Kitzbühel rüstet sich für Blackouts und andere große Krisen
Auf die Bekämpfung von Zivilschutz-Katastrophen jeglicher Art bereitet man sich in Kitzbühel bestmöglich vor. Die neue Gemeindeeinsatzleitung (GEL)arbeitet einen umfangreichen und detaillierten Masterplan aus.
Kitzbühel | Das Risiko großflächiger, langanhaltender Stromausfälle, sogenannter „Blackouts“, schwebt über Europa wie ein Damoklesschwert. Die Zahl der Naturkatastrophen nimmt zu, Schadensereignisse wie etwa Unfälle, die auch zahlreiche Menschen betreffen, können ohnehin jederzeit geschehen. „Krisen- und Katastrophenmanagement umfasst Katastrophensituationen, die mit Rettung, Evakuierung und Erstversorgung von Menschen, Verhinderung und Behebung von Sachschäden, Abwehr von Gefahren, Wiederherstellung öffentlicher Verkehrsverbindungen und Kommunikation verbunden sind“, erläutert Alexander Gamper, der dafür Beispiele nennt. „Sei es, dass in einem Großhotel Feuer ausbricht oder dass ein voll besetzter Zug entgleist. Dann kann es sein, dass plötzlich an die 1.000 Personen untergebracht, verpflegt und medizinisch versorgt werden müssen. Dazu kommt, dass in Kitzbühel zahlreiche Großevents stattfinden. Wenn da etwas Gröberes passiert, müssen wir rasch und umfassend reagieren können.“
Einsatzleitung in Gemeinden per Gesetz
Gamper ist FPÖ-Mandatar, er sitzt als Sicherheitssprecher der Freiheitlichen im Tiroler Landtag und als Stadtrat hat er auch in Kitzbühel die Sicherheitsagenden übernommen. Im Auftrag des Bürgermeisters stellt er seit rund zehn Monaten die Gemeindeeinsatzleitung, kurz GEL genannt, in der Gamsstadt auf neue Beine, indem er sie erweitert und umfangreich durchstrukturiert. Diese Aufgabe nimmt er sehr ernst, doch ganz neu ist sie für ihn nicht: Einschlägige Erfahrungen habe er bereits im Rahmen mehrerer Auslandseinsätze im Dienste der UNO und NATO in Krisengebieten (Kosovo, Bosnien, etc.) gemacht und dort vor allem in der Einsatzführung mitgearbeitet, berichtet Gamper.
„Nicht Schwarzmalerei, sondern Verpflichtung“
Die Gemeindeeinsatzleitung ist bekanntlich eine Behörde und per Tiroler Landesgesetz seit 2006 verpflichtend einzurichten. Sie versteht sich als Bindeglied zwischen den Blaulichtorganisationen (Feuerwehr, Rettung, Stadtpolizei, Bergrettung, Lawinenkommission, Wasserrettung, Bergwacht), den städtischen Einrichtungen (Stadtwerke, Bauhof, Stadtamt, etc.) und dem Bürgermeister als hautpverantwortlichem Einsatzleiter.
In Kitzbühel wurde mittlerweile ein Krisenstab aus 24 Personen geschaffen, der sich in sechs Stabsbereiche (siehe Factbox links) gliedert. Jedes Krisenszenario wird gemeinsam durchgespielt, jede Maßnahme akribisch geplant. Dem Zufall will man in Kitzbühel nichts überlassen, dafür sorgt ein Katastrophenschutz-Masterplan, in dem für jeden Notfall das erforderliche Prozedere ausgearbeitet und vorsorglich festgelegt wird.
Als „Schwarzmalerei“ will Gamper all diese Maßnahmen nicht verstanden wissen: „Alles, was passieren könnte, ist realistisch. Immer im Hinblick darauf, dass wir als Gemeinde im Krisenfall völlig autark funktionieren müssen.“
Die sogenannte „Operationszentrale“ der Gemeindeeinsatzleitung ist in den Kitzbüheler Stadtwerken – diese sind energieautark – installiert. Hier laufen alle Fäden zusammen. „Wir können direkten Kontakt mit der Landeswarnzentrale und der Leitstelle Tirol halten. Das Kommando liegt aber bei den jeweiligen Blaulichtorganisationen, die wir in ihrer Arbeit unterstützen“, stellt der Sicherheits-Stadtrat klar. Digitale Funkgeräte werden für diesen Zweck angeschafft – auch und vor allem in Hinsicht auf ein Blackout, denn das bereitet das größte Kopfzerbrechen. Auch bei „nur“ gebietsweisen Stromabschaltungen kommen alle elektrisch betriebenen Systeme, von Tank-Zapfstellen bis zu Supermarkt-Kassen, von Bankomaten bis zu Heizungen, vom Öffi-Verkehr bis zur Telekommunikation, längerfristig zum Erliegen. „Selbst ein aufgeladenes Handy funktioniert schon 20 Minuten nach der Stromabschaltung nicht mehr“, schildert Gamper. Er setzt sich derzeit für die frühzeitige Sicherstellung von Lebensmitteln sowie deren geregelte Abgabe an die Bevölkerung ein.
Für das Heizkraftwerk in Kitzbühel wurde die Versorgung mit Notstrom bereits eingehend unter die Lupe genommen, aber auch für das Altenwohnheim sowie die Mittelschule. Ein weiteres leistungsstarkes Notstromaggregat soll zusätzlich angeschafft werden.
Besondere Bedeutung im Kitzbüheler Krisenmanagement kommt dem Altenwohnheim – hier können kurzfristig bis zu 80 Personen aufgenommen werden – sowie der Mittelschule zu. In der letztgenannten Einrichtung sollen bis zu 3.500 Personen versorgt werden können – mit Verpflegung, medizinischer und psychologischer Betreuung samt seelischem Beistand. Kinderbetreuung sowie Ruhezonen und Notschlafstellen sollen eingerichtet werden.Den reibungslosen Ablauf in diesem Evakuierungszentrum sollen mindestens 40 Mitarbeiter gewährleisten, im gesamten Einsatz über das Stadtgebiet verteilt seien im „Fall der Fälle“ aber mehrere hundert Leute zu koordinieren, sagt Alexander Gamper.
Im Katastrophenfall heulen die Sirenen
Die konstituierende Sitzung des Krisenstabes fand bereits am 29. November statt, ein erster Probelauf der neuen Strukturen soll im Rahmen des Hahnenkammrennens erfolgen. Geplant sind außerdem ein Tag der offenen Tür für die Bevölkerung im Frühjahr sowie eine groß angelegte Übung mit allen zur Verfügung stehenden Tiroler Einsatzkräften im Herbst.
Kommt es tatsächlich zum Ernstfall, wird die Bevölkerung über Zivilschutzalarm informiert, gleichzeitig wird der Krisenstab der Stadt Kitzbühel hochgefahren. Alexandra Fusser
Bild: Lagebesprechung der Gemeindeeinsatzleitung (von links): Einsatzleiter Alexander Gamper, Reinhard Hlebetz (S1), Markus Krenn (S3), Jörg Kickenweitz (S6). Übungsannahme: „Die Evakuierung von Gästen und Personal eines Alpengasthofes nach einem Murenabgang“. Foto: Stadtgemeinde Kitzbühel/GEL