Fischotter frisst die Großache leer
Die einst guten Fischbestände im Bezirk gehen deutlich zurück – die Fischer wissen schon lange, dass die stetig wachsende Otter-Population einen großen Anteil an den Verlusten hat. Das bestätigt auch eine aktuelle Studie.
Der Obmann des Bezirksfischereiausschusses, Helmut Pletzenauer, weiß es schon lange, doch jetzt hat er es Schwarz auf Weiß: Die Fischpopulationen in den Fließgewässern im Bezirk gehen stetig zurück. Seit Jahren sind es etwa die Graureiher und Gänsesäger, die sich an den Fischbeständen in der Großache und den Nebenflüssen gütlich tun. Hier allerdings konnte die Jägerschaft bisher per Bescheid eingreifen – das war komplikationslos möglich. Doch eine Entnahme ist seit heuer schwieriger geworden. Die Abteilung Jagd und Fischerei in der Bezirkshauptmannschaft muss ein ornithologisches Gutachten einholen. Zuständig ist dafür inzwischen die Naturschutzabteilung bei der Bezirkshauptmannschaft. Erneut eine Hürde mehr.
Doch in den vergangenen Jahren ist ein neuer Fischfresser aufgetaucht, der den Fischern Sorgen bereitet und sich vor allem rasch vermehrt – der Fischotter. Vor rund 15 Jahren wurde die Tierart offensichtlich ohne jegliches Konzept, wie Pletzenauer überzeugt ist, und ohne über die Folgen nachzudenken, in ganz Österreich wieder angesiedelt. Und das mit großem Erfolg. Die Population ist in den vergangenen Jahren ständig gewachsen.
Der Tiroler Fischereiverband hat gemeinsam mit dem Revierausschuss Kitzbühel daher die Erstellung einer Studie beauftragt. Die Experten von der Firma „ezb-TB-Zauner“ aus Oberösterreich nahmen die Gewässser im Bezirk unter die Lupe und bestätigen eindrucksvoll, was die Fischer im Bezirk Kitzbühel schon viele Jahre beobachten. „Die einst guten Fischbestände gehen extrem zurück“, erklärt Pletzenauer.
Fischökologischer Zustand ist schlecht
Ziel der Studie sei es gewesen, die Gründe für die schwindenden Fischbestände aufzuzeigen und Maßnahmen zur Verbesserung der Situation vorzuschlagen. „Das Ziel eines guten
fischökologischen Zustands wird mit Ausnahme der Stelle Kössen durchwegs mit Abstand verfehlt – obwohl die Lebensraumbedingungen eigentlich gut wären“, so das vernichtende Urteil der Experten. Somit werden nationale und europarechtliche Vorgaben nicht erfüllt und die eigentlich intakte Großache ist mittlerweile ein ökologischer Sanierungsfall.
„Wie erwartet, zeigen die Ergebnisse der Elektrobefischungen, dass in der Forellenregion nur mehr reliktäre Bestände der Bachforelle vorhanden sind und in der Großache – die zwischen St. Johann und Erpfendorf mit großem finanziellen Aufwand renaturiert wurde – die Bestände in einem Bereich angesiedelt sind, bei denen laut Wasserrahmenrichtlinie der EU die Landesregierung angehalten ist, Maßnahmen einzuleiten, die einen guten ökologischen Zustand an unseren Gewässern wiederherstellen sollen“, schildert der leidenschaftliche Fischer. Betreffen würde das unter anderem auch die Fieberbrunner Ache und den Aschauer Bach – beides Zubringer der Großache.
„Der Studie ist zu entnehmen, dass in unserem Bezirk auf drei Kilometer Flusslauf mindestens ein Fischotter lebt und die Fischentnahme dieser großen Population in einem drastischen Ungleichgewicht zum vorhandenen Fischbestand steht“, zitiert Pletzenauer. Dieses Ungleichgewicht führe schlussendlich dazu, dass 90 Prozent des erhobenen Fischbestandes innerhalb eines Jahres von den Ottern gefressen wird und es somit zu einem Verschwinden der Fische komme. „Das sind keine von Fischern erfundenen Horrorszenarien, sondern aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse“, stellt Pletzenauer klar und fordert: „dass der Artenschutz nicht an der Wasseroberfläche endet. Jetzt muss durch eine rasche Regulierung des Fischotters und der fischfressenden Vögel die Balance zwischen Fischräuber und Wildfischbestand wiederhergestellt werden!“
Fischereiverband hofft auf Hilfe durch das Land
Der Landesobmann des Tiroler Fischereiverbandes, Andreas Schiechtl, erwartet sich von der Landespolitik und den zuständigen Beamten mehr Unterstützung beim Schutz der heimischen Fische: „Die fischfressenden Vögel und der Fischotter setzen den Fischbeständen an vielen unserer Gewässer unglaublich zu. Dabei gerät der Fischlebensraum durch Verbauungen und den Wasserkraftwerksbetrieb ohnehin schon massiv unter Druck. Geschützte Fischarten wie Huchen, Äsche oder auch die Kleinfischart Koppe – allesamt vom Aussterben bedroht – verlangen nach demselben Engagement und derselben Hilfe der Entscheidungsträger im Landhaus, wie das für die Tiroler Bauern und deren Nutztiere beim Wolf erfolgt ist. Wir erwarten uns von der Politik endlich Gehör und Taten.“
Kärnten und Salzburg haben Management
Hier geht Helmut Pletzenauer mit seinem Obmann konform: „Es ist tatsächlich so, dass der Fischotter den gleichen Schutzstatus wie der Wolf genießt. Daher können wir nicht verstehen, warum es in Tirol kein Otter-Management gibt“, so Pletzenauer. In den Nachbarbundesländern Salzburg und Kärnten gibt es das bereits. Vor allem im benachbarten Pinzgau sind dank Entnahme die Fischbestände wieder am ansteigen.
In Oberösterreich war das Land mit einer diesbezüglichen Verordnung aus dem Jahr 2022 dem Wunsch der Fischer gefolgt. Dort darf der ganzjährig geschonte Fischotter „unter streng überwachten Bedingungen“ gefangen oder abgeschossen werden. Festgelegt ist dazu in der Verordnung eine wissenschaftliche Begleitung und ein jährliches Monitoring. Zwei Umweltorganisationen zogen gegen die Verordnung vor das Landesverwaltungsgericht. Für sie ist diese mit der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU unvereinbar – doch sie blitzten ab. Die Verordnung ist zulässig – und eine solche wünschen sich auch die Fischer im Bezirk
„Wir haben die Studie inzwischen den zuständigen Ressortleitern der Landesregierung sowie LH-Stv. Josef Geisler zukommen lassen. Leider gibt es dazu bis heute nicht einmal einen Ansatz einer Reaktion“, klagt Pletzenauer.
Wirtschaftlicher Schaden durch Otter
Für den Fischereiobmann hat die Otter-Problematik nicht nur eine naturschutzrechtliche Seite, auch wirtschaftlich werden die leer gefressenen Flüsse zum Thema: „Die Fischereirechte werden massiv beschnitten.“ Für die Pächter der Fischgewässer, die sich etwa auch um den Nachbesatz kümmern, der natürlich Geld kostet, wird es immer schwieriger, Fischereikarten zu verkaufen.
Text: Margret Klausner
Foto: Revierausschuss Kitzbühel