„Geltendes Freizeitwohnsitz-System ist unausgereift“
Die Ermittlungen gegen illegale Freizeitwohnsitze tragen in Kitzbühel erste Früchte: Das Landesverwaltungsgericht bestätigte einen Untersagungs-Bescheid der Stadtgemeinde. Die für die Kontrollen zuständige Juristin Sandra Göstl und Bürgermeister Klaus Winkler sprachen darüber mit dem Kitzbüheler Anzeiger. Bürgermeister Winkler hält das derzeitige Freizeitwohnsitz-System für unausgereift.
„Gericht wirft Münchner aus Haus in Kitz“ lautete die Schlagzeile der Kronen Zeitung - bitte schildern Sie uns den Fall.
Bgm. Klaus Winkler: Es gab eine Anzeige. Daraufhin wurde von uns ermittelt. Die Indizienkette eines Freizeitwohnsitzes wurde von uns exakt dargelegt. Wir haben die Nutzung untersagt. Dagegen erhob der Betroffene Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht, welches uns Recht gegeben hat.
Juristin Sandra Göstl: Es ist wichtig, dass wir Sachverhalte akribisch und über Monate hinweg erheben, damit keine Fehlentscheidungen getroffen werden. Es wäre fatal, wenn wir fälschlicherweise einen illegalen Freizeitwohnsitz feststellen.
Im besagten Fall dauerten die Ermittlungen rund ein Jahr. Es war offensichtlich, dass das Objekt nicht dauerhaft bewohnt wird. So klebte monatelang ein Zettel für die Post an der Haustür. Kürbisse als Dekoration faulten vor sich hin. Das Kind besucht in München die Schule. Es wurde nie ein Auto in Kitzbühel angemeldet usw.
Wurden schon mehrere Nutzungen in Kitzbühel untersagt?
Winkler: Wir haben insgesamt rund 300 Kontrollen durchgeführt, wovon einige Verdachtsfälle sich sofort geklärt haben, da es sich um offizielle Freizeitwohnsitze handelte. Nutzungen wurden aber auch schon untersagt, wobei die Verfahren jedoch noch laufen.
Das ganze Ermittlungsverfahren ist sehr bürokratisch und aufwendig. Jeder der Beschuldigten legt natürlich Beschwerde gegen die Nutzungsuntersagung ein.
Göstl: Der Fall des Münchners war nun der erste, der vom Landesverwaltungsgericht bestätigt wurde.
Woher bekommt die Stadtgemeinde Hinweise auf mögliche illegale Freizeitwohnsitze?
Göstl: Die Hinweise und Anzeigen, denen wir nachgehen, kommen großteils von Bürgern.
“Egal, wie viele Nutzungen wir untersagen, es wird kein Einheimischer in den Immobilien wohnen.“
Herr Bürgermeister, trauen Sie sich eine Einschätzung zu, wie viele Hauptwohnsitze in Kitzbühel möglicherweise illegal als Freizeitwohnsitz genutzt werden?
Winkler: Das ist Kaffeesudlesen. Alle in den Medien veröffentlichten Zahlen sind reine Spekulation. Es wäre unseriös, hier irgendeine Zahl zu nennen.
Viele Bürger fragen sich, was passiert dann mit den illegalen Freizeitwohnsitz-Luxusvillen? Dort wird ja kaum Otto Normalbürger einziehen.
Göstl: Rechtlich gesehen kann der Besitzer die Immobilie leer stehen lassen, verkaufen oder vermieten. Fakt ist: es muss jemand seinen Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt dort haben - sofern die Immobilie bewohnt wird.
Winkler: Wir müssen das dann natürlich wieder überprüfen und das Spiel beginnt von Neuem.
Wenn man jetzt rigoros gegen illegale Freizeitwohnsitze vorgeht, welche Auswirkungen könnte das in Zukunft auf den Immobilienmarkt haben?
Es ist ein Irrglaube, wenn man meint, dass durch den Wegfall der Freizeitwohnsitze die Preise soweit fallen, dass Liegenschaften leistbar werden.
Wir leben in einer beneidenswerten Region mit vielen Vorteilen, wie guter Erreichbarkeit und hervorragender Infrastruktur. „Qualität hat ihren Preis“ – hat bereits Erich Kästner in seiner Romanverfilmung „Drei Männer im Schnee“, welche 1934 in Kitzbühel spielte, festgestellt. Hochpreis-Immobilien werden uns erhalten bleiben.
