„Freue mich, Bekannte zu sehen“
Der in Kirchberg aufgewachsene Autor Chrisotoph W. Bauer schreibt in seinem aktuellen Roman über „Niemandskinder“ – Kinder von Besatzungssoldaten. Wie er die Terroranschläge empfindet und warum hohe Verkaufszahlen kein Qualitätsmerkmal sind, verrät er im Interview.
Herr Bauer, Sie haben 2019, in Paris gelebt. Ihr Roman „Niemandskinder“ ist dort angesiedelt.Wie empfinden Sie Nachrichten wie die von der Enthauptung eines Lehrers? Was machen Ereignisse wie der Terroranschlag mit einer der schillerndsten Städte der Welt?
Solche Attentate sind schrecklich, sie machen mich betroffen und sie sind selbstverständlich durch nichts zu rechtfertigen. Und natürlich wirken sie sich auf das Leben in einer Stadt aus.
Ich war im Jänner 2015 kurz nach den Anschlägen in Paris, auch nach den Attentaten im November 2015, die Menschen hatten Angst, begegneten sich mit Misstrauen, sie zuckten zusammen, wenn sie eine Polizeisirene hörten.
Als ich aber dann Anfang 2019 für zwei Monate in Paris war, habe ich festgestellt: die Jungen lassen sich das Feiern nicht verbieten, die Alten erinnern sich an Anschläge frühere Zeiten, es ist die mittlere Generation, die sich am meisten Sorgen macht.
In Ihrem Roman geht es um die „Niemandskinder“ – das sind die Kinder, die während der Besatzungszeit aus Verbindungen mit Besatzungssoldaten hervorgegangen sind. Diese Kinder kannten ihre Väter zumeist nicht, die Väter wussten oft gar nichts von der Existenz ihrer Kinder. Gibt es Ihrer Meinung nach in Tirol ein Bewusstsein dahin gehend?
Das ist regional unterschiedlich. Es gibt zahlreiche Publikationen zu den sogenannten Besatzungskindern – vor allem aus der sowjetischen und amerikanischen Zone.
In Vorarlberg, wo ebenfalls französische Soldaten stationiert waren, haben sich Historikerinnen und Historiker ebenfalls mit dieser Zeit auseinandergesetzt. In Tirol ist diesbezüglich leider wenig passiert, hier hat man sich eher mit dem kulturellen Einfluss Frankreichs auf die heimische Kunstszene beschäftigt – was natürlich auch eine Berechtigung hat.
Im Roman lehnt Stefans Pariser Frau die Erinnerungskultur ab. „Ihr wühlt permanent in der Vergangenheit herum, stellt Euch doch dem Heute, wie wäre es mit ein bisschen Gegenwartsbewältigung!“. Dient „Niemandskinder“ der Vergangenheits- oder der Gegenwartsbewältigung oder trägt es gar zu beidem bei?
Ich weiß nicht, ob ein Roman dazu beitragen kann, wünschenswert wäre das freilich schon. Ich habe versucht, den Roman so zu schreiben, dass Gegenwart und Vergangenheit ineinanderfließen.
Mir war es wichtig hervorzuheben, dass Menschen damals wie heute, immer denken, sie wüssten etwas vom Gegenüber, dieses Wissen beruht aber meist nur auf Annahmen, die rasch zu Vorurteilen führen können.
Die Rezensionen zu Ihrem Roman sind sehr gut. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) spricht von einem „fulminanten Roman, in dem kein Wort zu viel steht und dessen schlaglichtartigen Bilder einem lange nachgehen.“ Wie sehr freut einen das als Autor? Steigt damit auch der Druck?
Positive Rückmeldungen freuen mich natürlich, ob sie nun nach einer Lesung aus dem Publikum kommen oder in der FAZ zu lesen sind. Sie bestätigen mich in meiner Arbeit und spornen mich an, auch beim nächsten Buch an meinem Weg festzuhalten – was manchmal nicht einfach ist, in einer Zeit, in der hohe Verkaufszahlen oft als Qualitätsmerkmal für ein Buch gelten.
Sie sind in Tirol aufgewachsen, in St. Johann in die Schule gegangen. Wie ist es für Sie als Einheimischen, hier zu lesen?
Ja, ich bin in Kirchberg aufgewachsen, habe in St. Johann maturiert – und dort auch 1999 mein erstes Buch vorgestellt, daran habe ich schöne Erinnerungen.
Und ich freue mich sehr auf die Lesung in St. Johann, bei der ich hoffentlich einige Bekannte wiedersehen werde. Das Interview führte Beatrix Mitterweissacher (Literaturverein St. Johann)
Die Veröffentlichung wurde vom Kitzbüheler Anzeiger unterstützt.
Bild: Christoph W. Bauer kommt am 21. September nach St. Johann. Foto: Schneider
Angesagt - Christoph W. Bauer liest
Auf Einladung des Literaturvereins St. Johann liest Christoph W. Bauer aus seinem Roman „Niemandskinder“ am Dienstag, 21. September, um 19.30 Uhr, in der Alten Gerberei in St. Johann.
„Niemandskinder“ ist ein Roman über Kindheiten, Liebe und Verlust. Das Jahr 2015 ist wenige Tage alt, als Paris von einem Terroranschlag erschüttert wird, der die Seele der Stadt über Nacht verändert. Mittendrin ein junger Historiker, auf der Suche nach einer vergangenen Liebe.
Infos und Reservierungen unter www.literaturverein.at