Über den verpassten Einstieg
Viele Tourismusschüler gehen der Branche nach dem Abschluss verloren. In Zeiten des andauernden Fachkräftemangels lohnt es sich, einen Blick darauf zu werfen, wieso das so ist.
Bezirk | Tanja Petry ergänzt mit ihren Studienerkenntnissen die Arbeit des Tourismusverbandes Wilder Kaiser speziell zum Thema Arbeitskräftebindung. Sie forscht an der Uni Innsbruck und untersuchte unter anderem die Motive, die zum „Ausstieg aus der Tourismusbranche“ führen.
„Es ist eine Geschichte des verpassten Einstiegs“, präzisiert Petry gegenüber dem Kitzbüheler Anzeiger. Junge Menschen entscheiden sich ganz bewusst für die hervorragende Ausbildung in den heimischen Tourismusschulen: „Sie schätzen die Vorzüge, die vielen Sprachen, die guten Lehrkräfte, dass man viel herum kommt ... Und dann kommt der Praxisschock in dieser perfekten Welt.“ Viele wagen danach den Sprung nicht und entscheiden sich stattdessen für ein Studium.
Praxis ist „Werbefläche für die Branche“
Aber gerade die Praxiseinsätze für die jungen Menschen seien „eine gute Werbefläche für die Branche“, unterstreicht Petry. Wer die Chance geschickt nützt, kann sich als interessanter Arbeitgeber ins Spiel bringen. Allerdings sieht sie Handlungsbedarf: „Der Übergang ist oft nicht gut gemanagt.“ Zum Teil weiß niemand im Hotel, dass ein neuer Praktikant anfängt, der Alltagsstress verhindert einen geordneten und klaren Einstieg des Praktikanten in den Betrieb. „Der Betrieb ist oft nicht vorbereitet, das Bewusstsein für die Nachwuchskräfte ist nicht so stark vorhanden, es muss erst hergestellt werden.“ Dabei gehe es den jungen Menschen gar nicht so sehr um ein hohes Gehalt oder viele zusätzliche Benefits. „Sie wollen nicht das Rundum-Wohlfühl-Paket, sondern einen Platz haben, wollen lernen und besser aus dem Betrieb heraus gehen, als sie hinein gegangen sind.“
Das Praktikum sei „der prägende Moment – wie ist die Branche wirklich?“ Gerade zu diesem Zeitpunkt könne man die jungen Menschen perfekt abholen. Wer negative Erfahrungen macht, kehrt der Gastronomie sonst eher den Rücken.
Als positives Beispiel nennt Petry die Ausbildung in Südtirol, wo in der Praxisphase auch Lehrinhalte integriert sind. „Sie haben eine Lehrvereinbarung mit dem Praktikanten – das gibt positiven Widerhall. “
In den Interviews, die sie für ihre Studie mit vielen jungen Leuten führte, ging es immer wieder um positive Schlüsselerlebnisse. Die Nachwuchskräfte schätzen demnach die Momente, in denen vom Chef eine gewisse Wertschätzung und Anerkennung ihrer Ideen spürbar wurde. Das bedeutet für den einzelnen Betrieb natürlich doch einen gewissen Aufwand, aber: „Man muss ihnen die Angst nehmen, dass das Ganze in eine Lehrveranstaltung ausartet.“ Vielmehr geht es um das persönliche Wort, die wertschätzende Anleitung, das respektvolle Miteinander. Größere Betriebe hätten das zum Teil schon verstanden, wie Tanja Petry erläutert. „Dort gibt es oft einen strukturierten Prozess, wie man mit den jungen Mitarbeitern umgeht.“ In kleineren Häusern wird den Praktikanten aber oft „einfach nur die Schürze in die Hand gedrückt.“
Übrigens ist erfolgreiche Mitarbeiterbindung durchaus auch ein Faktor, der den Gast interessiert. Derzeit ist es im Tourismus Trend, nachhaltige Lebensmittel und „Bio“ in den Vordergrund zu stellen. Nachhaltigkeit geht aber auch noch weiter – nämlich in der Mitarbeiterzufriedenheit. „Das ist kein Hexenwerk – der erste Eindruck ist wesentlich.“
Elisabeth Galehr
Bild: Junge Menschen wollen Teil des Teams sein. Ihr Praxiseinsatz ist der erste Eindruck, den sie von der Tourismusbranche haben. Foto: pexels.com