Das Internet ist jetzt auch begehbar
Das Metaverse ist eine digitale Alternative zur echten, „physischen“ Welt. Der Vortrag von Holger Mühlbauer, Geschäftsführer des Bundesverbandes IT-Sicherheit, im Kitzbühel Country Club behandelte diese Parallelwelt.
Reith | Was ist das Metaverse, was bringt es, wie gelangt man dorthin, welche Möglichkeiten bestehen und welche Gefahren lauern? Diese Fragen sowie gängige Schlagworte wie Avatar, Virtual Reality, Blockchain, KI und NFT wurden mit Beispielen erklärt. Passenderweise stellte eine künstliche, d.h. digital geschaffene Ansagerin den Referenten vor.
Zum Einstieg wurde das Beispiel einer indischen Hochzeit gezeigt, bei der das Brautpaar während der Corona-Pandemie wegen behördlicher Teilnehmerbeschränkungen die Zeremonie ins Metaverse verlagerte und so schließlich mehrere Tausend Gäste virtuell begrüßte. Aber auch professionelle Anwendungen im militärischen oder industriellen Metaverse sowie in der Medizin mit digital unterstützen Brust-OPs oder im Bildungswesen mit virtuellen antiken Welten kamen zur Sprache. Das Metaverse als neueste Ausbaustufe des Internets erschließt den digitalen Raum nicht nur als Ort, in dem Besitz erworben werden kann, sondern macht ihn gewissermaßen begehbar, auch wenn dafür noch etwas unförmige 3-D-Brillen benötigt werden.
Virtuelle Kitz-Grundstücke
Zu lernen war, dass es nicht das eine Metaverse gibt, sondern viele, manche davon mit sehr speziellem Zweck. Viele verschiedene virtuelle Welten bestehen nebeneinander. Vorgeführt wurde in einer dieser Welten der „Erwerb“ virtueller Grundstücke in Kitzbühel, einschließlich Bahnhof, Sparkasse und Badesteg. In einer anderen Welt kann man einkaufen, in virtuelle Galerien gehen, Stadtbesichtigungen unternehmen oder in einer digitalen Postfiliale Postangelegenheiten erledigen. Auch die Altstadt von Kitzbühel ist inzwischen im Rahmen des „Metagonia“-Projektes digital erfahrbar.
Anhand von bekannten Personen, wie z.B. dem Kitzbüheler Bürgermeister, führte Mühlbauer vor, wie verfälschbar digitale Abbilder sind. Hier ist die Technologie kurz vor dem Punkt an dem Bilder und Videos praktisch nicht mehr in echt und unecht unterschieden werden können. Gleiches gilt inzwischen auch für Stimmen, auch wenn der etwas schwieriger zu fälschende Tiroler Dialekt derzeit noch „Schutz“ bietet. Umgekehrt können Personen und Situationen geschaffen werden, die in der Realität nicht existieren und auch hier stellt sich zunehmend die Frage, inwieweit man der eigenen Wahrnehmung noch trauen kann.
Der vertrauenswürdigen digitalen Identität wird künftig eine enorme Bedeutung zukommen. Die EU arbeitet an einer einheitlichen „EUID“ für alle Unionsbürger. Wer autorisiert diese digitale Identität? Sollen staatliche Stellen darauf Zugriff haben? Wird man jemanden sperren und damit praktisch von der Teilhabe am digitalen Leben ausschließen können? Was passiert mit dem eigenen digitalen Abbild nach dem Tod? Viele rechtliche Aspekte im Metaverse sind bis dato ungeklärt, auch wenn inzwischen erste Gerichtsurteile vorliegen. Das gilt auch für die Erzeugung und den Verkauf von NFTs im Kunstbetrieb. Illustriert wurde dies mit Werken internationaler und Kitzbüheler Künstler. Gleiches gilt, wie Mühlbauer darstellte, auch für Marken, steuerliche Aspekte und Straftaten.
Schließlich benannte Mühlbauer auch Fragen, auf die keine abschließende Antwort gegeben werden kann, z.B.: Ist es grundsätzlich erstrebenswert, das reale Leben in den virtuellen Raum zu verlagern? Der Umgang mit der eigenen digitalen Identität und der Nutzen, den man im Metaverse für sich erkennt, sind etwas, das jeder für sich entscheiden muss. KA
Bild: Mit 3D-Brillen lässt sich das Internet der neuen Generation räumlich erfahren.