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Samstag, 19. Oktober 1963 Kitzbüheler Anzeiger Seite 21 Ein „hoher" Jubilar in Kitzbühel In aller Stille wird heuer in Kitzbiihels Mauern ein Jubiläum fällig, das uns allen zu denken geben sollte. Zwar betrifft es nicht einen gern gesehenen Gast aus ei- nem fernen Erdteil, auch nicht einen viel umjubelten Sieger der Piste - es ist nie- mand anderer als der ehrwürdige Hoch- altar unserer Stadtpfarrkirche, der in diesen Wochen auf sein 300jähriges Be- stehen zurückblicken kann. Wie kaum einmal bei einem Kunst- werk sind wir über sein Waci- sen und Werden so genau un- terrichtet wie bei diesem Prunkstück des St.-Andreas- Gotteshauses. Es dürfte darum nicht u1 - interessant sein, wenn wir auf Grund der im Pfarrarchiv vor- handenen Originalquellen dem „hohen Jubilar" einige Gedenk- zeilen widmen. Das Wahrzeichen Kitzbühels, seine imposante Stadtpfarr- kirche wurde in ihrer heutigen Gestalt 1435-1506 erbaut und hatte ursprünglich gewiß, dem gotischen Stil des Gotteshau- ses entsprechende Flügelaltäre. Einzig der Mutter-Anna-Altar, welcher heute die Katharirien- kirche ziert und einst der Altar der Kupferschmied'schen MeB- stiftung war, ist von all dieser Herrlichkeit noch auf uns ge- kommen. Uber Aussehen de alten gotischen Hochaltares fehlt leider jeder Anhalts- punkt. Ob wir die herrliche Madonna, die auf ihrem ver- schämten Platz links vorne im Chorraum viel zu wenig Be- achtung findet, als Mittelfigur dieses ehemaligen gotischen Schreines ansprechen dürfen, bleibe dahingestellt. Ihren Stil- elementen ist sie durchaus dem Kunstschaffen des bayrischen Raumes um 1480 zuzuweisen und würde darum nicht schlecht in die Zeit des Neu- baues passen. Sei dem wie immer - den Kitzbüheler Bürgern des 17. Jahrhunderts entsprach die go- tische Einrichtung ihrer Pfarr- kirche ganz und gar nicht mehr. Das neue Stilempfinden der Renaissance und des frühen Barock, das jenem der Gotik völlig entgegengesetzt war, hatte nämlich den Geschmack dieser Genera- tion geprägt. So bestellten sie 1.660 bei ihrem Mitbürger und Bildhauer Benedikt Faistenberger (1621-1693) einen Al- tar „in der neuen Manier", womit ohne Zweifel gemeint ist, er dürfe nicht die Form eines zusammenklappbaren Flügel- altares haben, sondern er müsse aus ei- nem feststehenden Aufbau, den tragenden Säulen und dem ebäk bestehen, die wie ein mächtiges Portal das Mittelbild umgreifen. Nachdem der Bischo von Chiemsee. Franz Virgil Graf Spaur, zu dessen Kir- ehensprengel Kitzbilel ja damals gehörte, seine Zustimmung gegeben hatte, konnte man an die Arbeit gehe--i. Der Bildhauer aber stand vor einer doppelt schwierigen Aufgabe. Denn eincial war durch den un- seligen Bruderkampf des Dreißigjährigen Krieges, währenddessen jede Kunst nörd- lich der Alpen dariiederlag, die gewach- sene Tradition heimischen Handwc [kes völlig abgerissen. So mußte sich Faisten- berger an jenen Bauten orientieren, die fremde Meister aus dem. Süden „in der neuen Manier" hierzulande errichtet hat- ten. Was aber lag da näher, als daß man seine Blicke in die Haupt- und Residenz- stadt Salzburg va:idte, deren herrlicher Dorn als einziger Neubau in deutschen Landen 1628 - also mitten in den Kriegswirren - eingeweiht werden konn- te. Und tatsächlich zeigt der Hochaltar des Salzburger Domes auf den ersten Blick eine überraschende Ahnlichkeit mit seinem Bruder in Kitzbühel. Die andere Schwierigkeit aber lag in dem schmalen, sehr begrenzten Raum, der ihm zur Verfügung stand. Es galt näm- lich, in den hohen gotischen Chor, der damals natürlich noch sein schönes Netzrippen- gewölbe hatte, einen breiten, ausladenden Barockaltar hin- einzusetzen. Es blieb darum nichts übrig, als das Mittel fenster des Chores zu vermau- ern und den neuen Altar genau zwischen die beiden Seitenfen- ster einzupassen - wahrlich eine nicht leichte Aufgabe, die Faistenherger aber vorzüglich gelösthat. Er verzichtete näm- lich auf die sonst zumeist üb- lichen Seitenfiguren, die so- genannten „Schreinwächter", die im Gegenlicht der Fen- ster gar nicht zur Wirkung gekommen wären, und stellt die beiden seitlichen Säulen- paare als den einzigen Schmuck des Aufbaues in schräger Ab- folge möglichst eng aneinander. Nur so konnte der Meister bei der bestmöglichen Platzaus- nützung diese schönen Propor- tionen erzielen. Sehen wir uns den Jubilar nun näher an. Deutlich glie- dert sich der Hochaltar in drei Teile: Da ist einmal die Sok- keizone mit dem Altartisch und den seitlichen Postamenten, die mit Schnitzereien im sogenann- ten „Knorpelstil" verziert snd. Darauf ruhen dann die vier mächtigen Säulen mit ihrem schweren Gebälk, die ihren be- sonderen Reiz durch die ori- ginelle Oberflächenbehandlung erhalten; ihre Riefelung und nachherige Fassung in Schwarz- Gold verleiht dem ganzen Al- tar ein vornehmes Gepräge. Das alles ist aber nur der Rahmen für das Altarblatt, welches 1661 Johann Spillenberger. Maler aus Kaschau 'in Ungarn geliefert hat. Es zeigt Maria, unsere himmlische Mutter auf den Wolken thronend mit dem göttlichen Kind, das segnend seine Linke dem Beter entgegenhält. Zu Füßen der Himmelskönigin sitzen zwei Apostel: Der Kirchenpatron St. An- dreas, der sein Marterholz, das x-förmige, nach ihm benannte „Andreaskreuz" liebe- voll umfangen hält. Neben ihm St. Ja- kobus d. A., den sein Stab als den viel verehrten Patron aller Kaufleute und Rei- Amatcurphoto: Othmar Krüpl, Kih 1ho1
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