Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 4 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 19. Dezember 1964 kein. in den Bezirken Lienz und Kuf- stein wurden diese Verhandlungen be- reits durchgeführt. In Lienz wurde vorn 20. bis 22. Oktober 1964 verhandelt und in Kufstein vom 23. bis 24. November. In beiden Bezirken wurde ein grundsätz- liches Einvernehmen erzielt. Vom Stand- punkt des öffentlichen Interesses, in was- serrechtlicher wie auch in gewerberecht- lieber Beziehung galt in diesen Bezirken die Trassenführung als vertretbar. Das öffentliche Interesse bezieht sieh insbeson- dere auf den Schutz des Wassers, 2. den. Schutz der Baugebiete, der Straßen, der Wege und der Landwirtschaft. Es werden Rohre im Durchmesser von einem Meter unterirdisch verlegt und zwar in einer Tiefe, daß ein Meter Schüt- tung die Rohre abdecken können. Der gesamte Ditransport im Endausbau beträgt jährlich 40 Millionen Tonnen. Die bis- herige Planung wurde von der amerikani- schen Baufirma Bcchtl, Filiale München, durchgeführt. Im Bezirk Kitzbühel ist folgende Trasse geplant: Paß Thurn - rechts des Tales nach Jochberg und Aurach; in Aurach Querung der Kitzbüheler Ache und der Paß-Thurn-Straße; dann südwestlich an Kitzbühel (Flahnenkammsei te) vorbei, knapp am Schwarzsee nach Gundhabing und von dort über den Reither Talboden über den Astberg nach Going. Beim Blattl- hof verläßt die Leitung das Gebiet des politischen Bezirkes Kitzbühel. Für die TAL sprachen in technischen Belangen Herr Dr. Tide und in rechtlichen Belangen Herr Dr. Schallhart. Dr. Tide begründete die Trassenführung in geolo- gischer und geophysikalischer, insbeson- dere aber auch in wi stimmend aus, daß die Abstrafung des Ehebruchs von jeher dem Bürgermeister und dem Rat der Stadt und nicht dem Stadt- und Landrichter zustehe. Noch näher Bescheid bekommen wir durch zwei Urteile der Regierung in Inns- bruck vom 15. August 1595 und 30. März 1607, in denen entschieden wurde, daß die „Abstrafung der Frevel", darunter sind die leichteren Vergehen zu verstehen, „so die Bürger inner und außer des Burg- friedens in der Herrschaft Kitzbühel be- gehen, samt des Ehebruchs, so zum ersten und andernmal (einmal und zweimal) be- schicht (geschieht)" dem Bürgermeister, dem Rat und der Gemeinde allein zustehe und daß der Stadt- und Landrichter nur für die „Malefiz- und Rechtssachen", d. s. die schweren Kriminalverbrechen und schwereren Zivilsachen, zuständig ist. Wenn also z. B. ein Bürger einem an- deren Bürger eine Henne gestohlen hat, dann wurde er von der Stadtgemeinde ab- geurteilt. Wenn er aber einen schweren Diebstahl oder gar einen Einbruch be- gangen hat, war dafür der Stadt- und Landrichter zuständig. Oder: Ein Bürger beging Ehebruch, da mußte er sich vor dem Stadtrat verant- sicht. Jede andere Trasse würde zusätz- liche wirtschaftliche Schwierigkeiten mit sich bringen. Der Kitzbüheler Talboden, ab Paß Thurn, hat sich direkt ang'ebo- teil und es bestünde auch keine Möglich- keit, diesen Talboden zu verlassen. Nun wurden vom Vorsitzenden der Ver- handlung die einzelnen Gemeindevertreter zur Abgabe der Stellungnahme gebeten. Aurach, Bürgermeister Josef Aufschnai- ter: „Die Gemeinde Aurach muß gegen die jetzige Trassenführung Einspruch er- heben, da die (Jlieitung direkt über die gerade fertiggestellte Trinkwasserversor- gungsanlage führt." Kitzbühel, Bürgermeister Hermann Reisch: „Der Stadtrat hat in seiner Sit- zung vom 25. November 1964 einstimmig folgende Entschließung gefaßt: worten. Dasselbe war auch der Fall, wenn er diese Tat ein zweitesmal begangen hat. Beging er aber ein dritte:smal Ehebruch, mußte die Abstrafung bereits durch den Stadt- und Landrichter erfolgen. Aus dcii obigen Urteilen der Regierung zu Innsbruck erfahren wir auch, daß Hausdurchsuchungen bei verdächtigen Per- sonen nur mit Wissen des Bürgermeisters vorgenommen werden durften. Ob dieser auch anwesend sein mußte bei der Haus- durchsuchung, läßt sich aus der diesbezüg- lichen Textstelle nicht beurteilen. Die Textstelle lautet nämlich: „Lestlich die besuechung der heuser wegen verdechtiger personen betreffent ist noch ferners zu recht erkhant, das sollich in der statt Kützpühel ieder zeit mit vor- wissen dessen selbiger zeit wesenden bur- germaisters bescheen und fürgeen solle." Auf dem Gebiet der freiwilligen Ge- richtsbarkeit stand der Gemeinde die Ver- lassenschaftsabhandlungen und die Besie- gelung der Briefe der nicht siegelmäßigen Personen zu. So mancher Leser wird nun neugierig sein, wie sich so ein Gerichtsverfahren bei der Stadtgemeinde abgewickelt haben wird. Aus verschiedenen urkundlichen Zeugnis- droht dieses Projekt auch die wirt- schaftliche Basis Kitzbühels als einen der ältesteii und international bekannten Kurorte Osterreichs. Dem stehen nicht die geringsten Vor- teile gegenüber. Die Zulassung einer Ulleitung würde eine Selbstaufopferung Kitzbühels be- deuten. Dieses Opfer könnte durch gar nichts gerechtfertigt werden, weil es unnötig ist, denn die Ulleitung kann ohne technische Schwierigkeiten Kitz- bühel auf einer Trasse umgehen, die weit weniger gefährdend und dazu noch erheblich kürzer ist." Jochberg, Bürgermeister Hans Neupe r: „Die öffentlichen Interessen werden nicht so einschneidend berührt, daß ein Ein- spruch gerechtfertigt wäre. Von der TAL wurde zugesichert, daß alle Erschwer- nisse, welche mit der Verlegung der 01- leitung entstehen, abgegolten werden." Reithi, Bürgermeister Hans Jöchl: „Auch die Gemeinde Ileith befindet sich in Sorge, 01) genügend Schutz der Wasserversor- gung gegeben ist. In dieser Beziehung werden Bedenken angemeldet." Going, Bürgermeister Johann Schipf- unger: „Mit Ausnahme einer geringfügi- gen Trassenverlegung sowie der Genehmi- gung der Anlage eines Güterweges auf der vorgesehenen Trasse wird kein Ein- wand erhoben." Die Sachverstündigen-Gutachtti: Hofrat Dr. Piegger. Vorstand der Abt. VIel: „011eitungen dürfen nach den be- stehenden \Vasserschutzgesetzen nicht durch Wasserschutzgebiete verlegt wer- den.." sen geht hervor, daß, wenn es sich um eine Zivilrechtssache oder um ein leichtes Vergehen handelte, die zwei Bürger betrafen, beide Streitteile vorgeladen worden sind, wo der eine seine Be- schuldigung und der andere seine Verant- wortung vortragen mußte. Dann wurde versucht, den Streitfall zunächst einmal auf gütlichem Wege zu bereinigen. War dies nicht möglich, dann erst wurde ein Spruch, ein Urteil, gefällt. Ein Beispiel: Ein Bürger lieh einem an- deren Bürger Geld mit einem bestimmten Rückzahlungstermin, der aber dann nicht vom Schuldner eingehalten wurde. Der Gläubiger ging darauf zur Stadtgemeinde, um die Schuld einzuklagen. Daraufhin wurden Gläubiger wie Schuldner geladen. Jeder mußte Rede und Antwort stehen, worauf je nach der Sachlage eine gütliche Beilegung unter den Streitteilen empfoh- len wurde. Weigerte sich aber der Schuld- ner die Schuld anzuerkennen und deren Rückzahlung in einer festgesetzten Zeit zu leisten, dann konnte die Stadt eine Pfän- dung der Schuld nach einer angemessenen Frist in die Wege leiten. Bei Vergehen gegen die verschiedenen Stadtordnungen gab es klarerweise kein „Dic Gemeindevertretung der Stadt Kitzbühel hat seit mehreren Monaten die Probleme und Aspekte, die sieh in Zusammenhang mit einer Ulleitung er- geben, studiert und überlegt. Auf Grund der gewonnenen Ergeb- nisse sieht sieh die Stadtgemeinde Kitz- bühel mi Sinne eines einstimmig ge- faßten Gemeinderatsbeschlusses ver- anlaßt, die Verlegung der geplanten Transalpine-Pipeline durch ihr Ge- meindegebiet abzulehnen and im öffent- lichen Interesse für unzulässig zu er- klären. