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Samstag, 19. Oktober 1963 Kitzbüheler Anzeiger Seite 3 Hundert Jahre „Skib 00 iirgermeister" Franz Reisch Zum Andenken an den Begründer des Skisports und Pionier des Fremdenverkehrs in Kitzbühel Da es nua selbstverständlich ist, daß ein Mensch, der ohne Lehrer etwas völlig Neues versucht, sich mit dem gering- sten Selbsterlernten wieder weiter hilft, so ist Franz Reisch ohne jeden Zweifel sein eigener Lehrer und Schüler ge- wesen und somit auch der erste Ski- lehrer von Kitzbühel. Einen Winter wohl blieb Franz Reisch mit seinen Skiern al- lein, als es ihm schon gelang, Kitzbüheler Bürgersöhne aus den Reihen des Turn- vereins für den Schneeschuhlsuf zu be- geistern. In diesen Jahren gründete er die Skiriege des Turnvereins. Ein interessantes Lebensbild über Franz Reisch skizzierte unser Lokalhistoriker und Bauerngelehrter Herr Landtagsabge- ordneter 11-ins Filzer. Da dieses Le- bensbild unmittelbar nach dem Tode Franz Reischs gestaltet wurde, wirkt es sehr aufschlußreich. Filzers Veröffentli- chung erschien in einer Jännerausgabe der Volkszeitung des Jahres 1920. Dies.- lautet: iese lautet: Ein Rückblick zum Ableben des Herrn Franz Reisch Kitzbühel. im Jänner 1920 :\nii D:eikönigstagc gegen Abend eilte die Kunde (Iii -,ch unser Städtchen, der Realiläteiibesi tzer Altbiirgcrmeister Herr Reisch sei be. cine: Skiabfahrt tödlich verunglückt. Die genauere FcsstelIung er- gab jedoch, daß kein tödlicher Sturz oder Anprall vorlag, sondern daß ihn während der Fahrt ciii Schlagfluß ei-eilte. Mit Herrn Leisch tritt ein Mann aus dem Leben, der in Kitzbühel gewaltig um- gestaltend wirkte. Die Anerkennung für diese Umgestaltung steht aber seit einen Reihe von Jahren olmals in einer sehr bösen Kritik. Noch ie ha bisher ciii Maiiii in Kitz- bühel eine solche bauliche Umgestaltung in so kurzer Zrit ins Leben gerufen oder gefördert, das ganze Geschäftsleben in ei- ne völlig geänderte Situation hinüber- geführt, sich mit all seinem Können für ein Vorhaben derart eingesetzt. Sicher würde vieles anders daseheii, hätte Herr Reisch nie in unserer Mitte gelebt, aber ebenso sicher wären wir trotzdem in die- ses Fahrwasser gelangt, denn in Kitzbühei drängten die Verhältnisse noch viel mehr als in anderen Ortschaften darauf hin, eine neue Erwerbsquelle ausfindig zu ma- chen. Die Frage ist nur die, ob dieser [Ibergarig ohne die zielbewußte Führung dieses Mannes besser gelungen wäre. Die Existenz dieses Stiidtchens beruhte seit seiner Entstehung im Bergbau. Nie- mals war Kitzbühel ein Handelsplatz, ein wichtiger Verkehrspunkt wie etwa Inns- bruck oder Bozen. Mit ganz elenden Fahr- wegen war es noch im 18. Jahrhundert mit der übrigen Mitwelt verbunden. Den größten Aufstieg erlangte es in der Glanz- zeit des Röhrerbiehl -Bergbaues, um her- nach wieder zu einer vollen Unbedeutend- heit zurückzus i nken. Vergeblich bemühte sich dann ein Dominikanervikar um die Jahre 1730-1742, is zu einem berühm- ten Wallfahrtsort zu erheben. Eine kleine geschäftliche Förderung ergab der in den dreißiger Jahren des abgelaufenen Jahrhundert,-, durchgeführte Straßenbau über den Paß Thurn und der Bau der Giselabahn in den siebziger Jahren. Ne- benbei versiegte aber der Bergbau immer mehr und mit den neunziger Jahren kam dessen gänzliche Einstellung bereits in Sieht. Für Kitzbühel stand nun eine ähn- liche Verdorrung in Aussicht wie für Rat- tenberg, nachdem seibes durch die Süd- bahn seine Verkehrsplatzwichtigkeit voll- ends einbüßte. Das einzige, was für Kitz- bühel als Stadtexistenz noch verblieb, war seine schöne Umgebung, die eine Aussieht für einen sommerlichen Kurort ergab und die reichlichen Schneefälle im Winter zu einem Skisportplatz. Um