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Samstag, 22. September 1962 Kitzbüheler Anzeiger Seite 7 Von der Tätigkeit der Segeifliegergruippe St. Johann Der zukünftige Landeplatz in St. Johann im Bereich der „Friedlichen Luftbrücke Tirols" Die „Süd- West-Illtus,tri.erte" schrieb kürzlich unter dem Titel „Tirols fried- liche Luftbrücke" u. a.: „Von besonderer Bedeutung für den Tiroler Fremdenver- kehr dürfte aber vor allem der Lande- platz in St. Johann hei Kitzbühel we- den." - Wir selbst sind davon überzeugt, viele St. Johanner aber leider noch nicht. Die Segeifliegergruppe St. Johann ist der älteste Fliegerverein Tirols. Die Gruppe wurde 1933 gegründet. ihr ga- hörte auch Alois Hasenknopf, der nach dem Weltkrieg bei den Weltmeister- schaften in England tödlich verunglück- te, als prominentes Mitglied an, ver- brachte er doch viele Jahre seinen Som- merurlaub in St. Johann. Flieger jener Zeit, z. B. die Ehrenmitglieder des öster- reichischen Aeroklubs Andreas M.a r j - acher und Sepp HaggeEnmüller und Ferdinand S chin die r gehören heute noch der Segeifliegergruppe St. Johann an. Vizebürgermeister Ma ri.acher und Tierarzt Dr. Siegfried J ö ch 1er waren es, die der Gruppe nach dem Krieg neuen Aufwind gaben. Mit Idlealismis und Opferbereitschaft wurde an die Auf- gäbe herangegangen. Das Ziel war, selbst fliegen zu können und den ausländi- schen Siegelfliegern die Möglichkeit zu bieten, bei uns diesen schönen Sport ausüben zu können, ähnlich wie es heute in Kufstein oder Reutte und auch ande- ren Orten geschieht. Mit den Grun- besitzern wurde verhandelt, Pachtver- träge wurden abgeschlossen und Mit- glieder geworben. Bald waren es dreißig Mann. Der hohe Pachtzins (17.000 Schil- ling) veranlaßte uns, an die U'ffent1ic11- keit um Unterstützung heranzutreten. Der Verkehrsverein wurde Mitglied unserer Gruppe und erteilte uns eine Subvention in der Höhe von 15.0]0 Schilling, jedoch unter der Bedingung, diß ein Landeplatz für Motorflieger eingerichtet wird! Der Verkehrsverein. unterstrich diese Bedingung mit der foit- schrei tenden Entwicklung des Fremden- verkehrs und im Hinblick auf die Be- deutung eines Zubringerdienstes zu dcn Flughäfen München, Salzburg und Ini- bruck. Nach reiflicher tlherlegun.g stellte ie Segelfliegergruppe St. Johann einen ent- sprechenden Antrag an den Herrn Lan- deshauptmann von Tirol. Dem Antrag konnten wir ein Empfehlungsschreiben cres uamaligen Bürgermeisters beigeben. Wir gingen auch auf die neuen Pacht- gelder ein, die jährlich einen Betrag von 47.000 Schilling ausmachten, schon des- halb auch, weil wir von der Markt- gemeinde erstmals für das Jahr 1961 eine Subvention von 12.000 Schilling zi- gesprochen erhielten. Schon wurde im Prospekt des Ver- ke1hrsvere ins darauf hingewiesen, daß die Gäste nun bald auch nach St. Johann fliegen können. Luftv.erke'hrsunt'erneh'mungen begannen sich zu interessieren und Anfrageti aus dem In- und Ausland gelangten pech St. Johann. Der Vereinsvorstand o'pfer te viel Freizeit und auch viel Geld., um das neue Ziel verwirklichen zu können. Jedes Mitglied zahlte die Vereinsbei- träge, denn aus dem zuerst vorgesehe- nen Segelflugfeld wurde eine Sache von öffentlichem Interesse. Das Gelände wurde erprobt und all.- waren lle waren davon restlos begeistert. Ein pro- minenter Flieger sagte sogar: „Das Flie- gen ist in St. Johann so ungefährlich w:i'c das Radfahren vor der Motorisie- rung!" Die Anfl'ugschneisen sind in je- der Richtung kilometerweit ohne Hinder- nis und auch für Notlandungen sind genügend Flächen vorhanden. Es wurde auch ein Modelibauklub ge- gründlet, um der Jugend eine Freizeit- gestaltung zu bieten und das Hinein- wachsen in den ewigen Wunschtraum der Menschheit, das Fliegen, zu er- möglichen. Für den Land'eplatJz ist nur ein Grundstück von zirka 2 Hektar not- wendig. 