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Seite 2 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 15. Juni 1963 1 der spätere Schulrat Franz Walde und 70 Jahre Männergesangverein Kitzbühel 1 der Obergeometer Ingenieur Wilhelm Festkonzert in der Aula der Kitzbilheler IlauptMehule Gpft. Ani Sonntag, 9. Juni 1963 feierte der Männergesangverein Kitzjbühel mit einem Festkonzert in der Aula der Hauptschule sein 70. Gründungsfest. Vor den glanz- vollen Liedervorträgen hielt der Obmann des Männergesangvereins Gendarmerie- Hauptmann in Ruhe Karl Wiri eine An- sprache, die von den Anwesenden mit begeistertem Bseifal'I aufgenommen wurde. Die Ansprache enthielt die Chronik des Vereins. „Als Obmann des Vereins ist es mir eine besondere Ehre und Freude, Sie alle meine Damen und Herren im Namen der Sängerschaft und der Vereinsleitung herzlichst begrüßen. zu dürfen und Ihnen für den stattlichen Besuch unserer Ver- anstaltung unseren besten Dank sagen zu können. Mein besonderer Gruß gilt un- seren Ehrengästen: Herrn Bürgermeister Hermann Reisch, Vizebgm. Hans Win- d erl, Gemeinderat Sepp Zw ickna gI', Stadtpfarrer Dr. Joseph 'Kreuzer,, Fau Prof. Maria Ho fe r, vom Kolpingchor Max Krause und Chormeister Hugo Bo:natti, StadtkapeIim.-Stellv. Karl Planer und Vo'lksschu'ldirektor Peter Brands tä ttcr. Singen, meine Damen 'und Herren, war immer ein. Uranliegen des Menschen. Als ein Ausfluß der Cemütatiefe 'unseres Vol- kes strömte der Liederquell zu allen Zei- ten und das Lied ist damit zu einer be- zaubernden Macht des Empfindens und Wollens geworden. Wie keine, andere Kunst ist der Gesang die Kunst des brei- ten Volkes, vornehmlich wenn er im das zum Ausdruck bringt, was alle Herzen, bewegt 'und in allen Herzen widerhallt. Diesen Gesang zu pflegen ist vorzugsweise das Bestreben der Männer- gesangvereine. Aber auch dii,e höhere Form des Kunstgesanges hat innerhalb dieser Vereine große Vehreitung und Ve'rf'ei- nerung erfahren. Beide Arten über, Volks- gesang und Kunstgesang, haben durch ih- re Wechselwirkung zur heutigen hohen Blüte des Männiergesangs beigetragen. Und wer hätte die vielgestaltige Macht und Wirkung des Gesangs noch nicht an sich selbst erfahren? Immer wieder kehrt man gerne zu diesem frischspendenden Jungbrunnen ‚reinster Herzeinisfeende zu-7 rück, um sich an ihm zu erquicken und sich über die nüchterne Alltägidhkeit zu erheben. Das wissen gerade die Sänger selbst am besten. zu schätzen. Denn das Lied wirkt wie alles wahrhaft Schöne und Hohe erhebend, läuternd und be- freiend. Es tränkt die Menschen mit Be- friedigung und macht sie stark zu wacke- rer Tat. Es hebt, wie der Kunstkritiker so schön sagt, ‚aus dem Strom der Er- scheinungen das reine Gold der Empfin- dungen und ‚schmilzt es um in himmli- schen Wohllaut'. Unsere Sängervereine sind Pflegestät- ten edler Freundschaft, für viele bis zum letzten Sängergruß, denn Freundes- mund und Sanesbruder ins offene Grab nachsendet, wenn das Buch der Erde aus- geschrieben ist. Auch so manchem wohl- tätigen Zweck hat der Gesang schon ge- dient, manche Träne half er trocknen. Festlichen Veranstaltungen gibt er die höhere Weihe, er hilft große Männer verherrlichen und wird damit zum Träger und Förderer von Heimat- und Vater- landsliebe. Der Männergesang, wie er sich heute darstellt, ist als eine Schöpfung des ver- flossenen Jahrhunderts zu betrachten. Gleichzeitig im Norden und im Süden erblühte damals die Sangeslust. Zwischen 1735 und 1806 ertönten hierzulande erst- mals unter Michael Hayde, dem Bruder des großen Tonheroen Josef Haydn, Lie- der ohne Begleitung im fröhlichen Vier- klang, woran heuite noch der Haydnsaai des Stifts St. Peter zu Salzburg erinnert Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts erstanden auch in Tirol, in Imisbruel und in Schwaz, Männergesangvereine und 1859 in unserer Nachbarstadt Kufst'ein. