Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag, 12. Oktober 1963 Kilzbüheler Anzeiger Set.e 3 Hundert Jahre „Skib 00 lirgermeister" Franz Reisch Zum Andenken an den Begründer des Skisports und Pionier des Fremdenverkehrs In Kitzbühei Am 17. Oktober 1963 jährt sich zum hundertsten Male die Wiederkehr des Ge- burtstages des Kitzbüheler Skibürgermei- sters Franz Reisch; diesen Namen ga- ben ihm seine prominenten Skifreunde von München. Graz und Wien aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, die er auf den schönen „Herold-Ansicht skar- ten" mit originellen „Schneeberichten" versorgte, wie z. B.: „Kommt's! Hab die Schanze hergerichtet - Schnee und Wet- ter sind gut - und die Buben warten." Ja die Buben, die gelehrigen Kitzbühe- 1er Skibuben, die waren seine Freude. Seine Wiege stand in Kufstein. Seine Eltern Josef Reisch, Lebzelter- und \Vachsziehermeister und dessen Gattin, Anna geb. v. Lechieitner, waren vermö- gende Bürgersleute. Die Volksschule be- suchte er noch in Kufstein und in dieser Zeit schon, mit neun Jahren, verlor er seinen Vater. Dieser wollte seine älteste Tochter zu den „Englischen Fräulein- nach Basel bringen, als er schon am Bahnhof vom Zug überfahren wurde. Franz Reisch absolvierte in Salzburg die Bürgerschule, erlernte dann in Nord- hausen an der Lahn den Kaufmanns- beruf und praktizierte später in Heil- bronn, Salzburg St. Moritz und n ver- schiedenen Orten Südtirols. 1886 rückte er als Einjährig Freiwilliger zum Tiroler Kaiserschützenregiment ein und rüstete nah Ablauf der Dienstzeit als Leutnanl der Reserve ab. Nun wechselte Reisch zur Tabakbranche über und war in leitender Stellung in Zigarrenfabriken von Bayern, Württem- berg und Baden tätig. In dieser Zeit unternahm er auch ausgedehnte Geschäfts- reisen und machte sich in der Schweiz und in Italien als Alpinist einen Namen, nachdem er schon in seiner frühesten Jugend, während der Schul- und Lehr- ferien, die meisten Kaisergipfel erklet- terte, aber mit Hilfsmitteln, welche dem heutigen Bergsteiger gänzlich unzurei- chend nzurei- chend erschienen wären. Er legte auch im September 1900 als Vorstand der Sektion Kitzbühel des Deutschen und Osterreichischen Alpenvereins das erste Ackerlbuch auf. in Kitzbiihel besaß die Kufstener Reisch-Familie eine Lebzelterei und Wachszieherei als Filialbetrieb. Nach der Erbteilung wurde dieser Betrieb dem drittältesten Sohn, Rudolf Reisch, zugesprochen. Als dieser 26jährig starb, wurde Franz Reisch von den Ge- schwistern am 2. Februar 1891 als Filial- leiter eingesetzt. Die Lebzelterei befand sieh damals im Tiefparterre des heu- tigen Hotel Guido Reisch; ebenfalls die Wachszieherei. Diesen Betrieben war ein kleines Kaffeehaus angeschlossen. Die Wachsbleiche wurde auf den Maurach- feldern, wo heute das Grandhotel steht, durchgeführt. Franz Reisch war von ei- nein ungeheuren Tatendrang erfüllt. Er verfügte über einen ausgedehnten Be- kanntenkreis. Er war trotz seiner Jugend schon ein vielgereister und belesener Mann. Fridtjof Nansens Buch „Auf Skiern quer durch Grönland" führte ihn zum Skilauf, dem er sein ganzes Leben ver- schrieben blieb. Glücklicherweise sind wir im Besitz eines Tourenberichtes über die erste große Skifahrt von Franz Reisch. Wir finden sie in der Nr. 1 (1. Jahr- gang) der illustrierten Zeitschrift für den Schneeschuhsport „Der Schneeschuh', München, 1. November 1893. Der Bericht stammt von Reisch selbst. Er ist also nicht nur der erste Skifahrer, sondern hat auch als erster Mensch in der Ski- geschichte einen alpinen Skitext geschrie- ben. Folgen wir dieser Zeitschrift: „Mit dem Ski auf das Kitzbichler Horn Von Franz Reisch in Kitzbichl Ich machte die ersten Versuche mit norwegischen Schneeschuhen im Januar 1893. Der neue ganz eigentümliche Reiz dieses Sports regte mich zu einem Eifer am!, der fast Begeisterung war und ich lernte in kurzer Zeit bergauf und -ab steile Hänge überwinden. Beim Bergauffahren überwiegt die Kraft- anwendung raft- anwendung den Vorteil, während das