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Samstag, 6. Juli 1963 Kitzbüheler Anzeiger Seite 7 Ranggler-Chronik Festschrift zum „Prä-Ranggln" 1963 in Kitzbühel Sonntag, 21. Juli 1963 auf dem Kapser Sportplatz 1. Fortsetzung. Das Ranggln auf dem Kitzbüheler Horn izing früher ebenfalls, wie auf dem Paß Thurn, an einem kultischen Datum (näm- lich Maria Heimsuchung). Es wäre ja un- denkbar gewesen, hätten die Jochberger einen Rangglertermin gehabt und die Kitzbüheler nicht. Auf dem Horn trafen sich die Hogmair des Leukentales mit cenen des Brixentales, des Zillertales und des Pinzgaues. Noch um die Jahrhundert- wende fand dort ein ganz gewaltiger Kampf statt, welcher auf der ganzen fiangglerwelt, also dem Pinzgau und dem Tiroler Unterland, einschließlich dem Pu- stertal und dem Vintschgau, Aufsehen erregte. Wie ein Lauffeuer ging es von Haus zu Haus, von Tal zu Tal und von Ort zu Ort: „Dö Stoana Säu' is um- gfaln!" Es war dies ein „schwarzer Tag" für die Reither Rangglerpatrioten, zu se- hen bzw. zu erfahren, daß ihr bisher un- bezwingbarer Hogmair „gebodigt" wurde. D' Stoana Säu" war niemand anderer als Agyd Hauser vulgo Stoanagidi von Reith und den Namen Stoana Säu' gaben ihm die Pinzgauer, denen es am meisten stierte, daß Gidi, wenn er irgendwo auf einem Rangglerplatz erschien, Hogmair blieb. Sein Besieger war ein „Alminger" aus Flecken am Pillersee mit dem Vulgo- namen „Wuzl"; später Schweizer beim Klausner. Sein bürgerlicher Name konn- te bisher leider nicht eruiert werden. Stoana-Gidi war ein Ranggler von sel- Tenem Format; in seiner Jugend war ihm nicht beizukommen; später dann, als er als Fallbühelbauer harte Arbeit verrichten mußte, verlor er die frühere Elastizität und nur deshalb, wie die Reither sagen, konnte er zu Fall gebracht werden. Das Alpenhaus am Kitzbüheler Horn st der erste Berggasthof unserer Gegend, welcher den Winterbetrieb einführte. Dort Eand auch zu Silvester 1900 ein Turner- Alpenkränzchen statt, dem auch der Münchner Max v. FIeß beiwohnte. (Hüt- zenbuch im Heimatmuseum Kitzbühel!) Im Brixental drinn Geht's liederlich zua, Werd koa Betschwester zügelt Und koa lediger Bua. Um vier Rösser wurde 1901 in Saalfelden geranggelt. Aus anserem Bezirk stellten sich folgende Ranggler: Ägid Koidl, Zimmerauer, sein Bruder Sepp (der spätere Mitter- iögler von Kitzbühel), Johann Wör- getter, Metzger in Fieberbrunn, und Hollaus, Foischinger, Hopfgarten. Ge- ranggelt wurde am Lichtmeßtag, also mitten im Winter. Auf den hart ge- stampften Schneeboden wurde Sägemehl gestreut. Dieses Ranggln ging nicht nur wegen des hohen Preises (damals war ein gutes Pferd soviel wert wie zwei Kälber- kühe), sondern auch wegen des darauf- folgenden Prozesses in die Ranggler- chronik ein. Die Pinzgauer Ranggler sind nicht bekannt. Uber diesen Kampf er- zählte uns ein Augenzeuge, nämlich der Seiwaidvater von Reith, folgendes: „Zimmerauer Gidi konnte einen Sieg verzeichnen. Er hat seinen Gegner mit einem auswendigen Kreuzwurf auf die Schultern gelegt. Sein Können wurde von Freund und Feind gleichermaßen an- erkannt. Sein Bruder Sepp und Ilollaus kämpften unentschieden; Sepp erlitt eine Verletzung am Auge und konnte nicht mehr antreten. Wörgetter verlor ganz überraschend. Salzburg hatte für diesen Tag seine besten Leute eingesetzt und das Ergebnis bezeugte, daß dort gute Men- schen vorhanden waren. Zu einem zwei- ten Gang kam es jedoch nicht mehr, denn als die Tiroler für den verletzten Zimmerauer-Sepp den Ersatzmann, näm- lich den Sulzmüllner, auf den Kampfplatz brachten, weigerte sich der Salzburger, mit diesem zu ranggln. Mit dem ranggi i nöt! und von dieser Meinung konnte ihn niemand