Nur keine Scham beim Skifahren
Die Schweden haben ein Wort erfunden. „Flygskam“. Es bezeichnet die Befangenheit, die man angesichts des Klimawandels empfindet, wenn man eine Flugreise antritt. Dabei ist es nicht geblieben – mittlerweile wird auch immer öfter das Skifahren an den medialen Pranger gestellt. Zu unrecht, wie Skitourismusforscher Günther Aigner im Interview verrät.
Kitzbühel | Ist wirklich eine gesteigerte „Skifahr-Scham“ festzustellen?
Es gibt dazu meines Wissens nach kaum harte Daten aus Umfragen. Ich habe aus der medialen Berichterstattung indirekt darauf geschlossen. Diese schlägt in die Kerbe: „Macht man sich als Skifahrer schuldig? Muss man sich dafür schämen?“ Ich glaube, dass das eine Frage ist, die nicht ausgesprochen wird, aber unter der Wahrnehmungsschwelle mitschwingt.
Welches sind die größten CO2-Fallen beim Skiurlaub?
Die größte CO2-Falle und das alles Entscheidende ist die An- bzw. Abreise. Erstens die Distanz – je kürzer desto besser– und zweitens die Wahl des Verkehrsmittels. Am besten ist die Bahn, dann folgen Bus, Auto und Flugzeug. Am schlechtesten sind natürlich Interkontinentalflüge. Studien belegen: Zwei Drittel bis drei Viertel der Emissionen eines Skiurlaubes entfallen auf die An- und Abreise. Das nächste ist dann die Wahl der Unterkunft. Je höher die Klassifizierung der Beherbung desto schlechter schneidet sie meistens ab. Aber es gibt natürlich Ausnahmen – Hotels, die sich sehr bemühen.
Das dritte ist dann die Gastronomie. Erst in vierter Linie kommen die Aktivitäten vor Ort. Diese sind dann, was die Emissionen betrifft, untergeordnet. Ob ich als Hamburger Gast im Kitzbüheler Skiraum auf der Piste abfahre, eine Skitour gehe oder im Zimmer bleibe und lese spielt keine große Rolle mehr.
Skitouren oder Piste, was ist besser?
Es kommt auch hier auf die Anreise an. Wenn ich im Hotel neben dem Skiraum bin und den ganzen Tag die Piste benütze ist es besser, als wenn ich mit dem Dieselauto zum Auracher Graben fahre und dort eine Skitour gehe.
Wie hoch ist der reine Skifahr-Anteil an der Gesamtemission des Winterurlaubs?
Da gibt es verschiedene Studien mit verschiedenen Grund-Annahmen. Das Skifahren nimmt demnach einen Anteil von 1,8 Prozent bis maximal 18 Prozent ein. Der große Hebel ist nicht dort, sondern wie gesagt bei der An- und Abreise. Man könnte auch sagen, wenn ich mit der Bahn anreise, kann ich so viel Skifahren wie ich will. Die Lifte sind genauso CO2-freundlich wie die Bahn. Auch die Schneekanonen laufen mit Ökostrom. Das hilft aber alles nichts, weil das Image der technischen Beschneiung im Eimer ist.
Wie steht der Skiurlaub in Relation zu anderen Urlaubsformen?
Nicht so schlecht. Laut der Erhebung „Tourismus und Klimawandel“ und laut Umweltbundesamt kommt heraus, dass ein Skiurlaub in den Alpen nicht signifikant belastender ist, als ein Sommerurlaub in dieser Region. Und dass die Bilanz schlechter ist, wenn Österreicher oder Deutsche nach Italien mit dem Auto fahren. Flugreisen sind sowieso völlig außerhalb jeder Relation. Wenn ein Wiener sagt, er verzichtet heuer auf den Urlaub auf den Malediven, könnte er für das gleiche CO2-Budget 44 Jahre lang in Kitzbühel Skifahren gehen, wenn er mit dem Railjet anreist.
Welche Lehren sollten Skigebietsbetreiber daraus ziehen?
Bei der Mobilität muss man gute Anreize schaffen. Die klassischen Skigebiete sind ohnehin entlang der Bahnstrecken entstanden und haben jetzt alle Trümpfe in der Hand. Das zweite ist der Indivdiualverkehr. Da gilt es, Elektro-Mobilität zu forcieren. Bei den Maßnahmen im Skigebiet selber ist einer der größten Problemkreise die Pistenpräparierung, die bis dato hauptsächlich mit Diesel erfolgt. Da gibt es Alternativen, z.B. alternative Kraftstoffe.
Wir können festhalten, dass derzeit mit aller Kraft daran gearbeitet wird. Wenn das passiert, dann steht der Skitourismus sehr gut da. Meine Vision ist, dass der deutschsprachige Alpenraum in zehn Jahren den mit Abstand nachhaltigsten Skitourismus der Welt anbieten wird. Alle Indizien weisen in diese Richtung. Das Interview führte: Elisabeth Galehr
Bild: Wintersportforscher Günther Aigner setzt sich unter anderem mit der CO2-Bilanz des Skifahrens auseinander. Foto: Aigner