Tourismus: Bald zurück zu früher?
Die steile Aufwärtsbewegung des Tiroler Tourismus wurde durch die Pandemie jäh gestoppt. Eine hochkarätige Expertenrunde des „Club Tirol“ erörterte Anfang der Woche, was dieser Einschnitt für die Branche bedeutet, und ob ein Wandel stattfinden wird bzw. muss.
Bezirk, Tirol | Der Präsident des „Club Tirol“, Julian Hadschieff, brachte es auf den Punkt: „50 Millionen Nächtigungen machen Tirol zu einer der erfolgreichsten Destinationen. Ein großer Teil der Wertschöpfung geht auf den Tourismus zurück. Umso mehr hat uns die Pandemie getroffen. Die Frage lautet: Wie sieht die neue Realität aus?“
Renate Danler, die ehemalige Geschäftsführerin von Kitzbühel Tourismus und nunmehr u.a. Vize-Präsidentin des Club Tirol skizzierte die Einsatzfelder, mit der sich die Branche künftig auseinandersetzen muss. Zunächst muss hierbei natürlich von der Nachhaltigkeit gesprochen werden. „Leben wir diese auch?“, stellte Danler in den Raum. Diskutiert wird immer auch ein „gesundschrumpfen“ des heimischen Tourismus bzw. gar ein Bettenstopp. Großes Thema ist und bleibt der Fachkräftemangel. Sehr viele Beschäftigte in Hotellerie und Gastronomie stammen aus dem Ausland. „Ist das eine Perspektive für die Zukunft?“, ergänzt Danler die Fragestellungen. Hubert Siller vom MCI geht in seiner Analyse sogar soweit, dass er gegenwärtig nicht nur von einer Krise, sondern „möglicherweise einem Strukturbruch“ spricht.
Und das auf dem Höhepunkt, sozusagen, denn das Jahr 2019 war ein herausragendes, und: „Tirol war vor Corona auf dem besten Weg, eine Wintersaison zu haben, wie es sie noch nie gesehen hat.“ Das Loch, das diese Krise nun gerissen hat, zeigt Siller deutlich auf: „ Der touristische Konsum in Tirol lag bei rund 10 Milliarden Euro. Das ist das, was uns jetzt in Tirol fehlt. Nahezu jeder vierte Arbeitsplatz wurde von der Tourismus- und Freizeitwirtschaft geschaffen.“ Mit Blick auf die Fachkräftefrage unterstreicht Siller, dass gerade Qualitätstourismus sehr personalintensiv ist. Wenn immer weniger Menschen in der Branche arbeiten – wie sollen dann die Qualitätsstandards der Dienstleistung aufrecht erhalten werden? Für Siller steht außer Frage, dass der Tourismus selbstbewusster mit der Nachhaltigkeit umgehen lernen muss: „Wir tun wahrscheinlich mehr dafür, als wir kommunizieren.“ Trotzdem genügt es überspitzt gesagt nicht, sich auf der Almwiesen-Postkartenidylle auszuruhen, sondern es müssen auch aktive Schritte gesetzt werden – Stichwort Ressourcenverbrauch.
Fehlende Wintersaison reißt Loch ins Budget
Thomas Reisenzahn (Tourismusberatung Prodinger) blickt auch auf die finanzielle Seite, die Corona für die Betriebe mit sich bringt. Zwar investierte Österreich relativ viel in den Erhalt der Branche, jedoch gab es so manche Hürde für die Unternehmer. „Der ganze Winter fehlt, das wirkt sich massiv auf das Eigenkapital aus.“ Für die Ferienhotellerie geht man erst 2022 von einer Erholung der Lage aus, die Stadthotellerie wird vermutlich gar bis 2025 an der Situation zu knabbern haben. Daher zieht Thomas Reisenzahn für sich auch den Schluss, dass dem Konzept der sicheren Gastfreundschaft folgend „ein kontrolliertes Öffnen vorteilhaft gewesen wäre.“ Stichwort Schweiz.
Elisabeth Hauser-Benz vom Stanglwirt in Going weist darauf hin, dass man auch während der Pandemie als Betrieb nicht stehenbleiben darf. Beim Traditionshaus bereite man sich dementsprechend auf die Zukunft vor: sei es, mit Projekten für eine fortschreitende Digitalisierung, oder vor allem auch zur Mitarbeiterfrage. „Wir beschäftigen uns stark mit ‚Employer Branding‘ (also der Arbeitgeber als Marke, Anm. d. Red.)“
Josef Schirgi, der Geschäftsführer der Tourismusregion Serfaus-Fiss-Ladis sowie Tirol- Obmann des BÖTM (Bundesverbandes Österr. Tourismusmanager), fasste kurz zusammen, welche enormen Leistungen die 34 Tourismusverbände Tirols für das Bundesland bieten. Diese sind durch verminderte Finanzressourcen nun unter Bedrängnis. „2019 verfügten die Tiroler TVBs über ein Budget von insgesamt 230 Millionen Euro. Aufgrund der Krise ist es 2020 auf 150 Millionen eingebrochen.“ Tendenz weiter fallend. Die TVBs zahlen nicht nur bei Mobilitäts- und Infrastrukturprojekten mit, sie engagieren sich auch für Vereine, indem sie z.B. Feste unterstützen. Schirgi verfolgt hinsichtlich eines „Neustarts“ des Tiroler Tourismus übrigens einen sehr pragmatischen Ansatz: „Aus meiner Sicht so schnell als möglich zurück zur Ausgangslage. Danach können wir uns über Innovationen unterhalten – nämlich erst, wenn die finanziellen Ressourcen vorhanden sind. Aber dann sollten wir raus aus unserer Komfortzone.“
Elisabeth Galehr
Bild: „Zurück zu den Wurzeln“ oder doch eher „Auf zu neuen Ufern“: Wohin entwickelt sich der Tourismus nach Covid-19? Foto: Kitzbüheler Alpen Pillerseetal