Bunt, bunter, Tina
Künstlerin, Unternehmerin, Mutter – trotz ihrer Querschnittlähmung steht die St. Johannerin Tina Hötzendorfer mitten im Leben. Bei einem Besuch in ihrer „Rollin‘Art“-Galerie in St. Johann ist Hötzensdorfers bunte Leidenschaft an allen Ecken und Enden zu sehen. Das Markenzeichen der Künstlerin sind farbenfrohe und detailreiche Bilder mit vielen verschnörkelten Elementen aus indischen Hennamotiven und Mandalas.
Ein stetig wachsendes Unternehmen
Jetzt schlägt sie mit ihrem Lebensgefährten Richard Klemann ein neues Kapitel auf. In einem vor kurzem angekauften Gebäude am Ortsrand der Marktgemeinde erfüllen sie sich auf 900 Quadratmetern den Traum einer „Zaubermanufaktur“ – eine Erlebniswelt, in der die Kunden der Künstlerin über die Schulter schauen können. „Es wird ein Ort der Lebensfreude, der Farben und des Glücks“, strahlt Hötzendorfer, die derzeit rund um die Uhr auf der Baustelle ist, aber auch die Produktion am Laufen hält. Richard Klemann ist immer an ihrer Seite.
3. Februar 2008 – ein Schicksalstag
Vorgezeichnet war die künstlerische Karriere Hötzendorfers nicht. 1986 in St. Johann geboren, war ihr eigentlich eine Karriere in der Gastronomie – beide Eltern arbeiten in der Branche – in die Wiege gelegt worden. Nach der Matura an der Tourismusschule in St. Johann zog es die junge Tina in die Welt hinaus.
Wieder nach Tirol zurückgekehrt, wurde das Leben der quirligen St. Johannerin vollkommen auf den Kopf gestellt. Die damals 21-Jährige war mit Vater Kurt und Bruder Manuel an diesem schönen Februartag beim Snowboarden im St. Johanner Skigebiet unterwegs. Plötzlich verkantete sich jedoch das Board, Tina flog durch die Luft und prallte mit dem Genick auf. Im Krankenhaus die schreckliche Gewissheit – der sechste Halswirbel war völlig zertrümmert. Die verheerende Folge: Querschnittlähmung.
Es war ihr rasch klar: „Ich muss mein Leben im Rollstuhl verbringen.“ Doch Hötzendorfer gab nicht auf, kämpfte sich ins Leben zurück. Nach einer monatelangen Reha in Bad Häring und viel eigenem Engagement hat sie es auf bewundernswerte Weise geschafft, ein nahezu selbstbestimmtes Leben zu führen.
Eigene Maltechnik
Immer lebensbejahend, trotz vieler schwerer Tage in dieser Zeit, entdeckte Tina das Malen für sich – auch das anfänglich ein Kraftakt. Die junge Frau kann die Finger nicht mehr bewegen, die Arme nur eingeschränkt. Im Laufe der Jahre eignete sie sich daher eine eigene Maltechnik an. Durch viel Übung ist es ihr nun möglich, auch sehr feine und detailreiche Linien und Bilder zu malen. Sie klemmt Stift oder Pinsel zwischen die Finger ein und malt mit zwei Händen. Anfänglich als Therapie, begann sie rasch nach dem Unfall Elefanten zu malen – ihre Glückselefanten, wie sie immer wieder betonte. Von Anfang an gingen ihre Bilder weg wie die sprichwörtlich warmen Semmeln. Hötzendorfer begann von ihrer eigenen Galerie zu träumen.
Vor rund zehn Jahren war es dann soweit – die „Roll’in“- Galerie öffnete in St. Johann ihre Pforten. Elefanten in allen Formen und Farben, auf Tassen und Taschen gedruckt, standen von Anfang an hoch im Kurs. Eine eigenen Babykollektion hatte sie damals ebenfalls bereits entworfen. Ihre Bilder sind auch heute noch farbenfroh und verspielt und strahlen Optimismus und Positivität aus.
Der logische Schritt war die Gründung eines Online-Shops „Vor allem in der Corona-Zeit ist das Geschäft förmlich explodiert“, war Hötzendorfer selbst vom Erfolg überrascht, „wir haben offenbar zur richtigen Zeit die richtige Botschaft vermittelt.“
Ein kunterbuntes „Glücksglas“, in dem verschiedene Spruchblöcke samt Kugelschreiber versteckt sind, ist der nach wie vor am besten verkaufte Artikel. Über 600 Produkte hat sie inzwischen im Sortiment.
Lebensfreude, Glück und positive Energie zu vermitteln – das ist es, was Hötzendorfer antreibt. Es gelingt ihr nicht nur mit ihrer Kunst, sondern auch dank ihrer positiven Ausstrahlung.
Mutterschaft ist großes Lebensglück
Mit Lebensgefährten Richard Klemann hat Tina ihr privates Glück gefunden, die Geburt ihres Sohnes vor zwei Jahren war das i-Tüpfelchen – ihr Sonnenschein weiß übrigens schon jetzt, wie das mit dem Rollstuhl funktioniert, wie die stolzen Eltern schmunzelnd erzählen.
Hotel Cubo übernommen
Von ihren Eltern hat sie inzwischen überdies das Hotel Cubo übernommen, im Gebäudekomplex ist auch die Galerie untergebracht. Die Produktionsräumlichkeiten platzen jedoch aus allen Nähten, daher kam das nach einer Insolvenz leerstehende Gebäude gerade zur rechten Zeit. Derzeit sind Tina und Richard intensiv mit der Einrichtung ihrer neuen Zauberwelt beschäftigt. Eine Art-Manufaktur – hier werden Wünsche von Firmenkunden umgesetzt – ist ein weiteres Standbein.
In ihrer Zauberwelt im ehemaligen Forstinger-Gebäude wird Tina nichts dem Zufall überlassen – jedes Design geht durch ihre Hände. Und die Glückselefanten, mit denen vor über zehn Jahren ihre künstlerische Reise begann? „Die gibt es schon noch, aber es hat sich vieles in eine andere Richtung entwickelt. Durch meine Geschichte weiß ich, wie schwierig das Leben sein kann. Mir geht es um Lebensfreude, Mut und Zuversicht. Mit meinen jetzigen Designs mit vielen Blumen und Insekten will ich gute Laune verbreiten“, strahlt sie, die sich jetzt mit ihrem Richard auf die Eröffnung der neuen Zauberwelt am 28. September freut.
(Infos unter www.rollinart.at).
Text: Margret Klausner
Fotos: Rollin‘Art; Klausner