Zusammenhalt trotz der Grenze
Die nunmehr geschlossene Grenze zu Bayern lässt Kössen mit seinen Grenzgemeinden Schleching und Reit im Winkl nur noch mehr zusammenwachsen. Rund 100 Kössener pendeln fast täglich nach Bayern.
Kössen | Nicht nur die schöne Landschaft prägt den Kaiserwinkl, sondern auch die Grenze zu Bayern. Immer schon gab es einen regen Austausch zwischen Kössen und seinen Nachbargemeinden Schleching und Reit im Winkl. Der sogenannte kleine Grenzverkehr ist für die Kössener schon immer ein wichtiger Teil gewesen, wenn auch nicht immer legal, wie das Projekt Schmugglerweg zeigt. Dies ist eines jener grenzüberschreitenden Projekte, die Kössen mit Schleching verbinden. Auch ein grenzüberschreitender Radweg ist geplant. Bei Festen laden sich Tiroler und Bayern selbstverständlich gegenseitig ein. Und wenn die Kössener Schützen ausrücken, sind auch die Gebirgsschützen aus Reit im Winkl nicht weit. Dass der Hauptsponsor des regionalen Fußballvereins „FC Skihütte“ mit dem Reiter Sportgeschäft „Skihütte“ ebenfalls bayerisch ist, ist einmal mehr ein Zeichen der Nähe.
Rund 100 Kössener sind es, die täglich über die Grenze pendeln, schätzt Bürgermeister Reinhold Flörl. Die Corona-Pandemie und das derzeit massiv verschärfte Grenzregime durch die deutschen Behörden macht das Ganze nicht leichter. „Trotzdem ist die Stimmung zwischen unseren Gemeinden sehr gut. Gerade vor Kurzem hatte ich ein Treffen mit Schlechings Bürgermeister Sepp Loferer. Wir lassen uns da sicher nicht trennen“, betont Flörl. Doch nicht nur die Grenzkontrollen sind unangenehm, auch die vorgeschriebenen Antigentests. Bis zu drei Mal in der Woche wären die Kössener Pendler gezwungen gewesen, sich in St. Johann testen zu lassen - immerhin jedesmal 40 Kilometer hin und retour. „Wir haben das jetzt selber mit unseren Ärzten in Kössen organisiert“, sagt der Dorfchef.
Bei Gesundheitsbehörde auf Granit gebissen
„Wir sind von Pontius zu Pilatus gelaufen, um eine verträgliche Lösung für unsere betroffenen Bürger zu finden“, sagt Flörl. Beim Land und den Gesundheitsbehörden bissen sie jedoch auf Granit und halfen sich daher selber. „Dank vieler freiwilliger Helfer haben wir das jetzt hinbekommen, dass täglich getestet werden kann“, freut sich der Dorfchef.
„Nur am Sonntag müssen wir nach St. Johann fahren, das ist gut machbar. Wir sind wirklich dankbar, dass das so gut klappt“, sagt Franz Gründler. Der Gemeinderat pendelt bereits seit 30 Jahren nach Reit im Winkl. Fast 50 Kössener arbeiten wie er bei der Firma Halton, die Lüftungsanlagen herstellt. „Wir sind als systemrelevant eingestuft, daher geht das“, sagt er. Aber natürlich sei das alles sehr seltsam – da stehen zum einen die Österreicher und ein paar Meter weiter dann die Bayern zum kontrollieren. Auf die Tiroler sei jenseits der Grenze übrigens keiner schlecht zu sprechen, der Unmut gelte eher der Staatskanzlei in München, ist er sich mit Flörl einig.
Doch auch im Kössener Zentrum fehlen die Bayern, weiß Hans Knoll, Obmann des „Grias di“-Vereins. Friseure, Metzger oder auch die Sennerei werden von Schlechinger und Reiter gerne frequentiert. Diese Umsätze fehlen natürlich. Und auch er selbst, sagt Knoll, wirbt bei den Nachbarn nicht, das spare er sich im Moment. Margret Klausner
Bild: Im Lockdown im Frühjahr 2020 war die Grenze zu Bayern komplett zu, heuer dürfen zumindest Grenzpendler, die „systemrelevante“ Jobs haben, mit einem negativen Test zu ihrem Arbeitsplatz nach Bayern fahren. Foto: Klausner