Kitzbüheler Anzeiger
16.05.2021
News  
 

Dem Stromnetz fehlt der Winter

Aus einer Tonne Speisereste können bis zu 350 Kilowattstunden Strom erzeugt werden. Durch die geschlossene Gastronomie und Hotellerie blieben  die Biomülltonnen leer.  Ein Blick auf die Auswirkungen.

Bezirk, Erpfendorf | Die halbaufgegessenen Spaghetti auf der Skihütte, der übrig gebliebene Salat vom Buffet – Speisereste aus 17 Gemeinden im Bezirk werden in der Kläranlage in Erpfendorf zu Substrat verarbeitet. Das Substrat wiederum dient den Kläranlagen zur Stromerzeugung. Eigentlich ein genialer Kreislauf – der diesen Winter durch die Corona-Pandemie aber ins Strudeln gekommen ist. „In der Kläranlagen wurde nicht einmal die Hälfte der sonst üblichen Menge an Speiseresten zu Strom verarbeitet“, berichtet Geschäftsführer des Abfallwirtschaftsverbandes Bezirk Kitzbühel, Gerd Tengg.

Normaler Jänner bringt rund 300 Tonnen Biomüll
Aus einer Tonne Biomüll kann man bis zu 350 Kilowatt Strom gewinnen. In einem normalen Jänner werden in  Erpfendorf rund 300 Tonnen davon aus Gewerbe und Haushalt angeliefert und zu Strom verarbeitet. Im Jänner 2021 waren es mit 140 Tonnen nicht einmal die Hälfte der normalen Mengen. „Die Klärwerke sind im Normalfall stromautonom.Jetzt müssen wir Strom zukaufen“, veranschaulicht Geschäftsführer des Abwasserverbandes Großache Nord Johann Seiwald.

Mehrkosten anstelle von Erträgen
Die Mehrkosten durch den Speisereste-Ausfall zu benennen ist schwierig. „Wir hoffen, dass es im Sommer wieder besser ausschaut, aber wahrscheinlich werden wir 2021 rund 60.000 Euro  an Stromaufwand haben, wo wir früher 100.000 Euro an Ertrag hatten.“

Weniger Müll gleiche Entsorger-Route
Was bedeutet das für den Endverbraucher? Im Moment noch gar nichts, sagt Abfallwirtschaftsverbands-Obmann Hans Schweigkofler: „Im Verband hat es noch keine Auswirkung. Anders könnte es bei den Gemeinden ausschauen, wenn die Situation so bleibt.“
Die Hauptkosten für die Gemeinden stellen die Sammelkosten durch die Entsorger dar, wie Schweigkofler am Beispiel Oberndorf erklärt: „Die Route ist für die Entsorger gleich, aber bei der Gastronomie und den Hotels fahren sie vorbei. Wenn nicht mehr soviel gesammelt wird, wird es pro Kilo teurer.“
Man  geht aber davon aus, dass sich die Lage wieder normalisieren wird, wenn jedoch die nächste Wintersaison wieder ausfallen würde, wäre das nicht gut: „Dann gibt es nur zwei Möglichkeiten, entweder wir erhöhen die Gebühren oder wir streichen irgendetwas.“

Kläranlage Erpfendorf
Seit 2015 ist die biogene Aufbereitungsanlage zur Stromerzeugung in der Kläranlage in Erpfendorf in Vollbetrieb. 17 Gemeinden im Bezirk (ohne Kitzbühel, Aurach und Jochberg) liefern ihren Biomüll.
Gemeinden motivieren dazu, dass viel Biomüll gesammelt wird. „Je besser die Sammelquote ist, umso besser ist es für das Klärwerk – und auch für die Umwelt. Entsorgt man Speisereste im Kanal richtet das einen enormen Schaden an, welcher sich auch auf die Gebühren auswirkt. Vielen ist das nicht bewusst“, betont Seiwald. Dass ihre halbaufgegessenen Spaghetti zu Strom werden – auch das gehört mehr ins Bewusstsein gerückt. Johanna Monitzer

Bild: Nicht nur den Touristikern fehlten die Urlauber – auch dem Klärwerk. Hans Schweigkofler, Johann Seiwald und Gerd Tengg (v.li.) im Gespräch mit dem Kitzbüheler Anzeiger. Foto: Monitzer

Außerdem - Das Abwasser ist zu kühl
Erpfendorf | Die Abwassermenge hat sich seit der Corona-Pandemie in der Kläranlage in Erpfendorf verändert. Man merkt das Ausbleiben der Urlauber.
Nicht der geringere Zulauf, sondern der geringere Anteil an Warmwasser stellt die Herausforderung im Winter dar. Dass alle großen Wellnessanlagen und Schwimmbäder geschlossen waren, merkte man vor allem in der Temperatur des Abwassers. „Das Wasser kam im Winter 1,5 Grad kühler an. Das macht in der Biologie der Bakterien schon etwas aus. Die Bakterien brauchen eine gewisse Anzahl an Graden, damit sie arbeiten. Die Fahrweise in der Kläranlage musste angepasst werden, damit die Reinigungsleistung gewährleistet bleibt“, erklärt Geschäftsführer Johann Seiwald.

Probleme mit der Wasserqualität in den Fließgewässern gab es aber aufgrund dessen nirgends im Bezirk. „Alle Kläranlage–Mitarbeiter sind extremst gut ausgebildet, für sie ist das kein Problem“, sagt Seiwald. jomo

 
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