Medialer Druck zwingt zum Handeln
Sportlich ist die Expedition zum K2 für Willi Steindl gescheitert, aber moralisch ist sie ein Erfolg.
Kirchberg | Als Willi Steindl im Juni zu seiner Expedition aufbrach, war er auf vieles vorbereitet. Doch das, was er schlussendlich mit dieser Reise auslöste, konnte niemand ahnen.
Die Vorgeschichte: Der 30-jährige Kirchberger wollte als einer der ersten Tiroler den 8.611 Meter hohen K2 in Pakistan bezwingen. Aufgrund der schlechten Wetterverhältnisse blieb den meisten Expeditionsgruppen nur ein Tag für den Gipfelsieg. Es herrschte entsprechend großer Andrang auf der extrem schwierigen Aufstiegsroute. Rund 400 Meter vor dem Ziel entschied sich Steindl daher zur Umkehr. Das Risiko von Lawinen oder herabfallenden Eisbrocken getroffen zu werden, war dem Hotelier zu groß. „Ich habe meiner Familie geschworen, alles zu tun, um gesund wieder nach Hause zu kommen. Dieses Versprechen hätte ich beim Weitergehen nicht einhalten können“, erzählt er.
Gipfelgier gegen Menschenleben
Zurück im Basislager sichteten er und seine Begleiter die Filmaufnahmen, die sie unter anderem mit Hilfe einer Drohne am Berg gemacht hatten. Nur durch Zufall entdeckten sie einen verunglückten Hochträger.
„Der Mann ist ins Seil gestürzt und kopfüber hängen geblieben. Niemand zog ihn hinauf, weil alle nur auf den Gipfelsieg fixiert waren. Auch nachdem er endlich nach mehreren Stunden geborgen wurde, stiegen die Bergsteiger über ihn drüber und ließen ihn hilflos liegen, ohne ihn zu retten. Schlussendlich erfror der Mann“, schildert Steindl schockiert. Ihn berührte das Schicksal des Pakistani so sehr, dass er mit seinen Kameraden beschloss, die Tragödie nicht einfach stillschweigend hinzunehmen. Sie recherchierten und erfuhren, dass der Sherpa Familie hatte, die ohne ihren Versorger nur schwer überleben wird können.
Nach einem Besuch bei der Frau und den Kindern fasste Steindl den Entschluss zu helfen. Der ehemalige ÖVP-Politiker nutzte seine Kontakte und trat damit eine mediale Lawine los, die ihn – wieder zuhause – regelrecht überrollte. „Ich hatte an einem Tag 70 Interview-Anfragen, große TV Stationen und Printmedien berichteten weltweit über den Vorfall“, erinnert er sich. Das enorme mediale Echo verfehlte seine Wirkung nicht. Bis jetzt gingen insgesamt 157.000 Euro an Spendengeldern ein und auch die pakistanische Regierung schaltete sich ein.
Lebensgrundlage für Familie weggefallen
„Mir ging es in erster Linie darum, der Familie zu helfen, die nun ohne Einkommen dastand und keine Zukunftsperspektive mehr hatte. Dass ich jetzt so viel mehr tun kann, freut mich sehr. Es ist aber auch eine große Verantwortung und enorme Herausforderung für mich“, so der einstige Formel3-Pilot.
Schon alleine die Übergabe der Spendengelder erweist sich als große Hürde. In dem Dorf in Pakistan besitzen nur ganz wenige Menschen ein Handy, die meisten können nicht lesen und schreiben und die nächste größere Stadt, um beispielsweise ein Konto zu eröffnen, ist eine Tagesreise entfernt. Zusätzlich warten bürokratische Hindernisse, mit denen in der westlichen Welt niemand rechnet. Doch damit nicht genug. Aus dem Plan, einer Familie in Not zu helfen, ist inzwischen ein Projekt entstanden, das nicht nur ein ganzes Land beschäftigt, sondern die gesamte Bergsteigerwelt verändern wird.
Infos zum Spendenprojekt und der Möglichkeit zu helfen, gibt es hier -> Spendenaktion
Neue Voraussetzungen für den Bergsport
„Aufgrund des medialen Drucks wurden offizielle Ermittlungen eingeleitet und der Arbeitgeber des verunglückten Mannes dazu gezwungen, der Familie eine Entschädigung zu bezahlen. Außerdem wurde vor kurzem ein Gesetz verabschiedet, dass jeder Sherpa eine Ausbildung absolvieren muss, um künftig Expeditionsgruppen auf 8.000-er in Pakistan führen zu dürfen“, berichtet Steindl, der mit der dortigen Regierung inzwischen in engem Austausch steht und als Berater miteingebunden wurde.
Im September reist er wieder in das Land, wo bereits mit den Vorbereitungen für den Bau einer entsprechenden Schule begonnen wurde. „Das wird viel verändern und den Menschen in Pakistan, die großteils von den Expeditionen leben, nicht nur Bildung, sondern insgesamt bessere Chancen ermöglichen“, hofft er. Sabine Huber
Bild: Noch vor Ort besuchte Willi Steindl Frau und Kinder des verunglückten 27-jährigen pakistanischen Hochträgers. Foto: Steindl