abbringen. Um die vier Rösser wurde dann ein Prozeß geführt, der sich ein ganzes Jahr hinzog. Der Sieg wurde dann doch den Tirolern zugesprohen. Im Pinzgau war das Ranggln genau so populär wie im Tiroler Unterland. Der Seiwaldvater erzählte bei dieser Gelegen- heit eine lustige Episode, die sich im Pinzgau zugetragen hatte. „Bei einem Meisterschaftsranggln ge- lang damals keinem Pinzgauer ein Sieg. Einer nach dem anderen fiel um und die Tiroler zogen mit allen Fahnen und allen Preisen ab. Dies betrübte einen Zuschauer ganz mächtig. Er war aber nicht so sehr den Tirolern böse, weil diese seine Landsleute besiegten, und auch nicht den Pinzgauern, denen an diesem Tage einfach nichts gelang, er schrie seinen Kummer in folgenden Worten in die Welt hinaus: ‚Wos homb den mia für Weibaleit, fit amol an Hogmair dazügln's mea." Oft fanden um die Jahrhundertwende auch ganz „private" Kämpfe statt. Ge- legentlich bei einer Zusammenkunft beim Viehmarkt oder bei einem Fest. So war es auch als Zimmerauer-Gidi im Ziller- tal bei einem Markt war. Dort forderte ihn der Zillertaler Hogmair Alois lIu- her auf, mit ihm zu ranggln. Gidi stell- te als Siegespreis eine schöne Kuh fest, welche ihm ins Auge gestochen hatte. Er hätte sie selbstverständlich auch kau- fen können. Aber, so dachte er, wenn der Zillertaler schon ranggln will, dann soll es auch etwas gelten. Huber, der gleich wie der Reither Hogmair ein guter Mensch war, verlor die Kuh. Nach dem Ranggln sagte er: „Wie ich den Zimmer- auer anging, glaubte ich, ich greif einen Stier an." 1902 war auch in Innsbruck, beim Adambräu, ein großes Ranggln. Da ka- men sie daher, die besten Ranggler der Monarchie und übrig blieben nur die zwei Zimmerauer, Gidi und Sepp. Diese teilten sich den Siegespreis. Außer Konkurrenz wurde auch mit den besten Innsbrucker Ringern ein Gang gemacht; auch diese mußten auf den Rücken. Die älteste Urkunde über das Ranggln stammt aus dem Jahre 1536. Bürgermei- ster Hans Steger von Kitzbühel bestrafte den Andrä Gieringer mit 36 Kreuzern, weil sein Sohn, wie es in der Bürgermei- ster-Amtsrechnung heist, dem Sohn Gilig Vogisperger „ain Achselpain aus- gerieben hat 1" Dabei ist es für den Volkskundler interessant, daß sich der Voglsperger beim Bürgermeister von Kitz- hühei und nicht beim damaligen Land- richter sein Recht suchte. Folglich kann angenommen werden, daß die beiden Hö- fe im Bichl.ach, Giering und Voglsperg dem Bürgermeister von Kitzbühel unter- standen haben. Der Sulzmüllner Wer alle „Geschichten" über diesen Unterländer Herkules kennt, begreift, wa- rum damals in Saalfelden der Pinzgauer Ranggler nicht gegen ihn antreten wollte. Ciber den Suizmüllner berichtete Dr. Eduard Widmoser, St. Johann, im „Kitz- büheler Anzeiger", Jahrgang 1950: „Josef Marcher, gewesener Gastwirt zu Maut in Kirchdorf, Hausbesitzer, Fahr- radhändler und Trödler, gestorben am 24. September 1.930 im 67. Lebensjahr." So stehts auf dem Sterbebild des Sulz- müliners. Unter diesem Namen (Sulz- mühle in Gasteig) haben ihn die Leute gekannt. Aber etwas ist auf dem Sterbe- bild vergessen worden: daß er der stärk- ste Mann im Tiroler Unterland und weit darüber hinaus war. Ja, so einen Tiroler wie der Sulz- müllner einer war, findet man selten, heute schon gar nicht mehr. Er war stark wie ein Bär, wenn nicht stärker. Ich will ihn einmal vorstellen, damit der liebe Leser einen kleinen Vorgeschmack seiner Kraft bekommt. 190 Zentimeter groß, 135 Kilogramm schwer, 128 Zentimeter Brustumfang, ei- nen Oberarm mit 43 und einen Ober- schenke! mit 75 Zentimeter Umfang. Folgende Anekdoten zeigen auf, welche
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