Den Gehörlosen eine Stimme geben
Etwa 750 Gehörlose leben in Tirol – meist unbemerkt, denn ihre Beeinträchtigung ist von außen unsichtbar und fällt erst auf, wenn man mit ihnen in Kontakt tritt.
St. Johann | Beim Gespräch mit Teresa Altenberger wird klar, wie lebendig Sprache sein kann. Kommunikation ist nicht nur auf Wörter beschränkt, Mimik, Gestik und Körperhaltung sind mindestens genauso wichtig, wenn wir uns mit jemandem unterhalten. Besonders deutlich wird das, wenn der Gesprächspartner die Wörter gar nicht hören kann – eine Situation, die Teresa Altenberger fast täglich erlebt.
Die 27-jährige St. Johannerin ist Gebärdensprachdolmetscherin und hilft gehörlosen Menschen in ganz Tirol, sich in der Welt der Hörenden zurecht zu finden. Drei Jahre studierte die Logopädin dafür an derFH Gesundheit in Innsbruck, der einzigen Hochschule Österreichs, die seit 2020 das Gebärdensprachdolmetschen als Bachelorstudium anbietet.
Während Hörende hauptsächlich über Laute kommunizieren, sind Gehörlose auf visuelle Reize begrenzt.
Die Welt der Gehörlosen ist gar nicht still
Langweilig wird das aber auf keinen Fall, wie Teresa Altenberger fasziniert beschreibt: „Wer glaubt, die Welt der Gehörlosen ist still, liegt falsch. Man taucht in eine ganz andere Kultur ein. Gehörlose haben eigene Traditionen und Feste, wo es mitunter auch ganz schön laut zugehen kann. Es wird viel gelacht und die Hände fliegen gerade so durch die Luft.“
Eine neue Sprache zu lernen dauert rund sieben Jahre - bei Gebärdensprache ist das nicht anders. Und auch sonst gibt es viele Ähnlichkeiten: „Jeder Gehörlose hat seinen eigenen Sprachstil, wie wir Hörenden auch. Es gibt auch unterschiedliche Dialekte – tirolerisch ist ganz anders als etwa vorarlbergerisch. Und natürlich schauen die Gebärden in anderen Ländern anders aus, als in Österreich“, erklärt die 27-Jährige.
Wie der Name schon sagt, setzt sich die Gebärdensprache aus einzelnen „Gebärden“ (Wörtern) zusammen. Während Begriffe wie Buch oder Tisch recht einfach zu beschreiben sind, wurden für abstrakte Wörter – wie beispielsweise Farben oder Gefühle – bestimmte Gebärden definiert, die nicht nur mit Händen dargestellt werden.
Eine Gebärde – mehrere Bedeutungen
„Man muss sich trauen, den ganzen Körper einzusetzen und bewusst hinschauen. Eine Gebärde hat oft mehrere Aussagen und kann je nach Mimik eine ganz andere Bedeutung bekommen. Auch die Grammatik ist sehr wichtig“, so Teresa Altenberger. Ihren Namen gibt es übrigens auch in Gebärdensprache. Er wird von der Gehörlosen Community ausgewählt und bezieht sich mehr auf den Charakter eines Menschen, als auf Buchstaben. Dennoch ist er einmalig. „Eine andere Teresa hat einen ganz anderen Namen als ich“, erzählt die St. Johannerin stolz.
Ihr größter Wunsch ist es, dass Gehörlose künftig mehr Beachtung finden, auch wenn ihre Beeinträchtigung auf den ersten Blick nicht wahrnehmbar ist: „Gebärdensprache war lange Zeit verpönt und wurde selbst an Gehörlosenschulen nicht unterrichtet. Erst seit 2005 ist sie offiziell anerkannt, und im Sinne der Barrierefreiheit wartet noch viel Arbeit auf uns.“ Sabine Huber
Bild: Teresa Altenberger übersetzt Wörter in Gebärden - wie hier bei einer Veranstaltung. Sie dolmetscht aber auch bei wichtigen Behördengängen, Arztbesuchen oder privaten Anlässen. Foto: Auf den zweiten Blick/Obermoser