Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 4 - - Kitziike1er Anzeiger Samstag, 19. Oktober 1963 zu tun war. Und in dieser Beziehung bot Kitzbühel nur sehr wenig. Fehlte es doch an freien, luftigen Wohnungen, an geräu- migen Speisesälen, Unterhaltungsmöglich- keiten, naheliegende Parks, kurzum an al- lem, auf was die moderne Welt Anspruch erhebt. Um diese Mängel etwas zu beheben, befaßte sieh Herr Reisch mit der Errich- tung eines Grandhotels. Er gründete einen Hotelverein, dem eine ziemliche An- zahl Kitzbüheler Bürger als Mitglieder bei- traten. Er selbst wurde zum Obmann ge- wählt und als Erfolg seiner nie rasten- den Energie erstand nach zwei Jahren ein stattlicher Bau, das Grandhotel Kitz- hilhel, in Mitte einer neu angelegten Parkanlage. Doch nun erst begannen für diesen Verein die größten Schwierigkei- ten. Die Bewirtschaftung desselben allein für die kurze Sommerzeit erwies sieh zur Erzielung einer Rentabilität als gänzlich ungenügend. Mit vieler Mühe gelang es Herrn Reisch nach ein paar weiteren Jah- ren für dieses Hotel auch eine Winter- saison zu eröffnen, wobei er mit einer weitreichenden Reklame den Skisport ins Leben zu rufen hatte. Da gab es für den geplagten Reisch bald große Verdrießlichkeiten. Er trat aus :1er Hotelgesellschaft aus. Aber einmal ganz im Banne des Unternehmungsgeistes ebend, stellten sieh ihm bald neue Pläne ein. Nacheinander kaufte er zwei Nach- 3arhäuser an, ließ dieselben abtragen und erbaute auf diesem Platz anschließend an sein ererbtes Caf ein stattliches, moder- nes Hotel. Inzwischen wurde die Hinter- bräu-Realität feilgeboten, wo in Erman- gelung anderer, gut bietender Käufer ebenfalls wieder Herr Reisch als Ersteher eintrat. Da stellten sich gleich notwendige Umbauten in der Brauerei ein, so die Errichtung eines eigenen Elektrizitätswer- kes, um dem vielen eigenen Lichtbedarf und der Krafterfordernis einer Kühlanlage zu genügen, weiters anschließend der Zu- bau eines Speisesaales und in Verbindung damit ein eigenes Sporthotel. Nebstbei be- sorgte er durch viele Jahre das Bürger- meisteramt, wo es gar manchen Kampf gegen seine Unternehmungen gab. Um dem Seebad am Schwarzsee einen zu erhoffenden Aufschwung zu geben, kaufte er sodann mit einem Kompagnon das Seebühelanwesen zu einem sehr hohen Kaufpreis an, wo sich gleichfalls die Not- wendigkeit eines neuen Restaurationshaues crgab, nebst vielen Restaurierungen und Erweiterungen bei den Badehütten. Auch dies letztgenannte Unternehmen war vor- läufig von keiner Rentabilität begleitet, da sich gleich ein paar recht wetter- ungünstige Sommer einstellten, worauf Ler Verkauf dieses Objektes mit schwe- rem Verlust erfolgte. Um den Sommer- gästen auch bei schlechtem Wetter Cm Bad mit dem Moorwasser des Schwarz- sees zu ermöglichen, ging er mit der Idee schwanger, ganz nahe am Weichbild der Stadt eine Badeanstalt zu errichten und in dieselbe das benannte Wasser mittels einer Röhrenleitung und einem Pumpwerk von dem gut eine Viertelstunde entfernten See einzuleiten. Dieses Unternehmen wur- de dann in Regie für die Stadtgemeinde durchgeführt, da es die meisten Ge- meindeväter für besser erachteten, keinen Privatbetrieb aufkommen zu lassen. Die- se Anlage kostete ein ziemlich schweres Geld, nebstbei wurden auch wieder Um- bauten und Neuanlagen beim Elektrizi- tätswerk nötig, um dem sieh stets meh- renden Licht- und Kraftbedarf zu genü- gen. Eine starke Verschuldung der Ge- meinde schritt einher. Einen vollständigen finanziellen Schiffbruch ergab die Bade- anstalt, die, während der Kriegszeit zu militärischen Zwecken benützt, derzeil sehr verludert dasteht und kaum mehr der ursprünglichen Bestimmung zugeführt werden kann. Gerade dieser letzte Miß- erfolg führte am meisten zum Rücktritt des Herrn Reisch von der Bürgermeister- stelle und warf ihm noch bis zum heu- tigen Tage seine bösen Wellen nach. Der Krieg führte sodann den Eingang seiner Brauerei herbei, wie ihm auch das Sport- hotel durch die Benützung zu Lazarett- zwecken vielfach Schaden brachte und die Horn-Restauration gleichfalls gesperrt werden mußte. Alle diese ungeheuren Mühen und Ver- drießlichkeiten nagten in den letzten Jah- ren stark an dem