Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 8 - Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 20. Juli 1963 ehen. Alles umsonst. Da stieß sie der Boarhois unwillig beiseite, schallt sie nichtsnutzige Fratzen und Narren, setzte seinen breiten Buckel unter dcii Hinter- teil des Wagens, hob ihn mit einem Ruck auf die Straße heraus und fuhr davon, seine beschämten Helfer mit offenen Mäulern stehen lassend. Noch krasser zeigte sich sein Ubermut, wenn er, was einer seiner Lieblingsspäße gewesen war, Zechgenossn zwang, Wein aus seinem Stiefel zu trinken, und die sich dessen, weil es sie grauste, weigerten, durchzu- prügeln drohte. Den Wildschönauern, auf die er es besonders abgesehen hatte, habe er einmal beim Gradiwirt in \Vörgl fol- gendes aufgeführt: Er setzte sich inmit- ten der Gaststube auf einen Stuhl, auf den Kopf den umgestürzten, mit Zucker- stückeln gefüllten Hut, und die Wild- schönauer mußten ihn einzeln umtanzen und aus seinem Stiefel Wein trinken, wo- für jeder ein Stückchen Zucker bekam. Als aber die Wildschönauer einmal in be- sonders starker tJl)erzahl waren, warfen sie ihn hei der Post in Wörgl zur Tür hinaus; aber Hois, nicht faul, kroch vorn Hausgang aus durch das große Ofenloch in den Ofen, sprengte diesen und stand plötzlich wieder mitten unter seinen Geg- nern, so daß die Prügelei von vorne an- gehen konnte. (A)er deren Ausgang schweigt die Chronik. Raufen war sein Element. Wenn er ne- ben der Schneidfeder auf dem Hut das Giöckl stecken hatte, nach altem Hog- mai rbrauch das Zeichen besonderer Kampfbegier, dann war ein friedliches Auskommen mit ihm ausgeschlossen. Bot sich nicht von selbst ein Anlaß zum Rau- fen und es ging auch mit dem bekannten Mittel des „Ostierns" und „Ogfrearns" nicht, so war bald ein Anlaß bei dcii Haaren herbeigezogen. Zwar ist mir nicht bekannt, daß er es so gemacht hätte wie einst die als Raufbolde bekannten Söll- landler, die einem unliebsamen „Auswär- tigen" einfach ins Bierkrügl spuckten, um das Signal zum Kampfe zu geben, aber bezeugt ist von ihm, daß er Kell- nerinnen oder sonst gefügige Schwäch- linge anstiftete, durch irgend etwas, z. B. durch staubaufwirbelndes Auskehren oder durch Fensteröffnen den Unwillen der Gäste zu erregen und dann, wenn diese schimpften, die Schuldigen in Schutz und ihre Beschimpfung zum Anlaß von Tät- lichkeiten nahm. Nicht immer schnitt da- bei der [-bis gut ab, namentlich, wenn ihm die UJberzahl der Gegner über den Kopf wuchs. Da wurde er einmal recht blutig zugerichtet. Einmal wurde er von Karrnern, die wie gewöhnlich in Bichi- wang ihr Standquartier hatten, so zer- schlagen, daß er sich mehrere Tage nicht rühren konnte, was ihn aber nicht hin- derte, daß auf dem nächsten Haller Markt, als der Hois beim Pferdehandel in eine Schlägerei geriet, dieselben Karr- ner „ihren" Hois tapfer heraushauten. Aber auch an solchen Gegnern fehlte es nicht, die ihm im Einzelkampf ge- wachsen waren. Denn damals, wo fast jedes Dorf im Unterinntal seinen Flog- mair hatte, stand das Raufen und Robeln noch in voller Blüte. Da ist vor allem der Nagelschmiedsepp von Niederbreiten- bach zu nennen, ein Mann von riesen- hafter Größe und Stärke, der den Boar 1iois einmal geschmissen haben soll. End- gültig den Hogmairgeist ausgetrieben ha- ben ihm jedoch die Erberbuhen aus Kitzbühel. Diese waren seine gefährlich- sten Nebenbuhler. Sie, Hans und Kaspar Erber, hießen die Erberbuben, weil sie zu Erb am Soniiberg ihr erstes Heim hat- ten. Es war ein sehr ungleiches Brüder- paar. Hans, der ältere, im Volksmund die Höppin genannt, war von unheim- licher Dicke; er wog drei Zentner 15 Pfund, also 157 kg und war so breit, daß, wenn er als Viehhändler herum- fahrend in seiner Kutsche saß, neben ihm kein Schulkind mehr Platz gehabt hätte; er war mehr phlegmatischer Natur und mußte oft von seinem schlankeren und kringeren und auch schneidigeren, aber nicht viel weniger starken Bruder Kas- par zum Raufen angefeuert werden. in ähnlicher Weise wie bei den \Vintersteller- brüdern, wo der Sepp dem Franz eine Watschn geben mußte, um ihm die nötige Hitze zum Raufen beizubringen. Dieses Brüderpaar saß nun eines Tages beim Radiwirt in Wörgl. Da kam, von der Spielwirtin geschickt, ein