Kitzbüheler Anzeiger
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11.09.2021
News  
 

Visitenkarte für ganz Österreich

Über drei Tage hinweg überzeugten 42 Musiker aus zehn Ländern in 12 Konzerten ein begeistertes und dankbares Publikum bei artacts 21. Kaum machbar auf jeden Höhepunkt und Hintergrund der Großveranstaltung näher einzugehen – aber ein Versuch.
 
St. Johann | Wie immer versuchen wir im Kitzbüheler Anzeiger unseren Lesern Informationen von den verschiedenen Veranstaltungen zu vermitteln. Auch um das „Drum-herum“ berichten wir gerne mit dem Ziel, die Aktivitäten der Region vielleicht auch für ein neues Publikum zu erschließen. Da unterscheiden sich die Sommer- oder Kammerkonzerte nicht von einer Veranstaltung für Jazz und improvisierte Musik. „Auf Musik muss man sich einlassen – diese zulassen und versuchen, seinen persönlichen Zugang zu jeder Art von Musik zu finden“ erklärt Hans Oberlechner, der musikalische Leiter des Festivals. Womit wir bei der Organisation wären.      

Die Deutsche Bahn schwieriger als Corona
Was die Deutsche Bahn mit artacts21 zu tun hat, erklärt mir Obfrau Karin Girkinger direkt zu Beginn des Besuches in der Alten Gerberei in St. Johann. „Auf Corona kann ich mich einigermaßen gut einstellen - ein Bahnstreik der deutschen Lokführer kurz vor Beginn der Konzertreihe ist aber so gar nicht zweckführend. Viele unserer Künstler reisen über Deutschland an. Viele Reiserouten ändern sich, Zeiten, Hotelbuchungen und Reservierungen ändern sich“. Diesen großen Mehraufwand kann ich gut verstehen, obwohl mir als Deutscher fast der Satz - aber die streiken doch eigentlich immer - herausgerutscht wäre. Um allen Zweifeln vorzubeugen: Am Ende waren alle Musiker da, abgesehen von zwei gesundheitlich noch nicht ganz genesenen Musikern aus den USA - voll motiviert und bereit, in den Dialog mit dem aufnahmefähigen und fachkundigen Publikum einzutreten.

„Wir haben ein Budget von 80.000 Euro für das Festival, das wir zu Teilen aus den Eintrittspreisen der Besucher, die auch in diesem Jahr wieder corona-reduziert sind, abdecken können“, so der Veranstalter,  „darüber hinaus haben wir Einnahmen aus dem Getränke- und Speisenverkauf an den Abenden. Es bleiben zum Großteil unsere treuen Sponsoren und natürlich die Beteiligung des Landes Tirol“. Ohne diese Unterstützung wäre ein solches Festival, das sich weit über die regionalen Grenzen hinaus einen ausgezeichneten Ruf erworben hat, nicht denkbar. Und diesen Ruf verteidigen die artacts-Macher Jahr für Jahr aufs Neue.

Ein Festival voller Spannungen
Hans Oberlechner hat sich bei den Planungen schon lange vorher Gedanken gemacht, wie er es schafft, die verschiedenen Stilrichtungen, aber auch das Publikum, „unter einen Hut“ zu bringen. Es soll halt für jeden etwas dabei sein. Als Schwerpunkt bei den Instrumenten war heuer das Klavier vertreten. Vier weibliche Pianisten und ein männliches Pendant waren zu hören. Alle mit völlig unterschiedlichen Interpretationen und auch in einem großen Spektrum der Nutzung des Instruments. Von Techno-loops bis zur reinen Frequentierung des Klavierinnenraums ohne wirklichen Tasteneinsatz war alles dabei - außer vielleicht der klassischen Jazzvariante des Klavierspiels. Deshalb hat Oberlechner auch die Tage thematisch schon strukturiert.

Auseinandersetzung mit der Musik
Dabei fällt es mir als Reporter (und Jazzfan) schon recht schwer, mich im gesamten Spektrum der Teilkonzerte zurecht zu finden oder gar alles vergleichend bewerten zu können. Unmöglich bei der Fülle der Eindrücke gar in Einzelkritiken oder Einzelberichte einzusteigen, unmöglich hier den persönlichen Geschmack als Maßstab zu setzen. Alle Konzerte fanden ihre Anhänger und auch der Applaus war für die Vorträge immer gewährt. Bei manchen Konzerten war die Zustimmung gleichmäßig, bei manchen geteilt. „Wir wollen ja gerade diese Art der Auseinandersetzung mit der improvisierten Musik, mit der Echtzeitmusik – egal ob dies nun streng unter Jazz fällt oder nicht. Musik soll und muss polarisieren“ sagt Hans Oberlechner.  

