Kitzbüheler Anzeiger
30.10.2024
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„Wir glauben an den Standort und haben gute Mitarbeiter"

Roland Hebbel, Geschäftsführer bei Steinbacher Dämmstoffe, spricht im Interview über die aktuelle Konjunktur und den Industriestandort sowie die Chancen, die Kreislaufwirtschaft mit sich bringt.

Erpfendorf | Wie wirkt sich die aktuelle Talsohle bei Bau und Industrie auf Steinbacher Dämmstoffe aus?
In der Gruppe sind wir im abgeschlossenen Geschäftsjahr vom Umsatz her von 128 Millionen auf 97 Millionen Euro zurückgegangen. Das ist in dieser Dimension nichts, was man einfach so akzeptieren kann. Da muss man schon sehr schnell reagieren. Ich glaube, wir haben das relativ gut getan, weil wir vorausschauend agieren und schon letzten Winter das umgesetzt haben, was jetzt viele tun.  Wir haben keine Mitarbeiter abgebaut, aber die Stundenzahl reduziert.  Das war für die Mitarbeiter sicher eine Veränderung, es haben aber alle an einem Strang gezogen.

Wie sieht es in diesem Winter aus?
Da arbeiten wir gerade eine andere Variante aus: Wir sind ein Saisonbetrieb, viele unserer Mitarbeiter sind im Winter als Skilehrer oder auf der Hütte tätig. Insgesamt versuchen wir, uns flexibel an die Rahmenbedingungen anzupassen. Ich sehe das so: Wir stehen auf einer Startlinie. Ich erwarte mir von diesem Unternehmen, dass es aufgewärmt ist, und wenn es losgeht, dann heißt es startklar sein.

Generell ist die Stimmung in der Tiroler Industrie aktuell schlecht, es ist gar die Rede von einer drohenden De-Industrialisierung. Wie beurteilen Sie den Standort Tirol bzw. Österreich?
Unser Land hat sich in den letzten Jahren selbst in eine schlechte Marktposition gebracht. Selbst bei uns im Unternehmen ist es jetzt so: Wettbewerbsmäßig waren wir von den Lohnstückkosten immer niedriger als Deutschland. Jetzt sind wir aber weit über 20 Prozent drüber.
Wir verfallen jetzt nicht in eine Depression. Allerdings müssen wir die Flughöhe wieder steigern, weil wir schon kurz über der Grasnarbe sind. Was man schon sagen muss: Es ist nicht einfach, Unternehmer zu sein und Verantwortung zu übernehmen. Wir müssen hier wieder eine Wertschätzung hineinbringen. Es geht nur miteinander. Und: Leistung muss sich wieder lohnen. 

Wann wird die Talsohle Ihrer Meinung nach durchschritten sein?
Derzeit ist in der gesamten Bauindustrie die Verunsicherung da – momentan gehen die Bauvolumen definitiv nach unten. Hinzu kommt: Normalerweise beträgt das Verhältnis von Neubau zu Sanierung 50:50. In den vergangenen Jahren, als Geld nichts gekostet hat, ging der Neubau-Anteil auf zwei Drittel hinauf. Damit ist der Sanierungsmarkt nach unten gegangen. Nun ging der Neubau zurück, somit müsste die Sanierung wieder aufholen. Das ist allerdings nicht passiert.
Wir müssen das Vertrauen wieder herstellen, damit sich dieser Markt wieder erholt. Ich glaube, dass mit Mitte nächsten Jahres die Sanierungsthematik von niedrigem Niveau leicht steigen wird, der Neubau erst 2026. Natürlich hängt sehr viel davon ab, was in Deutschland passiert.

Welche Marktchancen ergeben sich für Steinbacher durch das Thema Nachhaltigkeit?
Energie-Effizienz und Klimaschutz sind das Gebot der Stunde. Das Ziel der Europäischen Union ist es, klimaneutral zu sein. Ohne unsere Produkte geht es nicht. Da ist es egal, ob es um Neubau oder Sanierung geht. Da haben wir jetzt eine Riesenchance.

