheid wurde vom Landesverwaltungsgerichtshof wie berichtet abgewiesen.

Der Verein Weidezone fordert daher ein effizientes Wolfsmanagement, das eine präventive Bejagung des Wolfs nur in den ausgewiesenen Weidegebieten erlaubt. „Der Wolf hat Platz auf der Welt, aber nicht überall. In klar definierten Weidezonen soll er legal entnommen werden dürfen“, sagt Pupp und begründet: „Eine paradiesische Co-Existenz von Wölfen und Weidetieren ist nicht möglich.“  

Vermehrung des Wolfs wird befürchtet
Pupp und seine Mitstreiter befürchten außerdem eine ungezügelte Vermehrung des Beutegreifers: „Trifft die Wölfin erst einmal auf einen geschlechtsreifen Jungwolf, dann haben wir das erste Rudel in der Kelchsau.“ Denn der Wolf vermehre sich exponentiell. Pupp: „Innerhalb von drei Jahren verdoppelt sich die Anzahl. Die Kurve zeigt steil nach oben.“
Die betroffenen Almen im Brixental bleiben indes verwaist. Eine Beweidung durch Hirten oder das Aufstellen von Zäunen hat sich nach Aussagen von Landwirten, aber auch des Vereins Weidezone in alpinen Lagen als nicht machbar herausgestellt.

Ohne Beweidung verbuschen die Almen
„Werden unsere Almen nicht mehr bewirtschaftet, verlieren wir an Biodiversität und das hätte fatale Auswirkungen auf unsere Kulturlandschaft und in weiterer Folge auch auf den Tourismus“, sagt Pupp. „Welcher Grundeigentümer wartet schon seine Wanderwege oder bewirtschaftet seine Hütte, wenn er auf der Alm keine Tiere mehr hat?“
Es brauche daher dringend Lösungen, sagt Pupp, und es brauche sie sofort. „Der Wolf treibt uns quer durchs Land bis ins Lechtal. Aber wohin bringen wir unsere Tiere, wenn der Wolf im Außerfern unterwegs ist?“

Peter Aschaber, Züchter von Walliser Schwarznasenschafen in Westendorf, pflichtet Walter Pupp bei und sagt kopfschüttelnd: „Ich sehe mit Tränen in den Augen die Bilder von den leidenden Tieren, verzweifelten Bauern und Schafhaltern, die bereits ans Aufhören denken. Die Almen verbuschen und alle reden, aber nichts passiert.“ Alexandra Fusser

Bild: Der Westendorfer Peter Aschaber züchtet Walliser Schwarznasenschafe. Seine Tiere verbringen den Sommer heuer im Tal, statt im hochalpinen Gelände. Foto: Aschaber

 
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