Humanitäre Hilfe für die Ukraine: sechs Lkw aus dem Bezirk
Zumindest einen Lastwagen mit Hilfsgütern erhofften sich die Initiatoren der Aktion. Geworden sind es sechs voll beladene Lkw aus dem Bezirk sowie ein weiterer aus Schwaz, die am vergangenen Wochenende im Konvoi an die polnisch-ukrainische Grenze rollten.
St. Ulrich | „Hier ist Chaos. Überall Kriegsflüchtlinge und Militär, da und dort eine Gulaschkanone oder Essensverteilung, volle Auffanglager, ein Grenzbahnhof, der aus allen Nähten platzt und Lastwägen in endlosen Warteschlangen. Elend, wohin man schaut. Der Krieg ist ganz nah, es ist bedrückend“, berichtete Wolfgang Gstrein dem Kitzbüheler Anzeiger am vergangenen Sonntag.
Hilfsgüter für Menschen im Kriegsgebiet
Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Waidringer an einem offiziellen Hilfsstützpunkt in Przemysl, einer Grenzstadt direkt an der polnisch-ukrainischen Grenze. Mehr als 24 Stunden war er mit Helfern aus dem Bezirk Kitzbühel bereits vor Ort, um die Sachspenden auf polnischem Boden abzuladen und in ukrainische Lastwägen - diese befanden sich auf ukrainischem Staatsgebiet - zu verfrachten. Denn die Hilfsgüter aus dem Bezirk Kitzbühel blieben nicht in den Flüchtlingslagern an der Grenze, sie wurden gleich direkt ins Kriegsgebiet gebracht - dorthin, wo sie am dringendsten benötigt werden.
Die wertvolle Fracht aus dem Bezirk umfasste warme Kleidung, Unterwäsche, Schlafsäcke und Isomatten, Babynahrung, Lebensmittel, Hygieneartikel, Verbandszeug und Medikamente, aber auch Zündhölzer, Batterien, Kerzen und Geschirr. Alles schon in St. Ulrich peinlichst genau sortiert, beschriftet und auf Paletten verpackt.
„Unsere Lkw waren bummvoll. Die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung war grenzenlos. Es sind viel mehr Spenden zusammengekommen, als wir uns anfänglich erhofft haben. Unser Dank ergeht an alle, die gespendet und geholfen haben. Auch an die vielen Freiwilligen, die an der Sammel- und Verladestation mitangepackt haben“, ist Gstrein überwältigt.
Ein Facebook-Posting erfasste ganzen Bezirk
Gemeinsam mit Andreas Knapp von der St. Ulricher Firma Nothegger Transport Logistik GmbH hat er die Hilfsaktion für die Ukraine in der vergangenen Woche kurzerhand ins Leben gerufen. Ein einziger Facebook-Aufruf am Montag reichte aus, um sich wie ein Lauffeuer im Bezirk zu verbreiten. Schon zuvor hatte sich die Firma Nothegger dazu bereit erklärt, einen Lkw samt Fahrer sowie einen Ladeplatz gratis zur Verfügung zu stellen.
Was genau für die Menschen in der Ukraine benötigt wurde, war in dem Facebook-Posting zu erfahren; die Infos hatte Gstrein von seinem Kameraden aus dem Volleyballclub St. Johann, der aus der Ukraine stammt.
Gstreins Aufruf zeigte volle Wirkung: Zahlreiche Privatpersonen, Vereine und auch Unternehmer lieferten nach St. Ulrich, die Feuerwehren Reith und Fieberbrunn richteten Abgabestellen ein, bei Wolfgang Gstrein läutete das Telefon nonstop. Schon am Dienstag, Tag 1 der Sammelaktion, war klar, dass ein Lastwagen allein nicht ausreichen würde. „Wir können Karl Nothegger nicht genug danken, dass er die Zahl der bereitgestellten Lkw von Tag zu Tag erhöht hat. Seine Lkw-Fahrer haben sich für den Transport sogar Urlaub genommen.“
Private, Feuerwehren und Vereine halfen
Am Mittwoch wurde noch mehr angeliefert, Donnerstagabend stand schließlich fest: Allein aus dem Bezirk Kitzbühel sind sechs volle Lkw-Ladungen zusammengekommen. Auf Anfrage der Stadt Schwaz stellte Nothegger zusätzlich noch einen weiteren Lkw zur Verfügung. Damit waren es insgesamt sieben Lastwägen, die Freitag früh im Konvoi Richtung polnisch-ukrainisches Grenzgebiet aufbrachen.