675 Metier ist die Piste lang und nur 30 Meter breit. Dazu ist noch eine Abstelifläche in einem Ausmaß von noch einmal 2 Hektar 'erforderlich. Alle Anlagen bleiben naturbelassen, ja das Gesetz schreibt vor, daß der Rasen 'entsprechend gedüngt 'und gepflegt wer- den muß, damit er immer grün bleibt. Der Ernteausfal1 ist daher gering, un- sere Leistung als Pächter jedoch ver- hältnismäßig 'hoch und es kann niemand behaupten, daß die Bauern als Ve'rpäch- ter in ihrer Existenz gefährdet werden. Wir sahen also unser Ziel schon fast erreicht und waren glücklich., an der Rangerhöhung des Fremdenverkehrs- ortes St. Johann mitgewirkt zu haben. Da kam der Tag der Kommissionie- rung durch das Amt der Tiroler Landes- regierung und' alles wurde wieder zer- stört. Die Zusagen zurückgezogen und die Bevölkerung mit Gerüchten .ver- sorgt", mit welchen wir nichts zu tun hatten,, wie: Gefahr der Verlegung des Flughafens von Innsbruck nach St. Jo- hann, Stationierung der in Schweden an- gekauften Düsenjäger und Hubschrauber, Stationierung einer FaUsch.irmjägerein- heil des Bundesheeres, durch welche die Felder verwüstet werden würden u. ä. Ungeachtet dieser Gegnerschaft im eigenen Ort holte die Landesregierung Gutachten ein, welche mit Ausnahme jener der Gemeinde und dies Verkehrs- vereins von St. Johann positiv ausfie- len. Im April d. J. erfuhren wir, daß der Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung für die Errichtung eines Motorflugplatzes positiv ausfiel. Leider warteten wir vergeblich auf die Zustel lung des Gen'ehmigungbesch'ei des und deshalb sahen wir uns gezwungen, uns an das Bundesministerium für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft als oberste Luftfahrtbehörde zu wenden. Diese ordnete eine öffentliche münd- liche Verhandlung in St. Johann an und auf Grund dieser Verhandlung wurde uns der Genehmigungsbescheid zuge- stellt. uge- stellt. Der Spruch des Bundesministe- riums lautete: „Der Segeifliegergruppe St. Johann in Tirol wird die Zivilflugpiatzgen'ehmigung zum Betrieb eines Zivilflugplatzes (Mo- tor- und Segelflugfeld) in St. Johann in Tirol erteilt." Wenn wir Flieger und unsere Freunde nun glaubten, am Ziel zu sein, so befan- den wir uns im Irrtum. Jetzt tauchten neue Gerüchte auf über Enteignungsver- handlungen und unerträglichem Lärm. Wir wollen nicht 'enteignen! Wir brau- chen ja auch gar nicht, da wir ja gültige Pachtverträge besitzen und zur Lärmpla- ge 'können 'wir aufrichtig versichern, daß der Fluglärm geringer ist als der Stra- ßenlärm. Die S.egelfliegergruppe St. Johann be- sitzt derzeit zwei Doppelsitzersegeiflug- Zeuge, eine Doppeisei l'winde, einen Last- kraftwagen für diese Winde, ein Schleppfahrzeug zum Seilholen, zwei Se- g'elflugzeuganhänge'r sowie Werkzeuge und Seilfallschirm.e. Eine provisorische Halle im Ausmaß von 18 x 12 Meter wur.die erstellt und der Zufahrtsweg von O'berhof'en nach Rei t- lam fahrbar gemacht. Ein Sumpf wurde durch Einbau von 23 großen Betonroh- ren entwässert. Die Gesamtausgaben be- laufen sich bisher auf 28.4.000 Schilling. Ein Drittel dieser Summe stammt aus Zuwendungen der öffentlichen Hand, die anderen zwei Drittel des Betrages wur- den von den Mitgliedern und Förderern aufgebracht. Die Segeifliegergruppe St. Johann ist' nicht darauf aus, den Flugbetrieb zu einem Geschäftsunternehmen zu machen. Mit Stolz können wir behaupten, daß trotz der enormen Schwierigkeiten der leizten Zeit die Segeifli.egergruppe keine nennenswerten Schulden besitzt und zum Jahresende die Bilanz ausgeglichen sein wird. Die Gruppe zählt heute über 60 Mit- glieder, darunter befinden sich auch Per- sonen aus Kitzbühel und den Nachbar- orten. Die M'odiellba'u'gruppe hat bereits über 30 Mitglieder. Viele- Modelle, wur- den bereits gebaut und nur aus eigenen Mitteln oder aus Mitteln, welche uns von großzügigen Spendern zur Verfügung gestellt wurden. D''e Mitglieder der Segelfli'egerg'ruppe kommen aus allen Bevölkerungskreisen. Darunter befinden sich Bundesangestell- te, Lehrlinge, Angehörige der freien Be-
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