Gegen Kunstmaler und Bildlschnitzer
Heinrich Tilly (1931-2022) nahm über Jahrzehnte unmissverständlich zu Kunst und Künstlern im Bezirk Kitzbühel Stellung.
Heinrich Tilly hinterließ als engagierter Kunsterzieher am Gymnasium, der damals einzigen Maturaschule des Bezirks, und durch sein malerisches und bildhauerisches Werk deutliche Spuren. Seine Wortmeldungen zu alten und neuen Bauten, zu Künstlern und Sponsoren und zu gesellschaftlichen Entwicklungen in der Provinz ab den Sechziger Jahren sind Zeitzeugnisse, die im Kitzbüheler Anzeiger und in der St. Johanner Gemeindezeitung abgedruckt wurden.
Klare Stellungnahme
Der erste Kontakt mit dem Kitzbüheler Anzeiger war eine Antwort auf einen Artikel von Redakteur Martin Wörgötter. Der Anlass ergab sich nach der Eröffnung des Neubaus der vom Land Tirol errichteten Haushaltungsschule in St. Johann in der Weitau.
Wörgötter zeigte sich vom Wandbild des bekannten Innsbrucker Malers Walter Honeder (1908-2006) enttäuscht, hatte allerdings nicht das straßenseitige Hauptbild, sondern nur den floralen Wandschmuck auf der Seitenfront im Blick.
Gegen den „heimatverbundenen“ Maler
Tilly war mit dem Bericht nicht einverstanden und konterte: Das Bild ist in herrlich duftigen Farben gehalten, sehr sinnvoll und sicherlich ein schönes Stück zeitgenössischer Wandmalerei. Das Gemälde hat ihr Reporter anscheinend nicht gesehen.
Wörgötter ging ein „heimatverbundener Maler“ ab, das forderte Tilly heraus: Vielleicht verstehen Sie darunter „Kunstmaler“, die ihre Heimatverbundenheit dadurch zum Ausdruck bringen, dass sie röhrende Hirsche und glühende Alpen und Edelweiß und Enzian malen! Die nie weiter gekommen sind, als von der Küche in den Stall, und die sich nie Gedanken gemacht haben über die große Revolution in der Kunst seit hundert Jahren!
Uns junge Künstler stempelt man zu Abtrünnigen. Uns nennt man nicht heimatverbunden, weil wir trotz größter Ablehnung und Erschwernissen unserem Heimatland Tirol Anteil verschaffen an der modernen Kunst. Und anstatt uns eine Existenzberechtigung zu geben und uns ein wenig zu helfen, zerstört man durch unsachgemäße, von Laien geschriebene Kritiken unseren Mut und das Vertrauen der Bevölkerung und hilft denen, die für Geld alles malen und versucht, unser Land abzuschirmen von der europäischen Kultur.
Wir aber arbeiten unentmutigt weiter, weil wir heimatverbundener sind als jene Kunstmaler und Bildlschnitzer, die zwar das Publikum auf ihrer Seite haben, derer sich unser Land allerdings schämen muss. Sollten Sie wieder einmal über ein zeitgenössisches Kunstwerk etwas veröffentlichen, so würde ich Ihnen gern mit einer sachlichen Kritik dienen, und würde selbstverständlich Ihren Reporter gerne einmal einladen, mich zu besuchen und sich über die „heimatverbundene“ Kunst zu orientieren.
Wörgötter hatte den Mut, Tillys Ausführungen aufzunehmen. Dass die Redaktion auch etwas wagt und selbst keine Kritik scheut, dafür sollte der ungekürzte Abdruck dieses Briefes als Beweis dienen.
Wörgötter führte auch an, dass das große Kruzifix im Näh- und Speisesaal der Haushaltungsschule von Tilly stammt (Kitzbüheler Anzeiger, 4. November 1961).
Tilly hatte die Beachtung des Redakteurs gefunden. Er meldete sich nun immer wieder zu Wort und konnte ungehindert auch Eigenwerbung platzieren...
Mehr dazu lesen Sie in der aktuellen Printausgabe des Kitzbüheler Anzeigers (KW 52-2022) in der Rubrik "Kitzbüheler Heimatblätter" von Hans Wirtenberger.
Bilder: 1) Prof. Tilly in St. Johann in Tirol, 1973. Fotos: aus der Biographie 2) Friedrich Wilhelm Raiffeisen (Türgriff, 1978). Foto Stadtarchiv Kitzbühel