Abfahren lediglich Courage und Ubung ist. ich benutze den Stock in letzter Zeit nur noch zu „Stabübungen" un- ter der Fahrt und konnte ohne Unfall über steile Flächen sechs- bis acht- jährige Buben Fluekepack nehmen. Der schneereiche Winter im Gebirg kam mir besonders zu statten, denn der Wahlspruch der Skiläufer „Je höher der Schnee desto freier die Bahn" gilt besonders für unsere Gegend. Wenn die vielen Zäune, welche die einzelnen Bauerngüter, Alpen etc. abgrenzen, nicht zugeschneit sind, bilden sie that- sächl ich Hindernisse. Das Laufen in der Ebene und auf den kleinen Hügeln bot mir bald zu wenig Abwechslung und so machte ich Versuche in der Bergregion. Das gesamte Gebiet der Kitzbichler Alpen ist ja wie geschaffen dazu, da die Gipfel durchschnittlich nur auf der Nordseite steil abfallen, während nach den anderen Richtun- gen stark geneigte Alpenweiden sind. Nach vielen Touren in der Höhe von 1200-1500 m und manchem we- gen Tauwetters gescheiterten Versuch höher hinaufzukommen, gelang es mir endlich am 15. März 1893 das als Aussichtspunkt weltbekannte Kitzbühe- 1er Horn (1996 m) zu ersteigen. Da ich die Tour erst mittags 12 Uhr begann, war der gefrorene Schnee aufgeweicht und die Furche war glatt und wasser- hell wie eine Eisrinne. Ich hielt ge- nau Wegrichtung und habe auch die steilsten Stellen ohne Serpentinen, oh- ne „Hexenstich" und „Treppenschritt" genommen. Da heißt's natürlich die Körperschwere ganz nach vorn zu le- gen, die Nase berührt fast die Römer der Schuhe; denn gleitet man an stei- ler Stelle nach rückwärts aus, so fällt das „Stand gewinnen" sehr schwer. Uberhaupt ist das Aufstehen nach dem wohl meist gefahrlosen Fallen eine umständliche Prozedur, die auch seine Ubung erfordert. Der Aufstieg nahm zwei und dreiviertel Stunden mcl. klei- ner Rast in Anspruch (Gehzeit im Som- mer 3 Stunden). Die Anstrengung bei ziemlich gleicher Zeitdauer ist ja nun entschieden eine größere, als das Ge- hen auf aperem Wege, aber jeder ge- übtere Bergsteiger, jeder Freund einen sportlichen Kraftanstrengung wird sol- che Tour leicht zu Wege bringen und großen Genuß auch im Aufstieg fin- den. Die Abfahrt null war grandios zu nennen. Die bergauf eine Stunde lange Strecke Horngipfel-Trattalpe fuhr ich in rasendem Saus in drei Minuten, so daß ich noch ein gutes Stück die Hü- gel oberhalb der Alpe hinauffuhr. Die- ser herrliche, alle Kräfte anspornende Genuß ist nun der schwierige Punkt der Ski-Verwendung im Hochgebirge, denn die Abfahrt erfordert unbedingt eine sehr gute Terrainkenntnis. Die Schneefläche trügt; man sieht Ab- gründe, wo sanfte Halden sind und weicht mancher gutfahrbaren Fläche aus, um einme schlechte einzutauschen: die Schnelligkeit ist aber zu groß, um den Fehler gutzumachen. Schneemän- ner zur Abfahrt-Markierung müssen aus dunklem Stoffe sein, um sie wäh- rend der sausenden Fahrt zu erken- nen, die gewöhnlichen waren mir stets nutzlos. Auch fehlt anfangs die Be- rechnung der Auf- und Abfahrt-Diffe- renz. Mir hat oft an ganz bekannten Punkten die Orientierung bei der TFud- fahrt gefehlt. Auf dem Horn war ich dazumal zum 61. Mal; da war ich mei- ner Sache sicher. Trotzdem schien mir aber die lawinenerfüllte ‚Goinger La- ning'-Seite, die gequert werden muß, eine unbekannte Gegend. So genußreich nun eine Abfahrt auf freiem Plan ist, so unerquicklich, wohl auch gefährlich ist dieselbe auf schma- len Waldwegen. Die vielen Krümmun- gen, die Nähe der Bäume bilden fort- währende Hindernisse, obwohl man z. B. in lichten Wäldern Auseichun- gen und Wendungen bald los hat. Ist der Weg gar festgetreten, oder so schmal, daß man die Aufstiegsfurche benützeii muß, so ist die Schnellig- keit sehr groß und in diesem Terrain einfach gefährlich. Nur durch fort- währendes Bremsen oder sich Hinwer- fen weicht man unliebsamen Berüh- rungen oder einem Fall aus. Ich brauchte zur ganzen Abfahrt eine Stun- de; 57 Minuten davon kamen auf die Wald tour, die bei freier Bahn kaum
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