Kitzbüheler Anzeiger

Westendorf

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4 Juli 2024 Thema Der vor allem im 19. Jahr- hundert verbreitete Begriff „Sommerfrische“ wird im Wörterbuch der Brüder Grimm als „Erholungsauf- enthalt der Städter auf dem Lande zur Sommerzeit“ oder „Landlust der Städter imSommer“definiert. Das Übersiedeln vom Quar- tier in der Stadt auf den Landsitz ist schon beim Adel in der Antike üblich ge- wesen. Die Gründe sind an- fangs primär wirtschaftlich, der Adel hatte im Sommer den landwirtschaftlichen Betrieb zu betreuen, der die wirtschaftliche Basis seiner Herrschaft bildete. Im Win- ter, wenn die Landwirtschaft ruhte, ging man zurück in die Stadt und nahm am ge- sellschaftlichen Leben teil. Daneben schätzte man aber auch, den im Sommer be- denklichen hygienischen Bedingungen der Stadt ent- kommen zu können. Während der mittelalterliche Adel Europas also eher aus politischer Notwendigkeit heraus zwischen verschie- denen befestigten Ansitzen wechselte, wurde in Krei- sen der Aristokratie mit dem Aufblühen der Städte seit der beginnenden Neuzeit der saisonelle Wechsel von Stadtpalais (Winterschloss) in die Sommerresidenz wie- der üblich. Aus dem Bo- zener Raum ist überliefert, dass die Bürger aus dem heißen T alkessel in die küh- len Sommerwohnungen des Mittelgebirges auf dem Rit- ten und nach St. Konstantin bei Völs am Schlern zogen. Der Begriff „Sommerfri- sche”, die den entspannenten Urlaubsaufenthalt an einem See oder in den Bergen be- zeichnet, wird in Österreich aber auch auf die Monarchie zurückgeführt. Kaiser Franz Josef I. wählte Mitte des 19. Jahrhunderts Bad Ischl zu seiner Sommerresidenz. Sei- ne Mutter hatte eine Bieder- meier-Villa erworben, die zur „Kaiservilla” ausgebaut wurde. In diese übersiedelte der kaiserliche Haushalt in der Folge alljährlich in den Sommermonaten. Das aufkommende wohlha- bende Bürgertum fand Ge- fallen an der Idee, der Som- merhitze in den Städten Von den Anfängen des T ourismus zu einem neuen Trend Sommerfrische auszuweichen. Wer es sich leisten konnte, ließ eine ei- gene Villa errichten, die an- deren nahmen Quartier in privaten Unterkünften. Die Sommerfrische war ein Sta- tussymbol. Oft wurde auch ein großer Teil des Hausrats mit auf die Sommerfrische genommen. Meist verblieb die Frau mit den Kindern den ganzen Sommer über, während das Familienoberhaupt in der Re- gel nur am Wochenende er- schien und ansonsten in der Stadt der Arbeit nachging. Das war durch den Ausbau des Bahnnetzes möglich ge- worden. So waren die Som- merurlaubsorte durch die Südbahn (ab 1838), die Semmeringbahn (1854), die Westbahn (1858), die Kamptalbahn (1889), die Salzkammergutbahn (1877) und die Salzkammergut-Lo- kalbahn (1893) gut erreich- bar geworden. Bekannte österreichische Sommerfrischen waren das Salzkammergut, der Wör- ther See, die Regionen um Semmering, Schneeberg und Rax, Baden bei Wien und Bad Vöslau und das ost- steirische Joglland. Die allsommerliche Völker- wanderung war auch von ei- nem romantischen Heimat- gefühl getragen. Aus einer rein bäuerlichen Umgebung entstand im Laufe der Zeit vielerorts eine Kulturland- schaft, die auch städtische Rituale aufnahm. DieSommerfischeüberlebte das Ende des Kaiserreichs, aber mit dem Einmarsch Hitlers endete diese erste Tourismusphase. In den Aufbaujahren nach dem Zweiten Weltrkrieg zog es viele Menschen im Som- merurlaub eher ans Meer als in die Berge, die Klima- änderung bewirkt aber auch wieder ein Aufleben der Sommerfrische-Idee. In Zei- ten der Autokarawanen, die an jedem Wochenende über die Alpen ziehen, können Im Sommerurlaub suchen immer mehr Städter vor allem Er- holung und Bewegung in einer intakten Natur (Foto: TVB). Spruch auf der Örg-Wies am Salvenberg
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