Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 4 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 12. Oktober 1963 zehn Minuten davon in Anspruch neh- men würde. Es ging jedoch alles gut vonstatten und ich habe den Beweis, daß sich viele unserer Gipfel mittels Skiern mit größerem Genuß, als bei den sonst üblichen Winter-Fuß-Touren erreichen lassen. Im Ganzen genommen ist für Berg- touren Februar-März zu spät und ich bedauerte, nicht früher dazugekommen zu sein. Die Kälte ist größer wie im Dezember-Januar, der Aufenthalt auf den Spitzen weniger angenehm und es ist Hartschnee außer den paar Mittags- stunden an sehr schönen Tagen. Der „Hoscht" - wie wir den Hartschnee nennen - ist überhaupt ungeeignet für unseren Sport. Die Schneefläche friert nicht glatt, sondern wellig und bildet kleine Hügelchen, die ein paral- leles Halten der Beine fast unmöglich ma- chen. Man muß bergauf und -ab schon gu- te tJbung haben, um vorwärts zu kom- men; das Fallen ist fast unvermeid- lieb und dabei zerkratzt man sich die Hände. In das Ideal der Schneebahn wird aber die gefrorene Decke ver- wandelt, wenn ein bis zwei Zentimeter leichter Schnee darauffällt. Da kann nian sich auf der sanftesten Halde ein Bild einer laufenden Berglandschaft machen. Mit Hecht wird der Schneeschuh- Sport der Sport aller Sporte genannt. Diese Bedeutung gewinnt derselbe aber erst im Hochgebirge. Das momentane Handeln beim Durcheilen eines un- gleichen Terrains übt die Geistes- gegenwart in hohem Maße und den Genuß des Zurückschauens auf eine in wenigen Augenblicken zurückgelegte riesige Strecke kennt so weder der Reiter noch der Radfahrer. Und nun gar das Springen, die Krone des Schnee- schuhsports, übertrifft jedes ähnliche Gefühl einer guten sportlichen oder turnerischen Leistung. Hier ist es auch wieder der frühe Winter, der dazu günstig ist, da sich später der Schnee zum Bauen der Absprungstelle nicht mehr eignet und die Aufsprungstelle zu hart ist. Bei Touren im Hochgebirge möchte ich nur Gesellschaft empfehlen. Abgesehen von immer möglichen ernst- lichen Unfällen sind schon all die klei- nen Kalamitäten in Gesellschaft ver- gnüglicher als allein. Wer je eine Wintertour im Gebirge unternommen hat, weiß die großartige Erhabenheit der Natur um diese Zeit zu schätzen und in dem Schneeschuh ist uns ein Mittel geboten, mit wenig Anstrengung aber sicher großen Ver- gnügen ein derartiges Unternehmen zu wagen. Wer's einmal versucht, dcii lockt es sicher zur ferneren Wieder- holung.', In drei Minuten vom Gipfel des Kitz- biiheler Horns bis zur Kaiserpromenade zi fahren, mit den damaligen Skiern, und schon im ersten Winter, nachdem Franz Reisch überhaupt sich mit Skiern befaßte, muß eine ungemein waghalsige Fahrt gewesen sein. Franz Reis-eh war ein Hühne von Gestalt, ein geübter Tur- ner und Bergsteiger und von fanatischem Willen beseelt, so schnell wie möglich das Skilaufen zu erlernen. Er brachte es schon in kürzester Zeit zu großer Fertig- keit. Er übte am Anfang allein und als er mit seiner Kunst in die Offentlichkeit trat, von da an sah ihn niemand mehr stürzen. Wie es ihm als erster Skifahrer in Kitzbühel ergangen ist, darüber schreibt Franz fleisch in der Nr. 10 vom 16. März 1894 im bereits angeführten „Der Schnee- schuh": Allerhand vom Schneeschulilaufen „Einen sehr unterhaltenden Theil beim Schneeschuhlaufen bildet der Zu- schauer. Die Neugierde, wie das „Ding" geht, wie die langen „Trümmer" oder „Viecher" zur Fortbewegung dienen können, ist meistens sehr naiv; daß man gar bergauf fahren kann, scheint dem Uneingeweihten ein Ding der Un- möglichkeit. Am originellsten ist na- türlich der Landbewohner; seine höch- sten Ausdrücke des Staunens, wie ‚unsa liabi Frau' und ‚mci Lebtag' werden dem Skiläufer zutheil und seine Ver- wunderung ist manchesmal ein voll- ständiges Perplexscin; während der Städter doch schon schandenhalber in dem vielgenannten Sport etwas orien- tiert sein will. Und doch hat der Bauer bedeutend mehr Idee von der Sache. Einigemal bekam