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Samstag, 27. Juli 1963 Kitibüheler Anzeiger Seite 11 Ranggler-Chronik Festschrift zum „Prä-Ranggln" 1963 in Kitzbühel Sonntag, 21. JulI 1063 auf dem Kapser Sportplatz (4. Fortsetzung.) Anders sein Bruder, der Kaspar. Der war ein hochgewachsener, breitschultriger, g e wade lt er Mann mit einem Stiernacken und seine Gesichtsphysiognomie trug den Ausdruck eines Mannes ohne Furcht und Tadel, kurzum eines Hogmair. Während den dicken Hans vorherrschend die Gut- mütigkeit und Friedlichkeit eigen waren, so war der Kaspar im letzteren Punkt völlig das Gegenteil seines Bruders. Nicht, daß er im Prinzip ein bösartiger, unfried- licher Mensch war, im Gegenteil, es war bei der Arbeit und im sonstigen Leben gut mit ihm auszukommen, nur besaß er eine unbändige Rauflust und einen un- stillbaren Hogmairgeist, er wollte der Er- ste unter den schwer zu besiegenden Rau- fern sein. Gab es irgend eine Volksunter- haltung, Tanz und dgl. in den umliegen- den Gemeinden, so wanderte der Kaspar, ob geladen oder nicht, hinzu. Sobald sich der richtige Zeitpunkt einstellte, daß die tatkräftige Männerwelt bei Gesang und Trunk aufgelegt wurde, begann er so- fort mit seinen Provokationen. Oft schon zuvor, sobald er eine Gastwirtschaft einer auswärtigen Gemeinde betrat. Er forderte die Buben auf, es den besten Raufern in der Gemeinde bekanntzugeben, daß er, der Lindner Kaspar, da sei, um sich mit den Besten zu messen und wenn sich einer nicht traue, mögen es auch zwei oder drei sein. Da ging dann die Kunde nach Kirchzeit durch die ganze junge Männerwelt und auch die Alten wollten zusehen, wenn es zu irgendeiner Schläge- rei kommen sollte. Daß sich ein einzelner anbot, war zwar selten, doch kamen solche Fälle auch vor. Galt es doch als eine Rarität, wenn es hieß, der oder der hatte die Schneid, es mit dem Kaspar aufzu- nehmen. Und eine Zeitlang hielt ihm auch öfters einer stand. Da gab es wuch- tige Stöße mit den genagelten Schuhen und mit der Faust und meistens die Hiebe mit dem Schlagring. Die Schläge des Kaspar waren aber schon derart, daß sich immer weniger fanden, um mit ihm allein anzubandeln. War das nicht der Fall, da wurde der Kaspar schon sehr zuwider. Er suchte alle Wirtshäuser ab, fing an die Gäste abzufrotzeln, daß in dieser Gemeinde durchwegs Löter ohne Schneid seien, daß es nötig sei, zwei oder drei zusammenzuflicken, damit er eine Unterhaltung bekomme. War dann gar ein Tanz, dann war es umso ärgerlicher, daß er als Störenfried der ganzen Belu- stigung auftrat. Da kam es dann ja vor, daß der zuwidere Kaspar von vier bis fünf Mann gepackt, mit Stuhlhaxn oder was sich sonst vorfand, ganz elend ver- prügelt wurde, wobei er den Prüglern alle Rache schwur. Dann hatschte er heim, in zwei drei Wochen, wenn er wie- der ausgeheilt war, trat er im gleichen Ort oder in einer anderen Gemeinde als der gleiche Störenfried auf. Anders ging es, wenn er hie und da seinen Bruder Hans bei sich hatte. So war es unter anderem auch einmal bei einem Tanztag in Kirchdorf. Der schwere Hans saß im Tanzsaal auf der Ofenbank und sah zu, wie der Bruder die Tänzer und Zuschauer abhänselte, er- mahnte ihn, doch nicht gar so zuwider zu sein. Endlich kam es zu Tätlichkeiten. Der Kaspar machte mit den Füßen einen Sprung zum Plafond, die Lam- pe lag zerbrochen am Boden und der Saal war in Dunkel gehüllt. Sein erstes war nun, sich zum Ofen durchzudrängen und den Bruder mit dem Schlagring einen wuchtigen Hieb auf den Kopf zu keilen. Nun war auch der Hans aus seinem Phlegma aufgerüttelt. Der Kaspar schrie ihm zu: „Hans, auf die Stiagn außi!" Schnell drängte er sich trotz seiner Dicken durch die Tanzgesellschaft hin- durch und postierte sich zum Stiegen- abgang. Nun schrie der Kaspar: „Weiber- Ich, versteckt euch