Dirndl daher mit der Botschaft, sie möchten doch „in Gottsnain" zum Spiel hinunterkom- men und sie vom Boarhois erlösen. Der „stiere" schon drei Tag bei ihnen und grausige ihnen alle Gäste hinaus. Sie wüßten sich nimmer zu helfen mit ihm. Die „liöppin" zeigte keine rechte Lust, dem gefährlichen Hilferuf Fole zu leisten; aber auf das Drängen des Kaspar ent- schloß er sich doch dazu. Als die zwei Brüder beim Spiel in die Stube kamen, sitzt der Hois, „hübsch auf", hinterm Tisch und begrüßt den Hans: „Griaß di Hans!", worauf dieser „Griaß di ITois ah!" zurückgibt und sich zum Hois au den Tisch setzt. Nach einer langen Pause meint der Hans: „Du lHTois, dci Flüatei gfallt ma sovil schea, geh laß mas!" - eine deutliche Herausforderung zur Kraft- probe. Aber der Hois bleibt ganz ruhig, besinnt sich eine Weile, nimmt dann sei- nen Hut ab, schwenkt ihn, daß es klin- gelt und legt ihn mit den Worten: „Dir gib i's, da hast's", vor dem Hans auf den Tisch. Damit war's beim Hois „ausgehog- mairt"! Beim Spieglwirt in Wörgl wettete er um eine Maß Wein, daß niemand im Stande sei, ihm die Gurgel so zusammen- zudrücken, daß er keine Semmel mehr essen könnte, und er gewann die Wette, obwohl mehrere es mit größter Kraft- anstrengung versuchten. Einmal begegnete der Boarhois auf der Straße im Kufsteiner Wald mit seinem „Zeugl" dem schwerbeladenen Fuhrwerk des Gwercher Bräu. Als er vom Fuhr- mann verlangte, daß er ihm ausweiche und dieser sich weigerte, weil er das schwerere Fuhrwerk habe, kam es zwi- sehen beiden zum Raufen, in dessen Ver- lauf der Hois den Eggerknecht (Gwerch- bräu besaß der Egger) über den steil ab- schüssigen Straßenrand hinabwarf, ihm sämtliche Bierfaßln nachschmiß und schließlich noch den Wagen umstürzte. Dann fuhr er davon. Eines Sonntags erschien der Boarhois im Wcrktagsgewand und mit einer Henne in der Vogeisteige beim Kammerwirt in Mariastein, wo die als rauflustig bekann- ten Angerberger in großer Zahl beisam- men waren. Der Hilmgruberhauer rief ihm zu: „Stoi acha die Henn auf 'n Tisch!" Der Fbois tat es, dann gings los. Damals wurde er so zugerichtet, daß er drei Tage beim Wirt liegen bleiben mußte. Der Oberreitwirt in Kirchbichl ver- sprach dem Hois zehn Gulden, wenn er ein Jahr lang nicht in sein Wirtshaus komme. Dci- 1-bis ging darauf ein. Aber pünktlich nach Ablauf eines Jahres stell- te er sich wieder ein, verlangte den Zeh- ner und zündete sich damit die Pfeife an. iiois war ein „unguter Loder". Mit Vorliebe kaufte er wilde Pferde, um sie zu bändigen. Seine Viehschinderei wurde ihm aber zum Verhängnis. Denn, wie die Kirchbichler Pfarrmatrikel aufweist, war ein „Pferdestreich" die Ursache seines frühen Todes, der ihn, erst vierzigjährig, am 7. April 1870 ereilte. Es wird ver- mutet, daß es ein Streich von demselben Schimmel war, mit dem er kurz vorher noch auf einem Pendl über die Stiege des Kufsteiner Kirchgaßls hinabgefahren war, was er einer dafür erhaltenen Poli- zeistrafe zum Trotz noch ein zweitesmal aufführte. So erfüllte sich sein eigener Leibspruch, daß er nur den Toiii uni! ' ii hintan Ha x n von 'in Roß fürchte. Vom Millinger Christal ist der Aus- spruch überliefert: „Wenn do da Goign stand und es hoaßat: Nit raffn oder gnuag raffn und auf'n Goign, nacha siag i: gnuag raffn und nacha auf'n Goign:' „Wennst Hogmair wuist sei, Muaßt die l)essa bama, Muaßt in d'Mitt einisteh Und 'n Platz ausrama." Die Erberbuben von Kitzbühel Wie dci- Boarhois im unteren Inntal eine Berühmtheit repräsentierte, so die Erberbuben im Großachentale. Da sie ihr erstes Heim am Bauernhof Erb am Kitzbüheier Sonnberg hatten, waren sie in ihrer Jugend als die Erberbuben be- kannt. Später übersiedelten sie nach Oberndorf, wo Hans Besitzer des Neu- haushofes wurde und letzte Zeit hieß demnach der Hans allgemein der Lindner- oder Neuhaus-Hans. Der Hans entwickelte sich zu einer unförmigen Plumpheit und Dicke. Breit und fleischig war sein Gesicht, dick der Hals, breit der Hük- kein und letzte Zeit gewaltig der Bauch. Seine Hände waren hingegen keineswegs rechte Riesenpratzen. So war er zu schwe- rer Arbeit alsbald nicht mehr richtig be- schaffen und deshab wandte er sich dem Viehhandel zu.
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