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts stand der Männergesang in allein deutschen Landen in höchster Blüte. Und in diese Zeit fällt auch die Grün- dung des Männergesangvereins Kitzbübel. Man schrieb das Jahr 1892. Von den Gründern des Vereins ist niemand mehr am Leben. Ziel der Gründer war, den Gesang zu pflegen und Frohsinn und Geselligkeit zu fördern.. Weiche Begei- sterung das Erstehen unseres Vereins da- mals umgab, ist aus dem Gründungs- protokoll zu ersehen. Die Prominenz un- serer Heimatstadt von einst ist darin mit eigenhändiger Unterschrift zu fin- den. Graf FI'ugo Lamberg, Gräfin Giu- letta Lamberg, Gräfin Paula Brunetti, Bürgermeister Franz Reisch und Stadt- pfarrer Geist]. Rat Anton Sebastian Lech- ne r und Viele andere Persönlichkeiten. Erster Obmann des Vereins war der Stadtarzt Dr. Sebastian Horn ga eher. Als erster Chormeister fungierte Lehrer Ignaz Schichtl. Den Text dies Vereins- Mottos, den Sie am Eingang unserer Fei- erstunde gehört haben, schuf Tgnaz Schicht], vertont vom damaligen Chor- meister der Kufsteiner Liedertafel Dr. Lutz. Erstes Vereinslokal war das ‚Bat- zen.häusl', heute Restaurant Chizzo, das um diese Zeit vion dem Militärmusiker Sches tak geführt wurde. Unter Ob-mann. Dr. Hiorngacher ent- wickelte sich bald eine rege Sangestütig- keit. Und schon am 12. August 1893 konnte der Verein zu seinem ersten Kon- zert in ‚Tsch,olls Lokalitäten' (heute Ha- risch) antreten. Eintritt 50 Kreuzer. Nachher waren die Sänger bis zum rste1n Weltkrieg, also durch mehr als 20 Jahre, jährlich in mindestens zwei 'Konzerten zuhören.. Als Qiiormjeis ['er fungierten au- ßer Ign.az Schicht] abwechselnd Lehrer Hans Ha tzl und Rudolf Winkler; dann Neben den üblichen Vereinskonzerten gab es auch Faschin gsunterhai tungdn, ver- hunden mit Tanz. Auch Wohltätigkeits- konzerte, sehr 'oft auch zu Gunsten des ,Verschönerungsvereins', wurden abgehal- ten. Bei diesen Sänger-Veranstaltungen waren als Solisten Gräfin Paula Lam- berg, Philomena Pirc;hl und auch aus- wärtige Künstler zu hören. Diese Konzer- te wurden weiters vom ‚Kitbühe4er Streichotuhester' 'umrahmt, das später dann im Rahmen des Vereins landete. Der Verein empfing weiters schon vor dem 'ersten Weltkrieg auswärtige Ge- sangvereine in unserer Heimatstadt; mit- unter gab es auch Gemeinsdhaftsauffüh- rungen, und man unternahm auch öfters Sängerfahrten aus Anlaß von Fahnen- weihen oder Gründungsfesten anderer Vereine. Freilich, zwischen einst und jetzt ist kaum mehr ein Vergleich zu ziehen. Zur Gründerzeit fuhren noch die Postkutschen über Land, auf den Landstraßen gab es noch keine Autos; es gab keine Kinos und kein Radio und kein Fernsehen. Die. Veranstaltungen der Vereine, wie Musik- Vereine, Gesangvereine, Turnvereine, Schützenvereine und dgl. bildeten in da- maliger Zeit außer dem Theater in der Stadt allein den gesellschaftlichen An- ziehungspunkt. Der erste Weltkrieg lähmte auch in Kitzbiih'el die Sangestätigkietit dies Ver- eines. Viele Sänger mußten zu den F;ah- nein eilen und mancher sah seine Heimat nie wieder. Im Jahre 1920 erwachte der Verein wieder zum neuen Leben. Ufli- ter Obmann Oberbahnrat Hermann B u l- ei meier und Chormeister Schulleiter Much W i e se r fand der Männergesang neuerlich Eingang in unsere Stadt. 1.922 wurde Amtsrat Sepp Sollere der Ob.- mann des Vereins und blieb in dieser Funktion bis 1928. Ebenfalls 1922 trat der Bürgerschul- direktor und spätere Schulrat Franz Gantner als neuer Chormeister in die Geschichte des Vereins und behielt diese Funktion bis 1952, also durch 32 Jahre hindurch. Der Verein gewann durch Werbung von Mitgl,edsern wieder be- trächtlich an Stärke. Chermeister Gant- ner bemühte sich eifrigst um die Aus- bildung der Sängerschaft und brachte in den folgenden Jahren den Verein auf eine beachtliche Höhe gesanglichen Kön- nens. Chormeister Gantnjer wird in un- serem Verein ob seiner Verdienste immer fortleben. Fast jedes Jahr standen die üblichen Vereinskonzerte oder Liederabende auf dem Programm. Zwischendrein gab es Silvesterfeiern mit Gesang und Tanz, Faschingsunterhaltungen mit komischen Einlagen und Vereinsbälle. Alle diese Veranstaltungen wurden entweder beim ‚Harisch' oder beim ‚Hinlierbräu' abgehal-
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