Wie kommt man dann als Einheimischer zu leistbarem Wohnraum?
Winkler: Wir haben in Kitzbühel 20 Hektar gewidmetes Bauland, welches für Einheimische nicht verfügbar ist, weil der Wert stetig steigt und die Besitzer, die auch oft Einheimische sind, es nicht verkaufen. Und sollte jemand Grundstücke verkaufen, wird er es nur zum Marktwert tun – und der ist sehr hoch.
Die einzige Chance ist, dass wir als Gemeinde Freiland für Wohnbau erschließen. Wir haben in den letzten zwölf Jahren knapp 400 Wohnungen und Siedlergrundstücke entwickelt. Für mehr als 10 Prozent der Bevölkerung hat die Stadt leistbaren Wohnraum geschaffen.
“Der einfachste Indikator für einen Hauptwohnsitz wäre, wo der Betroffene seine Steuern zahlt.“
Ist das die Zukunft, dass die Gemeinde für leistbaren Wohnraum sorgen muss?
Winkler: Ja, es geht in einer so attraktiven Stadt wie Kitzbühel wohl nicht mehr anders. Selbst wenn wir im Jahr Hunderten die Nutzungen von illegalen Freizeitwohnsitzen untersagen, wird am Ende des Tages kein Einheimischer in diesen Immobilien wohnen.
Es wird oft argumentiert, dass man froh darüber sein sollte, weil die „Zweitwohnsitzler“ viel Geld nach Kitzbühel bringen, wie sehen Sie das, Herr Bürgermeister?
Winkler: Für mich ist es wichtig, dass man das Augenmaß nicht verliert. Man muss so ehrlich sein, dass der Wohlstand Vieler auf dieses Phänomen „Zweitwohnsitzler“ zurückzuführen ist. Auf der anderen Seite darf es aber nicht zu einem Ausverkauf kommen. Wohnraumbeschaffung für Einheimische darf nicht darunter leiden.
2019 hat der Kitzbüheler Anzeiger im Sonderthema „Sichtweisen“ * die Freizeitwohnsitzproblematik umfassend beleuchtet. Damals haben Sie im Interview gesagt „Wir sitzen zwischen den Stühlen und haben den schwarzen Peter“ - ist die gesetzliche Situation nun zufriedenstellender für die Gemeinden?
Winkler: Das derzeitige System der Freizeitwohnsitze ist noch immer nicht ausgereift. Nach wie vor wird den Bürgermeistern der schwarze Peter zugeschoben.
Es wurden den Gemeinden zwar mehr Kompetenzen in Bezug auf die Kontrolle eingeräumt, ein Bespitzelungsstaat wollen wir jedoch nicht sein. Das Ermittlungsverfahren ist extrem aufwendig. Es kann ein Untersagungsbescheid nur erlassen werden, wenn für eine illegale Freizeitwohnsitznutzung ausreichend belegbare Anhaltspunkte vorliegen. Der Stromverbrauch ist z.B. kein Indikator. Gerade die Luxusimmobilien brauchen für ihre Wellnessbereiche viel Strom.
In Wahrheit hat ein Mensch dort seinen Lebensmittelpunkt, wo seine Familie ist und er seinen Steuerwohnsitz hat. Die Familiensituation lässt sich leicht feststellen, wir bekommen allerdings zum Steuerwohnsitz keine Informationen von den Behörden.
Der einfachste Indikator für einen Hauptwohnsitz wäre, wo der Betroffene seine Steuern bezahlt. Der Informationsaustausch mit der Finanz gehört dringend reformiert. Ich fordere das seit Jahren. Johanna Monitzer
*Zum Nachlesen: Sonderthema „Sichtweisen“ zu illegalen Freizeitwohnsitzen Ausgabe 49/2019 unter www.kitzanzeiger.at/de/archiv.
Bild: „Der Fall des Münchners war der erste, der vom Landesverwaltungsgericht bestätigt wurde“, erklärt Juristin Sandra Göstl – ihre Ermittlungen führten dazu. Bgm. Klaus Winkler hat nach wie vor seine Probleme mit dem derzeitigen Freizeitwohnsitz-System. Er hält es für „unausgereift“. Foto: Monitzer