Gülle - ein duftiges Konfliktfeld
Ja, güllen die schon wieder? Dürfen die das? Die Gülleausbringung auf den Feldern im Bezirk beinhaltet Konfliktpotential. Die Güllefässer bewegen sich aber nicht im rechtsfreien Raum. Bauern erklären, warum Gülle wichtig ist und appellieren an gegenseitiges Verständnis.
Kirchdorf, Bezirk | Einem Anrainer hat es wohl zu stark gestunken. Daraufhin verfasste dieser einen nicht weniger „stinkingen“ Brief. Im Kirchdorfer Gemeindeamt trudelte vor Kurzem ein anonymes Schreiben ein, worin man sich massiv über die Gülleausbringung beschwert. „Normalerweise verschwindet so ein Brief im Papierkorb. Auf so ein Niveau begeben wir uns nicht herab“, möchte der langjährige Landwirtschaftskammer-Funktionär, Gemeindevorstand Josef Heim nicht weiter auf die anonymen Zeilen eingehen.
Dass Güllen im Sommer zwischen Wäsche aufhängen und Grillpartys für Konflikte sorgt, ist ein altbekanntes Thema. Was viele nicht wissen, die Landwirte bewegen sich bei der Gülleausbringung keineswegs in einem rechtsfreien Raum. Es wird vorgeschrieben welche Grenzwerte eingehalten werden müssen, wie viel Gülle ein Bauer produzieren und wann gedüngt werden darf. Kontrolliert wird dies von der Agrarmarketing.
Verstärkt wird die Diskussion rund um das Düngen durch einen Effekt in der heimischen Landwirtschaft, der gewollt ist, veranschaulicht Heim: „In den letzten Jahren wurden die Betriebe in Richtung Kreislaufwirtschaft umgebaut. Es wird auf Handelsdünger verzichtet. Das ist nachhaltig, riecht aber.“
Der richtige Zeitpunkt
98 Prozent der bäuerlichen Betriebe im Bezirk verwenden keinerlei Handelsdünger mehr, sondern ausschließlich Gülle – ohne Chemie. „Was ist die Folge daraus? Wir müssen den Dünger, der am Hof anfällt, dann wenn er wirken soll – nämlich in der Wachstumsphase der Pflanze – ausbringen“, erklärt Heim. Das bringt mit sich, dass der Bauer öfter mit dem Güllefassl unterwegs ist.
Gefühlt, immer dann, wenn man zur Grillparty geladen hat oder die Wäsche raushängt, wird gedüngt. „Grundsätzlich sollte man bei schönem Wetter, wenn die Felder trocken sind, düngen. Danach sollte ein leichter Sprühregen einsetzen, zu starker Regen ist auch nicht ideal – aber wünschen kann man sich viel“, schmunzelt Josef Heim. Die Realität sieht leider anders aus und auch für die Bauern ist es oft ein Hin und Her wann sie mähen und düngen sollen/können.
Nebenerwerb: oft bleibt nur das Wochenende
Dass, viele Nebenerwerbs-Bauern sind, man die Felder verpachtet hat oder mit Hilfe von Lohnunternehmen die Felder bewirtschaftet, macht es nicht einfacher. „Oft hören wir – warum mäht und düngt ihr nicht alle gleichzeitig? Das geht sich zeitlich einfach nicht aus“, erklärt der Kirchdorfer Landwirt, Gemeindevorstand Josef Wörgötter, der schon einige Diskussionen rund um´s Düngen geführt hat.
Gar nicht düngen dürfen die Bauern bei gefrorenem Boden sowie von 30. November bis 15. Februar. Bauern sind verpflichtet einen Güllelagerraum für ein halbes Jahr zu haben. „Vom Agrarmarketing wird berechnet wie viel Gülle ein Bauer haben soll – hat er zu viel muss er diese abgeben. Auch dies ist somit streng geregelt“, klärt Heim auf.
Hat man früher weniger oft gedüngt?
Ja. „Es gibt in der Landwirtschaft neue Erkenntnisse. Junges Futter hat viel mehr Nährstoffe für die Tiere. Die Bauern mähen deshalb – auch weil es technisch möglich ist – öfter und geben jedes Mal nach der Maht Gülle drauf, um das Wachstum wieder zu fördern - das ist der effektivste Kreislauf“, veranschaulicht LK-Vizepräsidentin, Landesbäuerin Helga Brunschmid.
In unseren Breiten wird ein Feld im Schnitt drei Mal pro Jahr gemäht, erklärt GV Josef Heim: „In den besten Lagen, wie im St. Johanner Becken, vier mal.“
Verständnis für beide Seiten gefordert
Die Bauern im Bezirk plädieren an gegenseitiges Verständnis, wenn es einmal etwas strenger riecht. Einige Bauern benachrichtigen z.B. ihre Nachbarn, bevor das Güllefassl kommt – was im dichter besiedelten Raum aber nur schwer möglich ist.
Gibt es eine wohlriechendere Alternative? „Chemischer Handelsdünger wäre geruchlos – aber wollen wir das? Nein. Wir wollen eine gesunde, nachhaltige Landwirtschaft“, betont Josef Wörgötter, und ergänzt: „Auch Bauern haben eine Nase. Für uns stinkt es nicht weniger.“Johanna Monitzer
Fotomontage: 98 Prozent der bäuerlichen Betriebe im Bezirk verzichten auf Handelsdünger. Gedüngt wird ohne Chemie mit Gülle – was mitunter recht geruchsintensiv sein kann. Bauern appellieren an gegenseitiges Verständnis. Fotomontage: Anzeiger