Viel Kritik an wenig Wohnraum
Eine erste Bilanz zur Freizeitwohnsitzabgabe zog die Liste Fritz nach zwei Jahren. Kritik gibt es an der geringen Abgabe, dringenden Handlungsbedarf sieht man bei den Zweitwohnsitzen.
Kitzbühel, Going | Für LA Markus Sint und Bezirkssprecher Sepp Niedermoser ist die Situation nach einem Lokalaugenschein in Going und Jochberg klar: „Es wird auf Teufel komm raus gebaut.“ Und das nicht nur für die Einheimischen.
Abgabe von Freizeitwohnsitzen
Insgesamt gibt es tirolweit 16.329 genehmigte Freizeitwohnsitze. Davon entfällt der Löwenanteil mit 5.703 auf den Bezirk. Seit zwei Jahren müssen die Bewohner dafür eine Abgabe leisten (siehe Tabelle rechts). Von einem „Körberlgeld“ spricht dabei Markus Sint: „Es tut niemandem weh, es gibt auch keinen Lenkungs- und Steuerungseffekt. Der Ausverkauf wird so nicht gestoppt.“
Tirolweit haben die Mehreinnahmen für die Gemeinden im Jahr 2020 6,4 Mio. Euro gebracht und im Jahr 2021 7,9 Mio. Euro. Auf die gewidmeten Freizeitwohnsitze bedeutet dies eine Abgabe von rund 484 Euro pro Jahr. Der Höchstbetrag liegt derzeit bei 2.200 Euro für 250m2 Wohnfläche. Für die Liste Fritz viel zu wenig. Sie setzt sich für eine Erhöhung ein. „Der Satz muss bei 300 m2 Wohnfläche massiv hoch sein. Zwischen 10.000 und 15.000 Euro soll man jährlich zahlen.“ Das Geld soll weiter in die Gemeindekassen fließen, um damit die Infrastrukturausgaben wie Straße und Kanal zu decken.
Kontrolle der Gesetze
Die Gesetze sind seit 2019 da, seitdem geht es ums kontrollieren. „Es soll hart, ehrlich und konsequent überprüft werden“, sagt Sint und sieht die Gemeinden gefordert.
Eine Ausweitung fordert die Liste Fritz von den bisherigen Freizeitwohnsitzen auf die Zweitwohnsitze, denn tirolweit gibt es davon 120.000. „Als Beispiel nehmen wir uns Kärnten zum Vorbild, wo ein Modell mit großzügigen Ausnahmen für Pendler und Arbeitskräfte praktiziert wird.
Kritik an offiziellen Zahlen
Im Bezirk Kitzbühel haben 16 der 20 Gemeinden das Kontingent von maximal acht Prozent genehmigten Freizeitwohnsitzen ausgeschöpft. Die Dunkelziffer liegt weit höher. „Wenn ich in den Osterferien einen Spaziergang durch den Goinger Ortsteil Prama mache und nur zwei Personen treffe, dann stimmt für mich etwas nicht,“ erklärt Sint und bezweifelt die offizielle Zahl in Going von 7,6% Freizeitwohnsitzen. „Es sind seelenlose Dörfer, sagt Niedermoser und fühlt sich von einem Bewohner bestätigt: „Ich habe das Gefühl, nicht mehr daheim zu sein.“
Vorwürfe zurückgewiesen
In Going setzt man sich mit dem Thema seit 1,5 Jahren intensiv auseinander. „Es ist falsch, dass die Gemeinde nichts tut“, erklärt Bürgermeister Alexander Hochfilzer und fordert, dass nicht alle Themen vermischt werden dürfen. In der Gemeinde sammeln sich bereits Aktenberge der Dokumentation an, in Kürze sollen erste Verfahren eingeleitet werden. Eine externe Firma wird erneut mit der Kontrolle beauftragt, die Mitarbeiter befinden sich in Ausbildung.
Die Abgabe sieht Hochfilzer positiv. „Überlebenswichtig ist sie für uns nicht, da die Einnahmen überschaubar sind,“ lautet sein Fazit. Verena Mühlbacher
Bild: LA Markus Sint und Bezirkssprecher Sepp Niedermoser (v.l.) sparten beim Bezirkstag nicht mit Kritik. Foto: Mühlbacher
Kurz notiert - Preisgestaltung der Einnahmen
Bezirk | Die Freizeitwohnsitzabgabe ist eine Selbstbemessungsabgabe. Das heißt, dass nicht die Gemeinde sondern der Abgabenschuldner selbst, meistens der Mieter, die Abgabe bis 30. April eines jeden Jahres an die Gemeinde zu entrichten hat.
Gemeinden entscheiden selbst über die Höhe
Das Land Tirol hat im Gesetzestext von 2019 vorgesehen, dass die Bemessungsgrundlage von dem jeweiligen Gemeinderat festgelegt wird. Einige Gemeinden im Bezirk verlangen die höchstmöglichen Abgaben wie beispielsweise Reith, Kitzbühel, Aurach, Jochberg und Going, andere liegen noch ein wenig darunter.
➤ bis 30 m2: 100- 240 Euro
➤ 30- 60 m2: 200-480 Euro
➤ 60- 90 m2: 290- 700 Euro
➤ 90- 150 m2: 420 - 1.000 Euro
➤ 150-250 m2: 760 - 1.800 Euro
➤ ab 250 m2: 920 -2.200 Euro
Bei der Berechnung der Nutzfläche werden Treppen, Balkone, Terrassen sowie landwirtschaftliche und gewerbliche Flächen abgezogen.
Kontrollen gestartet
St. Johann | Die Gemeinden St. Johann-Kirchdorf und Oberndorf haben vergangenes Jahr eine Verwaltungsgemeinschaft gebildet, um die rechtmäßige Nutzung von Wohnsitzen sicherzustellen. Ein Team von vier Mitarbeitern ist seit den Wintermonaten in den drei Orten unterwegs und dokumentiert mögliche illegale Freizeitwohnsitze.
Eine Stellungnahme über den derzeitigen Stand und ob bereits Verfahren eingeleitet worden sind, gab es bis Redaktionsschluss nicht. veh