Nach 16 oder 17 Stunden Fahrzeit über „abenteuerliche Straßen“, so Gstrein, erreichten die Tiroler in der Nacht zum Samstag ihr Ziel. Dann folgte ein schier endloses Warten - am Umladeplatz war man von dem Zustrom offenbar überfordert. Gstrein: „Die Bürokratie war riesig und es fehlte an der Logistik. Alle Lkw mussten händisch aus- und umgeladen werden. Stapler gab es nicht.“
Bis Sonntagabend war man im Einsatz, Montag gegen 4 Uhr früh konnte schließlich die Heimreise angetreten werden.
Schon auf der Rückfahrt lief die Planung für eine weitere Hilfsaktion an. Jene Sachspenden, die in den sieben Lkw der ersten Tour keinen Platz mehr gefunden hatten, sollen nachgeschickt werden. Für die Transportkosten will man einen Teil der Geldspenden verwenden.
Gstrein: „Es ist ein unsagbares Leid, das den Menschen in der Ukraine widerfährt. Es fehlt an allem. Wir können nur den berühmten Tropfen auf dem heißen Stein beisteuern. Doch unser Bezirk hat zusammengeholfen und an einem Strang gezogen. Und das war eine schöne Erfahrung.“
Im Übrigen auch für die Kitzbühelerin Inge Rauchenecker, die, wie sie in einem Leserbrief mitteilte, „weinen musste“, als sie an der Sammelstelle in St. Ulrich die große Hilfsbereitschaft festgestellt hat. Ihr Appell: „Behalten wir in unseren Herzen das Gefühl der Akzeptanz und Menschlichkeit. Wir werden es wahrscheinlich noch dringend brauchen.“ Alexandra Fusser
Bilder: Lokalaugenschein an der Sammelstation in St. Ulrich: Initiator Wolfgang Gstrein (2. von re.) koordinierte die drei Tage dauernde Aktion. Freiwillige halfen beim Sortieren und Verpacken . Sie wurden von Tag zu Tag mehr.
Tiroler Hilfskonvoi am Umladeplatz an der polnisch-ukrainischen Grenze. Stundenlange Wartezeiten vor dem Abladen wurden in Kauf genommen. Foto: Gstrein und Neumayer
Bezirk hilft - Unterkünfte für Geflüchtete
Oberndorf | Die Serviceclubs Round Table 39 Kitzbühel und Ladies Circle 15 Kitzbühel installieren in Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe und der Gemeinde Oberndorf eine kurzfristige Unterkunft für Menschen, die vom Krieg flüchten mussten. Im Gebäude der Lebenshilfe finden in einem ersten Schritt zehn bis fünfzehn Menschen Platz.
Mit Geldspenden helfen
Die geflüchteten Menschen, hauptsächlich Familien, können über das Netzwerk von Round Table International nach Oberndorf kommen. Um die Unterkunft mit dem Notwendigsten auszustatten, wurde ein Spendenkonto ins Leben gerufen. Die Spenden werden zu 100 Prozent für die Flüchtlingshilfe verwendet.
Sollte Spendengeld übrig bleiben, wird dieses nach Kriegsende für den Wiederaufbau in der Ukraine aufgewendet.
Spendenkonto: Round Table 39 – Kitzbühel, Kennwort: Hilfe Oberndorf in Tirol, AT40 2050 5000 0157 6537, SPKIAT2KXXX
Unterkünfte melden
Wer Wohnraum für Geflüchtete zur Verfügung stellen möchte, kann das Land Tirol (E-Mail: unterkunft.ukraine@tirol.gv.at) kontaktieren.