Kitzbüheler Anzeiger
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13.08.2021
News  
 

Qualitätstourismus mit hoher Wertschöpfung

Der Tourismus wurde von der Pandemie besonders stark getroffen. Angesichts seiner großen Bedeutung für Kitzbühel sind Analysen zur zukünftigen Entwicklung sehr hilfreich. Im Gespräch zeigt der gebürtige Kitzbüheler und langjährige leitende Mitarbeiter der OECD (bekannt für Wirtschaftsprognosen und den PISA-Test), Dr. Andreas Wörgötter, Chancen und Risiken auf.

Sehr geehrter Herr Wörgötter, wie würden Sie die derzeitigen Rahmenbedingungen der Tourismuswirtschaft beschreiben?
Der technische Fortschritt hat Reisen enorm verbilligt. Für den Tourismus bedeutet das, dass Entfernungen für die Wahl des Reiseziels kaum mehr eine Rolle spielen. Massentourismus ist zum Geschäftsmodell geworden. Dass Gäste aus der ganzen Welt kommen, war schon selbstverständlich und wird auch nach der Pandemie wieder so werden.
Neben der Mobilität des einzelnen Touristen stieg aber auch die Mobilität der Beschäftigten im Tourismus. Skilehrer kommen aus Neuseeland und Kanada, Serviererinnen aus der Slowakei und Kroatien, Bau- und Hausarbeiter aus Serbien und der Türkei.

Die Tourismuswirtschaft hat in den letzten Jahren auch mit Image-Problemen zu kämpfen. Wie ist diese Entwicklung einzuordnen?
Der Tourismus schafft zunächst Wohlstand, wird aber mit der Zeit immer kritischer gesehen. Die regelrechte Überschwemmung von gewissen Orten führt zu Konflikten mit der lokalen Bevölkerung. Kreuzfahrtschiffe werden aus Venedig verbannt werden und Durchfahrtsverbote für Ausweichrouten müssen erlassen werden, um ein Leben neben dem Tourismus aufrecht zu erhalten. Diese Regulierungen gehen aber selten über kosmetische Maßnahmen hinaus.
Das Ungleichgewicht zwischen volkswirtschaftlichem Wohlstand und gefühlter Lebensqualität verstärkt sich, was sich zuletzt auch im wiederkehrenden Thema des Fachkräftemangels spiegelt. Immer weniger lokale Bürger wollen in der Gastwirtschaft arbeiten. Regelmäßig fordert die Wirtschaft daher mehr Saisonniers aus immer entfernteren Ländern. Das spart zwar kurzfristig Kosten, wird aber langfristig nicht zur gewünschten Qualitätssteigerung beitragen.

Gibt es Strategien, um konstruktiv mit diesen Herausforderungen umzugehen?
Der technische Fortschritt der letzten Jahrzehnte hat nicht nur die Informations- und Kommunikationstechnologie revolutioniert, sondern auch Verkehrsmittel und Verkehrswege verbessert. Der Lockdown hat einen Schnellkurs in Digitalisierung notwendig gemacht und mit Home-Office, Home-Schooling und Online-Shopping eine Fülle von praktischen Anwendungen regelrecht erzwungen. Wer online nicht vertreten ist, riskiert vom Publikum nicht wahrgenommen zu werden. Die digitale Vernetzung bietet hier Chancen, mehr Kunden zu gewinnen und macht einen gleichzeitig attraktiver für mögliche Arbeitnehmer.
Gerade in einem wirtschaftlichen Umfeld, das wie in Österreich durch ein hohes Maß an struktureller Stabilität gekennzeichnet ist, müssen neue Wege gefunden werden, um die notwendige unternehmerische Flexibilität unter Berücksichtigung der Mitarbeiter und Kunden zu ermöglichen.

