„Jeder Ort hat seine eigene DNA“
Kaum eine Standortentwicklung im Bezirk Kitzbühel ohne sein Mitwirken: Roland Murauer vom Beratungsunternehmen CIMA, kennt die Gegebenheiten vor Ort bestens. Der Anzeiger bat ihn zum Interview.
Wie ist die Handelsstruktur im Bezirk Kitzbühel gestrickt?
Für die lokale Bevölkerung ist St. Johann die absolute Nummer 1. Dann kommt Kitzbühel, und danach Fieberbrunn. Fieberbrunn hat eine gewisse lokale Kaufkraft vor allem im Nahversorgungs-Bereich, aber auch darüber hinaus. Was in einem Bezirk wie Kitzbühel auch wichtig ist, ist die „Nahversorgung“ für Touristen. Da geht es nicht um Lebensmittel, sondern um Dinge wie Sportartikel etc. Generell profitiert der Handel im Bezirk vom Tourismus – er ist mehr als nur die Butter aufs Brot. Das gilt für Kitzbühel weit mehr als für St. Johann. Kitzbüheler Handel ist zu über 60 Prozent vom Tourismus abhängig.
Und dann gibt es in der Region noch kleinere Standorte, die aus meiner Sicht eine sehr gute, inhabergeführte Handelsstruktur haben. Kirchberg ist beispielsweise ein sehr lebendiger Ort, auch handelstechnisch, wo man merkt, dass die Betriebe Kraft und Saft haben.
Welche Stärken haben die jeweiligen Standorte?
Man hat in den vergangenen Jahren in die Ortskernqualität investiert: z.B. im Bereich Leitsysteme, Atmosphäre, Parkflächen, etc. Die Gemeinden haben ihre Hausaufgaben sehr gut gemacht. Auch die kleineren Orte sind Schmuckkästchen geworden. Das hat natürlich wieder mit dem Tourismus zu tun, aber auch der Einheimische wird dadurch animiert, dass er in die Orts- und Stadtkerne geht.
Wo gibt es noch Potenzial?
Da sehe ich stärkeren Bedarf zu gemeinschaftlichen Initiativen – es bestehen allerdings schon einige. Außerdem ist noch Potenzial im Bereich Digitalisierungs-Aufklärung für kleinere und mittlere Betriebe. Das gilt vor allem für Fieberbrunn und für Kössen, Kitzbühel oder auch Kirchberg. Da geht es darum, dass die Betriebe bei Google vorgereiht werden – wenn ich „Tennisschläger“ eingebe, soll es mir nicht einen Anbieter aus Salzburg anzeigen, sondern einen aus der Region. Es sollte die Homepage immer aktuell sein, und es sollte Social Media Marketing auch auf betrieblicher Ebene gemacht werden. Das gehört professionalisiert.
Wie weit ist man beim Thema Standortmarketing in Kitzbühel?
Das Konzept wurde grundlegend für gut befunden, wir setzen schon konkrete Schritte in Richtung der Rechtsstruktur. Es gibt in den nächsten Wochen Gespräche mit allen potenziellen Gesellschaftern.
Wie stark ist die Konkurrenz durch den Onlinehandel bzw. wie kann man sie stoppen?
Die Konkurrenz ist erheblich. Seit ungefähr 2014 feiert der Onlinehandel fröhliche Urständ‘. Vor allem in den für Ortskerne wichtigen Branchen. Da gehen zwischen einem Viertel und einem Drittel der Umsätze in Richtung Onlinehandel. In den nächsten Jahren wird der Marktanteil des Onlinehandels zwar weiter wachsen, aber nicht mehr in dieser Güte. Die Gegenstrategien sind mannigfaltig. Und zwar: Selber digital werden. Wobei der stationäre Handel nicht den Fehler machen darf, einen Onlineshop aufzusetzen und das nebenbei laufen zu lassen. Es geht vielmehr darum, digital sichtbar zu werden. Das, was vor 30 Jahren im Wettbewerb mit dem Einkaufszentrum auf der grünen Wiese Bedeutung hatte – gute Fachberatung, die persönliche Komponente und die Serviceorientierung zu unterstreichen – das gilt jetzt auch im Wettbewerb mit dem Onlinehandel.
Das nächste ist, die Ortskerne multifunktional attraktiv zu machen. Ich fahre deswegen als Einheimischer ins Zentrum weil dort eine g‘scheite Gastronomie ist, weil es dort Ärzte und Dienstleister, Schulen, Kindergärten und auch Kultur gibt – dort kann ich mehrere Sachen auf einmal erledigen und nehme das Einkaufen quasi mit.
Welche Rolle spielt hier das Parken?
Für die Einheimischen sind Parkplätze und die Rahmenbedingungen für das Parken von größter Wichtigkeit. Das fängt an bei einem gescheiten Parkleitsystem und geht weiter mit entsprechenden Parkflächen, die maximal 250 Meter entfernt von den Haupteinkaufszonen vorhanden sein sollten. Das kann durchaus auch eine Fußgängerzone sein, aber man muss Oberflächen- und Tiefgaragen-Parkplätze anbieten. Und schließlich, und da sind wir wieder beim Service, sollte eine Parkrückvergütung in den Betrieben passieren.
Macht es Sinn, dass derzeit so viele Standortmarketings „Tür an Tür“ entstehen?
Konkurrenz belebt das Geschäft. Die Themenstellungen sind jeweils sicherlich anders. Jeder Ort hat seine eigene DNA. Natürlich lässt sich die regionale Kaufkraft nicht endlos steigern, da kommt man sich schon etwas ins Gehege. Das ist aber nur einer der Aspekte, es geht bei Standortentwicklung ja um noch viel mehr.
Das Gespräch führte Elisabeth Galehr
Bild: Roland Murauer und das Beratungsunternehmen CIMA waren quer über den Bezirk schon an vielen Standortentwicklungen beteiligt. Foto: CIMA