ich schon zu hören: ‚Eigentlich is' nix anders als uns're Hosch'tbreda!' Dieselben sind schindel- artige Bretter, oft genug eben nur Dachschindeln, die als Ersatz für Schneereifen dienen, meistens aber zur Thaifahrt im Spätwinter benützt wer- den, wenn der Bauer auf seiner Alm Winterinspektion hält. Viel Verwendung finden diese ‚Schioiapfen' auch an Holz- schlitten. - Trotzdem bringt man dem Schneeschuh das größte Mißtrauen ent- gegen und Gefallen findet der Bauer nur an einer schneidigen Thalfahrt, na- türlich mit der Angst, daß bei der ‚Dummheit' Hals und Beine gebrochen werden müssen. Auch unsere Forst- warte älteren Kalibers sind absolut keine Freunde der geplanten Einfüh- rung der Schneeschuhe im Forstdienste, und wie ich selbst erfahren mußte, mit vollem Rechte. Bei uns, und ich möchte behaupten, überhaupt im Ge- birge hat das Schneeschuhlaufen nur den Sportswert. Wenn ich das Terrain suchen darf, ja dann nur hinauf auf Zwei- und Dreitausender; gut recog- nosziert und dann frisch gewagt; die Wege der Förster und Jäger aber han- gen nicht von seinem freien Willen ab. - Schon länger hatte ich einem stram- men Forstwarte in dem anderthalb Stunden entfernten Jochiberg verspro- chen, mit ihm eine Probetour zu unter- nehmen. Er mit den runden oberbay- erischen Schneereifen, ich mit Schnee- schuhen. - Auf unseren Schattseit- bergen haben wir noch zirka 60 Zenti- meter tief Schnee, während der Sonn- berg schon viel apere Stellen zeigt und außerdem mancher unserer schönen Skihügel recht profan mit Mist be- deckt wird. So fuhren wir, ein Freund und ich, ‚schattseits' auf äußerst gün- stiger Schneehahn durch Auen und Wiesen nach Jochberg. Unser Schnee- reifenmann, über den wir unbedingt den Sieg davonzutragen hofften, war bald gerüstet und hinauf gings, sei- nem leichten Dienstweg nach, wie er sagte. Die erste halbe Stunde über Wiesen, Wald und steilen Waldblösen, da waren wir entschieden im Vortheil, bald 'kostete uns aber das ‚Umlisten' ei- ner steilen Fläche viel mehr Zeit und gleich darauf war's mit der Benützung der Schneeschuhe aus. Knietief einsin- kend, die ‚Scheiter' unter dem Arm, gings durch den steilen Wald aufwärts und erst in der Höhe von 1300 Metern konnten wir zur Durchquerung eines schluch tenreichen Abhanges dieselben wieder benützen. Doch auch da waren wir wieder im Nachteil. Die untere Schneefläche war gefroren, der Abhang sehr steil, jedes festere Einsetzen führ- te einige Fuß abwärts und das Gewin- nen der jenseitigen Stellen der Ein- senkungen hatte seine liebe Not. Nun bergab im Wald! Nur die Schnee- schuhe schnell wieder unter den Arml Jeder Versuch bedeutet da Selbstmord. - Erst am \Valdesrand, wo sich gegen das Dorf hin tief hinab in schönen Wellenlinien eine Wiese, eine sogenann- te Leite, zieht, kamen wir wieder zur Geltung. In sausender Fahrt überhol- ten wir den voraneilenden Forstmann, der uns staunend nachblickte. Zum größten Ergötzen der sich mittlerweile eingefundenen Zuschauer fuhren wir den Abhang noch zweimal herunter. Der Versuch des Forstmanns mit un- seren Schneeschuhen, die ihn auch nicht den kleinsten Hügel hinaufkommen lie- ßen, rief Staunen über die von uns überwundenen Steilheiten wach; aber die Erkenntnis, daß die Schneereifen in solchem Gebiet bedeutend prakti- scher sind, haben wir mit fortgenom- men. Nächstes Jahr werde ich ihm die canadischen Schneeschuhe vorführen. Noch ein Wort über die Laufstäbe. Der Bambusstock ist ganz zu verwer- fen. Wenn er nur brechen würde, wie einanderer Stock! So bekommt er aber nur Risse, man vergißt im Moment auf seine Unbrauchbarkeit, stützt sich und kommt dadurch viel böser zu Fall wie. sonst. Die von mancher Seite als an- praktisch verworfene Bremsscheibe lei- stet beim Bremsen thatsächuich gute Dienste; bei steilen Flächen, überhaupt im Gebirge ist sie entschieden anzura- then, denn die Fahrgeschwindigkeit läßt sieh mit dem gewöhnlichem Stab nicht annähernd so vermindern." (Fortsetzung folgt!)
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