Kitzbüheler Anzeiger
16.05.2021
News  
 

„Pleitewelle bricht nicht herein“

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Am 30. Juni läuft die Frist für die Stundungen von Steuern und Abgaben aus. Das stellt viele Unternehmen vor eine noch angespanntere, wirtschaftliche Situation.  

Kitzbühel | Corona lähmt die Wirtschaft, trotzdem hat der KSV 1870 in Tirol gerade einmal 155 Firmeninsolvenzen im vergangenen Jahr verzeichnet. Um rund die Hälfte weniger als im Jahr 2019, als die Wirtschaft noch florierte. Diese auf den ersten Blick durchaus erfreuliche Nachricht ist in erster Linie mit den Hilfszahlungen der Bundesregierung zu erklären, aber auch mit den gesetzlichen Stundungen von Steuern und Sozialversicherungsabgaben.

Rückstände haben sich angehäuft
Am 30. Juni läuft diese Stundungsfrist jedoch aus. Neben den laufenden Beiträgen sind Unternehmen dann auch mit den angehäuften Rückständen konfrontiert, die bezahlt werden müssen. „Ein großer Punkt ist auch die Fälligkeit der ersten Rückzahlung der Corona-Kredite mit staatlicher Sicherung aus dem Frühjahr 2020. Hier wird es in den Bereichen Handel und auch Gastronomie zu Insolvenzen kommen“, hält WKO-Bezirksobmann Peter Seiwald fest.
 
Auch der KSV1870 rechnet mit einem klaren Zuwachs bei den Firmeninsolvenzen. In welcher Deutlichkeit dieser Anstieg im zweiten Halbjahr ausfallen wird, lasse sich derzeit schwer prognostizieren, erläutert Klaus Schaller, Leiter der Region West.  „Wir erwarten – ab dem Sommer bis zum Jahresende 2021 und weit darüber hinaus – einen kontinuierlichen Anstieg bei den Firmenpleiten. Schaller hält fest: „Der KSV1870 sieht aber keine Insolvenzwelle über Tirol hereinbrechen.“ Auch wenn die Zahl der Insolvenzen das Niveau von 2019 um 50 Prozent übersteige, werde gerade einmal die Anzahl der Pleiten des Jahres 2010 erreicht.

Handel und Tourismus fehlen die Gäste
Sorgenkinder bleiben der Tourismus und die tourismusnahen Betriebe. Gastronomie und Hotellerie stehen vor der Öffnung am 19. Mai, doch wann sie ihre operative Tätigkeit unter halbwegs normalen Vorzeichen ausüben können, sei heute schwer vorherzusagen. Schaller: „Es ist nicht gesichert, dass sogleich ähnliche Umsätze erzielt werden können wie vor der Pandemie.“
Trotzdem sei die Situation nicht ausweglos. Vor Corona haben viele Tourismusbetriebe sehr gut gewirtschaftet und finanzielle Reserven aufgebaut,  die Top-Tourismusregionen ihre Position am Markt gefestigt. Schaller: „In Summe sichert das, neben den Unterstützungsleistungen der öffentlichen Hand, den Bestand vieler Unternehmen. Es ist aber schon klar, dass das Ausbleiben der Gäste über mehrere Saisonen das wirtschaftliche Überleben vieler Betriebe bedroht.“ Besonders hart getroffen wurden, so Schaller, die tourismusnahen Betriebe, „vom Taxiunternehmen bis zum Eventveranstalter.“

Seiwald: „Raten helfen über die Durststrecke.“
Damit gesunde Unternehmen nach dem 30. Juni nicht in eine finanzielle Schieflage geraten und liquide bleiben, setzen sich Wirtschaftskammer und Wirtschaftsbund vehement für Ratenzahlungen ein. Durch das Ausbleiben der Touristen habe auch der Handel Einbußen von bis zu 90 Prozent gegenüber 2019 erleiden müssen, schildert Peter Seiwald. „Hier wird es wichtig sein, diesen Betrieben noch über diese Durststrecke zu helfen, damit spätestens ab Herbst die Geschäfte wieder wie gewohnt laufen.“

Klaus Schaller: „Pleiten gehören dazu.“
Der Neustart der Wirtschaft erfordert aus Sicht des KSV möglichst bald die Rückkehr zu einem nachhaltigen volkswirtschaftlichen Handeln samt korrekt funktionierendem Insolvenzwesen. Schaller: „Pleiten gehören zu einem funktionierenden Wirtschaftssystem dazu.“ Durch den Eingriff der öffentlichen Hand seien Unternehmen, die de facto nicht mehr lebensfähig sind oder schon vor Corona schlecht aufgestellt waren, am Markt geblieben. Diese Betriebe blieben passiv und würden häufig auf Zeit setzen, begründet Schaller. „Zusammen mit dem Zurückhalten der Insolvenzeröffnungsanträge durch öffentlich-rechtliche Gläubiger führt dieses Zuwarten zu einem gänzlichen Ausbleiben der Marktbereinigung“. Das aber habe eine langfristige Schwächung des gesamten Wirtschaftsstandortes zur Folge. Durch strauchelnde Betriebe und deren Rettungsversuche (z. Bsp.: Dumpingpreise) seien wirtschaftlich stabile Unternehmen in ihrer Existenz bedroht. Alexandra Fusser

Bild: Die Zahl der Firmenpleiten in Tirol ist im Jahr  2020 auf ein Rekordniveau gesunken. Grafik KSV 1870

 
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