diese Naturgeschenke zu verwerten, kam es aber nun darauf an, daß sich ein Mann fände, der es wagte, die Führung zu dieser Verwertung zu übernehmen. In dieser Verfassung lag Kitzbühel da, als Herr Reisch nach dem frühzeitigen Tod seines Bruders dessen Konditorei- und Kaffeegeschäft übernahm, das aber noch ganz in der Primitivität der alten Kitz- büheler Geschäftshäuser dastand. Er war damals noch ein junger Mann, von einem fortschrittlichen Feuergeist beseelt, der zu großen Hoffnungen berechtigte. In voll- ster Begeisterung war er für die Natur- schönheiten eingenommen. Alle seine Freunde, die mehr mit ihm verkehrten, mußten sein offenes, gerades Wesen und seine Talente anerkennen. Bevor er je- doch daranging, in seinem Geschäft Re- formen durchzuführen, wendete er seine Betriebsergebnisse zu einer größeren Aus- bildung auf, machte verschiedene Rund- reisen, endlich eine Orientreise nach Da- maskus, Jerusalem, Ägypten; ein nächstes Jahr führte ihn zur Weltausstellung nach Chicago, ein weiteres nach Norwegen und Spitzbergen. Am Nil und in Amerika lernte er große Hotelbetriebe kennen, in Norwegen sah er die Ver- wendung des Ski, dort weniger als Sport- gerät, vielmehr als notwendiges Verkehrs- mittel in den nordischen Schneeregionen gebräuchlich. Von aller Welt brachte er Bilder, Illustrationen und Bücher mit,. sammelte bald eine einzigartige Biblio- thek für Touristik, Verkehrswesen und Sport in seinem Heim an. NurM trat er in Unternehmungen ein, dic gleich einen Zug ins Große trugen, obwohl er durchaus kein Krösus war. Sein erstes Beginnen war der Ankauf des Alphauses am Kitzbüheler Horn, daranschließend der Kauf der anliegenden Alm, sodann der Bau eines Gipfelhotels auf diesem weit- bekannten Aussichtspunkt. Unter einem die Erstellung einer Fahr- und Reitweg- anlage von Kitzbühel aus bis zum Hotel. Was sich aber nicht einstellte, das war der erwartete Zustrom von Besuchern, der weit hinter den Erwartungen zurückblieb. Um eine Erfahrung reicher, sah nur- Herr ur Herr Reisch ein, daß die wenigsten Som- mergäste sich mit Naturschönheiten allein begnügten, sondern daß es ihnen viel- mehr um leiblichen Genuß und Komforl 1. Fortsetzung. Entgegen allen anders vorgebrachten Publikationen und Erzählungen übte Franz Reisch auf den verschneiten Hängen Kitz- büheis ganz allein. Seine ersten Skier ii ließ er sich aus Norwegen kommen. Diese hatten die respektable Länge von 2.30 Meter. Die Bindung war einfach: durch ein Stemmloch in der Mitte der Bretter lief ein Riemen, der über die Zehen führte und dort eine Breite von etwa vier Zentimeter aufwies. An der Seite dieses Riemens waren zwei Schlitze, durch die ein mit Leder eingefaßtes Meerrohr durchges,techt war, und das rund um den Schuh langte und vorne zu einer Spitze auslief. Die Spitze, welche einen mit meh- reren Löchern versehenen Riemen hatte, ermöglichte dann durch Vor- ind Rück- wärtsschnallen die Größe eirigermaßen einstellen zu können. Ähnliche Skier ver- wahrt das Kitzbüheler Heimatmuseum. tJber den ersten Schneesch-ihlauf von Franz fleisch and über seine erste Besteigung des Kitzbüheler Horns mit Skiern, bzw. der Abfahrt, gibt es zwei Mitteilungen an seinen Freund und auch ersten Schü- ler Josef Herold, die historischen Cha 11 - rakter gewonnen haben. „Wenn du mich skiern sehen willst, so komm heute auf die Hinterbräuleiten", lautet die e:ne, als er den ersten Ver- such machte und „Heute besteig e ich das Horn. Sollte ich bis 4 Uhr nicht zurück sein, so weifU Du, wo ich zu suchen bin", die zweite nnd mit den letzten Worten beweisend, daß hier ein Bergsteiger von echtem Schrot und Korn mit der rich- tigen Fürsorge ans Werk ging.
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