„Nur“ noch 290 Euro fürs Wenden
Autofahrer in Kitzbühel sind nach den Berichten des Kitzbüheler Anzeigers wachsam geworden. Das Wenden des Pkw in einer engen und zentrumsnahen Gasse könnte die Lenker teuer zu stehen kommen.
Kitzbühel | Die Berichterstattung hat eine Lawine ausgelöst: Jede Woche melden sich in der Zeitungsredaktion weitere Betroffene aus Deutschland und Österreich, die „Opfer“ einer angedrohten Besitzstörungsklage an Ort und Stelle in Kitzbühel geworden sind. Und auch in der Stadtgemeinde Kitzbühel weiß man bereits darüber Bescheid: „Es vergeht keine Woche, in der nicht Beschwerden im Stadtamt eintreffen“, bestätigt Bürgermeister Klaus Winkler.
Zur Erinnerung: Die betroffenen Lenker haben sich in der engen, zentrumsnahen Gasse verfahren, sind beim Wendemanöver mit ihrem Pkw unwissentlich auf Privatgrund geraten, wurden dabei fotografiert und waren kurze Zeit später mit dem Schreiben des deutschen Anwalts konfrontiert. Darin wurde ihnen ein Vergleichsangebot unterbreitet. Bei Zahlung von 345 Euro innerhalb einer gesetzten Frist würde von einer Besitzstörungsklage abgesehen, heißt es in dem Anwalts-Schreiben. Dokumentiert wird der so genannte „Tatvorwurf“ – Störung des ruhigen Besitzes – jeweils mit drei Fotos. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass Unbefugten das Betreten und Befahren durch ein Schild untersagt wird.
Wie bereits berichtet, ist der Privatgrund von öffentlichem Grund nicht eindeutig zu unterscheiden, da sowohl die Straße als auch das Grundstück gepflastert sind und eine entsprechende Abgrenzung (Zaun, Schranke, etc.) fehlt.
Firma fühlt sich „in ruhigem Besitz“ gestört
Die Causa dürfte in letzter Zeit um eine Facette reicher geworden sein. Der deutsche Anwalt wurde offenbar durch einen Wiener Anwalt ausgetauscht (Name und Anschrift der Redaktion bekannt) und auch der Standort für die angedrohte Besitzstörungsklage hat sich ins Nachbarhaus verlagert: Jetzt nämlich fühlt sich eine Unternehmensberatungsfirma durch wendende Autos in ihrem ruhigen Besitz gestört. Pikantes Detail: Bei dem Geschäftsführer dieser Unternehmensberatung soll es sich um jenen Wiener handeln (Name und Anschrift der Redaktion bekannt), der schon im Nachbarhaus mit Hilfe des deutschen Anwalts die mittlerweile bekannte Methode angewendet hat. Der im Vergleichsangebot eingeforderte Betrag von 345 Euro wird jetzt offenbar auf 290 Euro gesenkt.
Einige der betroffenen Autolenker haben, wie sie gegenüber dem Kitzbüheler Anzeiger empört schildern, das Vergleichsangebot angenommen und bezahlt. Andere wiederum haben bei Anwälten um Rechtsberatung angesucht. Nach bisherigem Wissensstand sei aber, so heißt es zumindest aus der Kitzbüheler Anwaltskanzlei Wendling & Partner, die einige Betroffene in dieser Causa vertritt, offenbar noch keine einzige Besitzstörungsklage am Bezirksgericht Kitzbühel erhoben worden. Vergleichsangebote aus dem August und September seien bereits über der Zeit, hält Horst Wendling fest. „Hier ist die Wartefrist von 30 Tagen bereits verstrichen. Damit ist der Fall quasi verjährt.“
Wohnsitzqualität wird überprüft
Bürgermeister Klaus Winkler ärgert sich über diese Vorfälle. „Bei einer derartigen Vorgangsweise stellt sich die Frage, ob es sich um reine Abzocke handelt.“ Es könnte ein Businessmodell dahinterstecken, hat Winkler schon vor Wochen vermutet. Konkrete Maßnahmen dagegen könne die Stadtgemeinde aber nicht setzen, wie er erläutert. „Da sind uns rechtlich die Hände gebunden.“ Derzeit wird aber die Wohnsitzqualität am Standort überprüft. Denn der in seiner Ruhe gestörte Auftraggeber hat, wie berichtet, nach Abfrage des zentralen Melderegisters keinen Hauptwohnsitz in Kitzbühel und ist laut Grundbuchauszug auch nicht Eigentümer der beiden Liegenschaften. Alexandra Fusser