Da die Durschnittstemperaturen ansteigen – wie bewusst ist es den Kunden am Markt, dass Dämmung nicht nur Wärme, sondern auch Kühle im Raum halten kann?
In den alpinen Ländern wurde durch den Winter früh erkannt, was Dämmung für Vorteile bringt. Der Sommer ist noch nicht so in den Köpfen drinnen.  
Dazu muss man sagen: Ein Grad Temperaturreduktion kostet dreimal so viel Energie wie ein Grad mehr Wärme. In einer Phase, wo Energie fast nichts gekostet hat, war das sekundär. Das Bewusstsein bzw. der Lerneffekt kommt jetzt vor allem durch die höheren Energiekosten.

Steinbacher ist federführender Partner beim Kreislaufwirtschaftsprojekt EPSolutely. Ein Modell für die Zukunft?
Der Pilotversuch (Infos s.u.) ist eine gelebte Philosophie.  Das ist ein Leuchtturmprojekt, das wir in Österreich angestoßen haben, das auch in den angrenzenden Ländern vorgestellt werden wird.

Wie sieht es im Unternehmen selbst aus?
Wir sind jetzt bei uns im Haus bei rund 25 Prozent Recyclingquote und unser Ziel ist bis zum Jahr 2028 über 50 Prozent. Das heißt: Wir setzen dann 2028 zu über 50 Prozent Recyclingmaterial bei unseren Produkten ein. Das ist für mich eines der wirklichen Highlights. Fossile Rohstoffe können immer wieder in den Kreislauf zurückgebracht werden. Außerdem produziert unsere PV-Anlage jährlich 3,2 Mio. kWh sauberen Solarstrom und ist damit eine der größten Anlagen in Österreich.

Welche Investitionen sind im Stammwerk in Planung?
In den letzten fünf Jahren haben wir 30 Millionen Euro ins Stammwerk investiert und haben für 2025 weitere drei Millionen Euro für eine komplette Produktionsstraße freigegeben. Wir glauben an den Standort, wir haben hier sehr gute Mitarbeiter.
Interview: Elisabeth Galehr

Bild: Rund 260 Mitarbeiter sind im Stammwerk in Erpfendorf für Steinbacher tätig. Gruppenweit – mit den weiteren Standorten in Deutschland und Polen – sind es 420. Foto: Bildmaterial

Daten&Fakten - Über Steinbacher
Erpfendorf | ➤ Gruppenumsatz 2023/24: 97 Mio. Euro.   
➤ Drei  Standorte: Erpfendorf, Österreich; Gefinex in Pritzwalk, Deutschland; Steinbacher Polen in Czosnow, Polen;
➤ Mitarbeiter: 420, davon in Erpfendorf: 260
➤ Nachhaltigkeitsziel: Recyclinganteil an den Rohstoffen von 50 Prozent
➤ umgesetztes Kreislaufwirtschaftsprojekt: EPSolutely: Vorreiterprojekt mit dem Ziel einer Kreislaufwirtschaft im Bereich EPS (~ Styropor). Bei EPSolutely erfolgt eine Sammlung, Rückholung und ein Recycling von Baustellen-Verschnitten. Vorteile: Müllreduktion für Verarbeiter, Kreislaufwirtschaft und Umweltschonung, Kosteneinsparung, partnerschaftliches Zukunftsprojekt.
Das Besondere: Projektpartner entlang der gesamten Wertschöpfungskette waren bei dem von der FFG (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft) geförderten Konsortium mit an Bord und arbeiteten drei Jahre lang gemeinsam an zukunftsfähigen Lösungen für die Branche.

Mittels eigens entwickelter Big-Bag-Sammelsäcke, einer Abholtransport-App und einem ausgeklügelten Logistik-System werden EPS-Abfälle direkt von den Baustellen abgeholt, und das aufbereitete Material kann wieder zu EPS-Dämmplatten recycelt werden. Gemeinsam mit Kunden und Partnern soll dieser funktionierende Prozess gelebte Praxis werden, auch um die großen Kreislaufwirtschaftspläne Realität werden zu lassen.

➤ Weitere Investition in die PV-Anlage: 30.000 Quadratmeter Fläche mit 3,2 MWp d.h. 3,2 Millionen kWh im Jahr, bzw. 8.000 PV-Module. Das entspricht einer Erweiterung um 60 Prozent im Jahr 2024. Damit können 750 Haushalte versorgt werden. Einsparung CO2: 736 Tonnen; die Anlage deckt einen großen Teil des Steinbacher-Energiebedarfs ab – restlicher Strom zu 100% aus Wasserkraft. Auch bei den Tochterunternehmen neue PV-Flächen, Gefinex: 800 KWp, 2000 Module. KA

 
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