unverwüstlich schei- nenden Manne. Wäre er nicht mit einer gewaltigen Energie ausgestattet gewesen, so würde sein seelischer und körperlicher Zusammenbruch längst schon erfolgt sein. Nun hat er ausgekämpft und ausgerun- gen, der Tod übereilte ihn, wie er es im- mer wünschte, und die Erde sei ihm leicht. Seinen Kindern möchte es gegönnt sein, daß in nicht zu fernen Tagen allgemein ein mildes Urteil über ihn abgegeben wer- de und daß seine Schöpfungen zur all- gemeinen Wohlfahrt gedeihen. Meinen Parteigenossen, die ihm mit- unter auch wegen seiner alldeutschen Allüren gram waren, möchte ich sa- gen: Wer nichts unternimmt, mag leicht der gute Mann sein, im Zahnrad unse- res wirtschaftlichen Lebens verbleibt er aber eine Null ohne jede Bedeutung und nur im Kopfe des Toren ist der ein Mann, dessen Schaffen stets mit Erfolg gekrönt ist." Wahrlich ein „wackeres" Wort dieses Kitzbüheler Sozialisten. Daß er in sei- nem Rückblick über Franz Reisch kein Wort über den Skisport fand lag in der Natur des Verfassers, der die ganze Zeit seines Lebens keine Bindung zum Sport fand. „Schaut's, iaz is da Reisch narrisch wor'n" „Es wird sich niemand wundern", schrieb Ing. Peter Aufschnaiter aus Kitz- bühel (heute Nepal) 1925 im „Alpen- freund", „daß die ersten Schneelaufver- suche von Franz Reisch die Bevölkerung Kitzbühel merkwürdig anmuteten und in Aufregung versetzten. Ein Eingehorener, stieß sogar, um seinem Entsetzen Luft zu machen, beim Anblick dieses ersten Skiläufers die halb mitleidigen, halb schadenfrohen Worte aus: ‚Schaut's, iaz is da Reisch ganz narrisch wor'n.'" Die Fahrten allerdings, die Reisch da- mals ausführte und zu denen er bald Anhänger warb, scheinen sich in arg un- geschlachten Formen abgewickelt zu ha- ben, denn damals kannte man noch keine Schwünge und keine Bögen. Manche Fahr- ten sind aber ob ihrer Tollheit und un- wahrscheinlichem Wagemut geradezu ge- schichtlich geworden; so würde heute auch der beste Ski- läufer nicht mehr wagen, eine Schuß- fahrt vom „Tör!" am Eingang zur Trattaim hinunter durch das steile Lär- chengehölz bis zum Walddurchlaß vor der Pletzeralm auszuführen. Etliche Jahre hindurch genoß das klei- ne Häuflein Kitzbüheler Skifahrer um Franz Reisch auf ihren Winterbergfahr- ten die ungetrübte Reinheit jungfräuli- eher Schneeflächen. Es wäre aber gänz- lich falsch, sich der Auffassung hinzuge- ben, wie es hin und wieder geschehen ist, daß es sich bei diesen Skifahrten um zaghafte Versuche mit unzureichenden Geräten gehandelt hätte. Besonders in sei- ner „Urzeit" erforderte das Skifahren viel Mut, Kraft und Geschicklichkeit und alle jene Männer, welche sich diesem Sport damals verschrieben hatten, waren im Be- sitz dieser Eigenschaften und Kenntnisse Ihr Ziel war die Suche nach touristischen Freuden und der Genuß der Bergesschön- hit im Winter. Schon um die Jahrhun- dertwende hatte Franz Reisch mit seinen „Jüngern" bereits die meisten Gipfel der Kitzbüheler Berge erstiegen und die Ski- abfahrten erkundet. Bald war eine Anzahl gut ausgebildeter Skiläufer in Kitzbühel, welche den eng- lischen Gästen auf Schloß Lehenberg, der ersten Winter-Pension in Kitzbühel, Ski- unterricht erteilten und zwar noch vor der Jahrhundertwende. Die ersten Winter- sportgäste, welche nach Kitzbühel kamen und schon etwas vom Skilauf verstanden, waren die Herren des akademischen Ski- clubs in München; alle anderen sahen zum erstenmal in Kitzbühel wie man ski- läuft! 1895 schrieb einer der englischen Wintergäste in der „Times": „Ich glaube in Ihrem Blatt eine Erwähnung von Kitz- bühel in Oslerreicit-Tirol als Sommer- aufenthalt gefunden zu haben. Aber ich glaube, Sie dürften über seine winterli- chen Vorzüge nicht unterrichtet sein. Ich komme soeben von einem zweiten Besuch zurück, den ich in Mrs. Allen Chateau- Pension (Schloß Lebenherg) zugebracht habe und fand das Klima wundervoll frisch, sonnig und vollkommen windstill. Das Eislaufen und Schneeschuhlaufen ist außerordentlich. Man kann auch prachtvolle Ausflüge mit Schlitten ma- chen und ich bin überzeugt, wenn der Ort bekannt würde, würde er von Be- suchern überschwemmt." (Fortsetzung folgt)
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