So viele freie Stellen, wie noch nie
Die Situation am österreichischen Arbeitsmarkt bleibt angespannt. Aber nicht, weil die Arbeitslosenzahlen nach oben schnellen, sondern weil die Wirtschaft verzweifelt und zum Teil auch vergeblich nach Arbeitskräften sucht.
Kitzbühel | Auf die jeweiligen Lockdowns folgte ein kurzer Aufschwung und auf die vielversprechende Konjunkturprognose für das heurige Jahr der Ukraine-Krieg. So die Kurzzusammenfassung über die wirtschaftliche Achterbahnfahrt Österreichs in den vergangenen zwei Pandemie-Jahren. Für Arbeitsminister Martin Kocher, der den Vortrag „Arbeitsmarkt der Zukunft“ vor dem Rotary Club Kitzbühel hielt, hat die österreichische Volkswirtschaft, geprägt durch einen hohen Anteil an Tourismus- und Freizeitwirtschaft, in der Krise noch mehr unter den Ups und Downs gelitten als andere Staaten in Europa.
Niedrigster Wert seit 2008
Dennoch sind die aktuellen Arbeitslosenzahlen in Österreich so gut wie seit 14 Jahren nicht mehr. Kocher: „Im März des heurigen Jahres ist die Quote auf 6,3 Prozent gesunken, das ist der niedrigste Wert seit 2008.“ Aktuell sind rund 322.000 Personen beim AMS arbeitslos gemeldet, davon nehmen etwa 70.000 Personen an Schulungen teil. Es sei damit zu rechnen, dass die Zahlen noch weiter nach unten gehen werden, erklärt der Arbeitsminister. „Wir haben schon jetzt im April das Niveau vom Sommer des Vorjahres erreicht.“ Unsicherheitsfaktor sei allerdings der Ukraine-Krieg und dem damit verbundenen Energiepreisanstieg sowie den Lieferschwierigkeiten am Markt.
Kocher: „In Tirol herrscht Vollbeschäftigung“
Während in Wien aktuell die höchste Anzahl an Menschen ohne Job verzeichnet wird, ergibt sich in Tirol ein ganz anderes Bild: Hier wurde Ende März eine Arbeitslosenquote von nur 3,8 Prozent erreicht. „Wir Ökonomen sprechen angesichts dieser Zahlen von Vollbeschäftigung“, sagt Martin Kocher, „das bedeutet aber im Gegenzug, dass in Tirol keine frei verfügbaren Arbeitskräfte mehr vorhanden sind.“
Bei den Personen, die aktuell ohne Job seien, handle es sich größtenteils um kurzfristig Arbeitssuchende und um Menschen mit Wiedereinstiegszusagen, weiters um Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen oder um Ältere, die kurz vor Pensionsantritt aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden.
Dem gegenüber stehen österreichweit 124.000 offene Stellen - dies ist der höchste bisher aufgezeichnete Wert. Die Bereiche Handel, Warenherstellung und Tourismus weisen aktuell einen deutlichen Fachkräftemangel auf. Dringend gesucht werden außerdem qualifizierte Mitarbeiter in der Baubranche, im Gesundheits- und Sozialwesen sowie in anderen zukunftsweisenden Berufsfeldern. Die Corona-Kurzarbeit - während der Lockdowns ein wichtiges Instrument, um die Menschen in Beschäftigung zu halten - ist Ende März ausgelaufen. „Sie wurde heruntergefahren, um Menschen vermehrt in die Vollzeitarbeit zu bringen“, wie Kocher berichtet. Derzeit sind 47.000 Beschäftige für Kurzarbeit angemeldet
„Europameister“ bei den Teilzeitjobs
Laut demografischer Berechnungen, die bis 2050 einen starken Rückgang der Erwerbsbevölkerung prognostizieren, ist mit einer deutlichen Verschärfung am Arbeitsmarkt zu rechnen, berichtet Kocher. „Wir müssen es schaffen, mehr Menschen in Vollzeit zu bringen.“ Erreicht werden soll dieses Ziel durch die vermehrte Nutzung des bestehenden Potenzials. „Österreich hat die zweithöchste Teilzeitarbeitsquote in Europa und bei den Frauen in Teilzeit sind wir sogar Spitzenreiter. Hier geht es um die Ermöglichung von Vereinbarkeit von Beruf und Familie.“
Unabdingbar sei es auch, die älteren Arbeitnehmer bis ins Regelpensionsalter in Arbeit zu halten. Doch auch hier sei Österreich speziell. Kocher: „Mit durchschnittlich 57 Jahren fühlen sich Arbeitnehmer nicht mehr gesund. Demgegenüber stehen die Schweden, die gesundheitliche Beeinträchtigungen erst im Alter von 73 Jahren verspüren.“
In der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, die Ende März mit 100.000 Betroffenen wieder Vorkrisenniveau erreicht hat, sieht der Minister einen klaren Auftrag für die Zukunft.
Die wenigsten Arbeitslosen gibt es übrigens im Bereich der Hochschul- und BHS-Absolventen.
Bildung und Qualifikation zahlen sich jedenfalls aus, sagt Martin Kocher, der sich selbst als „Fan von der Lehre nach der Matura“ bezeichnet. Alexandra Fusser
Bild: Minister Martin Kocher hielt ein aufschlussreiches Referat über den Arbeitsmarkt der Zukunft, Rotary-Präsident Uli Dorner (l.) bedankte sich dafür. Foto: Fusser