hintenzruck!" und auf die Männer begann er zu prügeln, stieß sie auf den Söllergang hinaus, wo der Hans einen nach dem anderen erfaßte und über die Stiege hinunterwarf, bis es dem Wirt gelang, eine Vermittlung her- beizuführen und die Brüder Lindner zum Abzug zu bewegen. Ein richtiges Konter- fei einer Episode des Nibelungen- liedes, wo der grimme Hagen auf der Tazelburg am Schlusse des Fest- schmauses die Gäste nacheinander über den steinernen Treppenauf- stieg hinunterwarf. Mit den zuneh- menden Jahren wurde der Hans allzu schwerfällig, wobei er den Nimbus sei- ner früheren Wehrhaftigkeit vollends ein- büßte. So hatte er auf einem Viehmarkt in Kitzbühel einmal einen heftigen Streit mit einem Brixentaler Bauern, der ihn mit einem kecken Ansprung rücklings auf den Rasen streckte und bis der Hans nach vielen Drehungen wieder aufrecht stand, war sein Widersacher längst ver- schwunden. Kaspar hielt lange aus. Als tief Sieb- ziger klagte er höchstens, daß ihn bei den scharfen Winden die vielen Beulen und Narben, die er über und über von seinen Raufereien her an sich trug, teuf- lisch jucken und stechen. Beim Erzählen, wenn er aufmerksame Zuhörer fand, wa- ren seine Raufhändel seine schönste Zeit, da wurde ihm wonnig ums Herz, denn sein Hogmairgeist blieb ihm bis zum Tode treu. „Muaß niL grad a Gamsal Und a Hirsch fit grad sei, Die Diarndin zwar schiaßt ma nit, Do vaschiaßt ma sie drei!" Edle von Velben als Raubritter Eine der traurigsten Erscheinungen des Mittelalters ist der Niedergang des Rit- tertums von der idealen Höhe seiner Blü- te im Zeitalter der Kreuzzüge zu jener Entartung, die im Raubrittertum ihren größten Tiefstand erreichte. Dieses Raub- rittertum erreichte den Höhepunkt in der Zeit der Gründung der Stadt Kitzbühel im 13. Jahrhundert. Damals ging auch der Spruch um: Reiten und Rauben ist keine Schande, das tun die Besten im Lande. Wenn von Rudolf von Habsburg be- richtet wird, daß er in drei Monaten sechsundsechzig Raubburgen gebrochen und hundert Ritter an den Toren von Er- furt aufgehängt hat, so gibt das immerhin eine erschütternde Vorstellung von dem Umfang, den das Raubrittertum damals in Deutschland bereits erreicht hatte. Al- lerdings war es nicht überall gleich (Ru- dolf Sinnwell in THBI. 1941) schlimm. In Tirol z. B. hat die Geschichte wenig zu berichten. Zwar spielt auch in der hei- mischen Volksdichtung der Raubritter ei- ne hervorragende Rolle. In den beliebten Ritterstücken hat sich die Volksphantasie in der Vorführung und Ausmalung auf- regender Burgverliese und gräßlicher Messertürme (,‚Der Mordpfleger von Kitz- bühel") nicht genuggetan und gerne neigt das Volk dazu, in jeder ruinenhaften Burg eine Stätte raubritterlicher Misse- taten und des göttlichen Strafgerichtes dafür zu erblicken. Hingegen bietet die wissenschaftliche Forschung wenig An- haltspunkte für die Richtigkeit dieses Volksglaubens, daß man leicht zur An- nahme kommen könnte, es habe in Tirol überhaupt keine Raubritter gegeben. Das träfe aber bestenfalls nur auf das mittel- alterliche Tirol zu, nicht auch auf das damals zu Bayern gehörige Landgericht Kitzbühel, wie die Geschichte der Ed- len von Velben lehrt. Die Velber waren eines der ältesten Adelsgeschlechter in Nordtirol, an An- sehen, Reichtum und Macht allen weituni überlegen. Ihr einst stattlicher Stamm- sitz, die Velbenburg, heute nur mehr an schwachen Bodenspuren erkennbar, stand auf einem südlichen Vorhügel des Wil- den Kaisers, westlich von St. Johann. Die Volkssage schreibt den Velbern schon einen entscheidenden Anteil an der Schlacht gegen die letzten Heiden in die- ser Gegend zu, die zur Zeit Karls des Großen auf den Münichauer Feldern ge- schlagen worden sein soll. Von den Vel- bern war Gebhard, der in der zweiten
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