Vorspeise „gut bürgerlich“
Der erste Themenabend war daher eher dem gewohnten Freejazz gewidmet. Ganz ohne experimentelle Klänge ging es selbstverständlich nicht, aber die Linie war erkennbar. Und man möge mir hier die Verletzung meines Neutralitätsvorsatzes nachsehen: Der fast rockige Auftritt des Hermia/Ceccaldi/Darrifourcq-Trios war eines der spannendsten Konzerte, das ich persönlich in der letzten Zeit gehört habe und erleben durfte. Auch die anderen Konzerte fanden großen Zuspruch. Im Übrigen der Hinweis für Diejenigen, die sich nachträglich noch Eindrücke vom Festival verschaffen wollen: Die Konzerte wurden vom Team in der Alten Gerberei aufgezeichnet und sind in Kürze - wie schon in den Vorjahren - auf Tonträger erhältlich. Als Besonderheit folgt der Veranstalter dem schon seit geraumer Zeit anhaltenden Trend zu den analogen Klangübermittlern und lässt die Auflage in Vinyl pressen. Sehr zum Wohl der (wieder) immer größer werdenden Anzahl der Fans und Besitzern von Schallplattenspielern.

Molekularküche aus Klängen
Der Samstag polarisierte gewaltig – ganz im Interesse des Veranstalters und aus dessen Anspruch definiert. Und diese Polarisierung war besonders in den Pausendiskussionen des Publikums zu hören. Da gab es z.B. die totale Begeisterung für die Saxophonhandhabung des Michael Fischer bis zu Kommentaren wie: „Wenn er wie eine Gitarre klingen will, warum kauft er sich nicht eine“. Auch das Konzert von Elektro Guzzi kam natürlich nicht durchgängig gleich an. Die Diskussion, ob eine Technoband zum Begriff Jazz passt, war sowieso vorprogrammiert. Trotzdem wurde gerade dieses Konzert mit sehr viel Applaus bedacht. Wie gesagt, der Anspruch vom „Team-artacts“ ist die Diversifizierung, der Dialog und die Auseinandersetzung mit Musik und Tontexturen. Dieser Vorsatz wurde auf jeden Fall auch an diesem Abend voll umgesetzt.

Dessert-Teller-Variation St. Johann
Am letzten Konzerttag wurde dann eher eine bunte Mischung kredenzt. Bunt wie die Kleidung der amerikanischen Trompeterin Jaime Branch bei ihrem fulminanten Auftritt, oder die Kombinationen aus bekannten Instrumentenklängen und Tönen und Worten „aus dem Jenseits“. Zu einem guten 3-Gänge-Menü gehört eben auch ein gutes Dessert zum Abschluss, damit man sich an das gesamte Dinner noch eine Zeit lang erinnert.  

Gutes Menü und nicht übersättigend
Nach drei Tagen brauche ich jetzt etwas Ruhe. Schon um die extrem vielen Eindrücke aus den Konzerten unterschiedlichster Genres überhaupt verarbeiten zu können. Es tut gut, jetzt alleine am Computer zu sitzen und für unsere Leser berichten zu dürfen. Das waren viele Erlebnisse, ja fast Abenteuer.
Was bleibt festzuhalten? St. Johann hat ohne wenn und aber einen festen Platz in der Jazz-Szene, mit allem, was dazu gehört: Motivierte Veranstalter, treue Fans und natürlich Musiker, für die es ein besonderer Anreiz geworden ist, hier auftreten zu können. Corona hat alles etwas verschoben, die Deutsche Bahn alles etwas erschwert, aber am Ende war es für jeden ein Erlebnis, auf dessen Erneuerung man sich schon auf nächstes Jahr freuen darf. Und da Hans Oberlechner am letzten Abend die vermutliche Rückkehr zu den Märzterminen (so Corona will) ankündigte, werden wir uns auch nur ein halbes Jahr in Geduld üben müssen. Dieter König

Bilder: Guter Start ins Jazz-Wochenende mit Aljamosuthovi aus Österreich. 
Die fast rockige Variante Hermia/Ceccaldi/Darrifourq aus Belgien und Frankreich. 
„BAGG*FISH“ mit Michael Fischer an der Saxophon -Gitarre.
Jordina Millà am Piano. Fotos: König, Cvelbar

 
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