Oscar für „Nawalny“ in Griffweite
Der Dokumentarfilm „Nawalny“ ist für den Oscar nominiert. Als Director of Photography ist der Oberndorfer Niki Waltl verantwortlich. Er stand dem heimischen Publikum bei einem Filmabend in Reith Rede und Antwort.
Reith, Oberndorf | Der Giftanschlag auf den russischen Oppositionspolitiker und Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hielt die Welt im August des Jahres 2020 in Atem. Zwei Tage lang wurde er in der Omsker Klinik behandelt, ins künstliche Koma versetzt und auf Drängen seiner Familie schließlich in die Berliner Charité verlegt. Im September 2020 wurde er aus dem künstlichen Koma geholt, noch im selben Monat konnte er das Krankenhaus verlassen. Zur weiteren Genesung blieb er mit seiner Familie und seinem engeren Team in einem Geheimversteck im Schwarzwald. Und genau hier setzt der Dokumentarfilm „Nawalny“ des kanadischen Regisseurs Daniel Rohers an, der mittlerweile für den Oscar 2023 in der Kategorie „Bester Dokumentarfilm“ nominiert worden ist.
Der 98-Minuten-Streifen, der vor einem knappen Jahr in die Kinos kam, ist ein packender Polit-Thriller. Er beschränkt sich nicht auf ein bloßes Portrait des Oppositionspolitikers, sondern arbeitet Giftanschlag, Genesung, Rückkehr und Verhaftung in Russland in entfesselnder Weise auf. Gleichzeitig zeigt er Nawalny als umsorgenden Ehemann und Familenvater, aber auch als einen Mann, der für seine Ideale brennt.
Niki Waltl drehte zwei Monate mit Nawalny
Für die beeindruckende Bild- und Lichtgestaltung verantwortlich ist der Oberndorfer Filmemacher Niki Waltl. Als Director of Photography war der international gefragte Kameramann zwei Monate lang im Schwarzwald an Nawalnys Seite und lernte ihn als einen „sehr charismatischen und entwaffnenden Mann“ kennen. „Nur wenige Minuten nach unserem ersten Zusammentreffen ist eine sehr angenehme Atmosphäre entstanden“, schildert Waltl. Zu diesem bedeutungsvollen, aber nicht ganz ungefährlichen Auftrag sei er über eine Berliner Agentur gekommen. Angst vor einem Terroranschlag habe er nie gehabt“, schildert Waltl. Lediglich ein einziges Mal ein mulmiges Gefühl, als Nawalny vor laufender Kamera die mutmaßlichen Drahtzieher des Giftanschlages mit Hilfe von investigativen Journalisten entlarvte – das packende Herzstück des Dokumentarfilmes, dessen Bilder in den Nachrichtensendungen rund um den Globus gesendet wurden. „Vor unseren Augen hat sich ein Stück Zeitgeschichte abgespielt“, schildert Niki Waltl noch immer beeindruckt. Durch den Ukrainekrieg habe der Film erheblich an Bedeutung gewonnen.
Dass er in Hollywood am 12. März einem Oscar entgegenfiebern darf, ist für den Oberndorfer surreal: „Als Filmemacher träumt man natürlich davon, einmal so weit zu kommen. Wenn es dann tatsächlich wahr wird, kann man es nicht glauben.“
Realistische Chancen in Hollywood
Entschieden ist jedoch noch nichts: „Die Chancen sind realistisch, doch das Ende ist offen.“ Den Erfolg des schon jetzt preisgekrönten Filmes – „Nawalny“ gewann beim prestigeträchtigen Sundance Film Festival den Audience Award für die beste US Documentary und den Festival Favorite Award – bezeichnet Waltl dennoch als zweischneidiges Schwert. „Für mich haben sich viele Türen geöffnet. Gleichzeitig tut es weh zu wissen, dass Nawalny diesen Film noch nie gesehen hat, weil er seit Jänner 2021 in einem sibirischen Gulag in Einzelhaft ist.“ Nach Russland reisen wird Waltl so schnell nicht: „ORF-Korrespondent Paul Krisei hat mir dringend davon abgeraten.“ Alexandra Fusser
Bild: Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny und Kameramann Niki Waltl im Schwarzwald. Foto: Lorena Mühsam