Die Digitalisierung kann dabei helfen, den notwendigen Übergang vom Massentourismus zum Qualitätstourismus mit einer weit höheren Wertschöpfung zu schaffen. Dazu gehört auch die Abkehr vom witterungsabhängigen Saisonen-Betrieb und die Hinwendung zum Ganzjahresbetrieb. Der Tourismus in einem Land mit hohen sozialen Standards muss mit Beschäftigten arbeiten, die sich das Leben am Standort auch auf Dauer leisten können. Höhere Einkommen können nur durch höhere Produktivität erzielt werden. Dafür ist die Bereitschaft für Weiterbildung und lebenslanges Lernen notwendig.

Neben immer neuen betriebswirtschaftlichen Herausforderungen für Gastronomen und Hoteliers spielt das Thema Nachhaltigkeit eine immer wichtigere Rolle in der Gesellschaft. Wie kann der Tourismus seinen Teil dazu beitragen?
 Der Tourismus kann einen Beitrag zur Erreichung der Klimaneutralität leisten. Je schneller und deutlicher die dafür notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, desto geringer sind die damit verbundenen Kosten. Diese Herausforderung ist nicht auf den Tourismus und Österreich beschränkt, sondern global und ohne Alternativen.
Nicht zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte wird der Fortbestand eines hohen Lebensstandards durch einen fehlgeleiteten Raubbau an der Natur aufs Spiel gesetzt. Die Abholzung des Mittelmeerraumes für den Bau römischer Galeeren und die hinterlassenen Wüsten und Karstgebiete sollten ein warnendes Beispiel sein. Nachhaltigkeit muss auch für den Tourismus zu einem zentralen Thema werden. Wir müssen erkennen, dass unsere Natur keine unendliche Ressource ist, sondern gezielt und nachhaltig genutzt werden muss. Das kann zum Beispiel über das Einführen von Preisen für die Verwendung natürlicher Ressourcen (Stichwort CO2-Abgabe) versucht werden.

Wie können Gastronomen und Hoteliers mit diesen Problemen umgehen?
Ich kann leider keine konkreten Handlungsanweisungen geben. Auf den Tourismus kommen viele neue Herausforderungen zu, für die zu einem großen Teil noch Lösungen gefunden werden müssen. Dabei werden auch Fehler gemacht werden. Doch aus Fehlern wird man klug. Fehler liefern wichtige Informationen darüber, was nicht geht. Wichtig ist eine neue Kultur im Umgang mit Fehlern. Um die richtigen Schlüsse ziehen zu können müssen wir aber unbedingt mehr Transparenz und einen freien Informationszugang schaffen.
Der Tourismus lebt von der Dienstleistung, die direkt von Menschen in Anspruch genommen wird. Kundennähe wird daher umso wichtiger, je weiter weg die Herkunftsländer sind. Authentizität spielt eine zentrale Rolle im Umgang mit Kunden. Der Gast, das unbekannte Wesen, muss der Vergangenheit angehören. Sprachkenntnisse spielen in Zukunft eine noch wichtigere Rolle.

Gibt es sonst noch wichtige Erkenntnisse, die aus der Pandemie gezogen werden können?
COVID-19 hat Maßnahmen nach sich gezogen, die bisher undenkbar waren. Fast alle mit Reisen und Gastronomie befassten Wirtschaftsbereiche mussten schließen. Für den Tourismus bleibt der Umgang mit Reisebeschränkungen wichtig. Was passiert bei einem weiteren Lockdown, wer trägt die Kosten, wie ist für die Gesundheitsversorgung der Gäste gesorgt? Das Niveau der derzeitigen Hilfen durch den Staat wird nicht ewig so weitergehen.
Die Themen für die Zukunft nach der Pandemie sind Transformation also Nachhaltigkeit, Innovation also Digitalisierung und der Fokus auf zufriedene Gäste und zufriedene Beschäftigte. Dabei kann weniger oft mehr sein. Das Gespräch mit Andreas Wörgötter führte Christoph Planer.

Bild: Andreas Wörgötter machte sich Gedanken über den Tourismus. Foto: privat

 
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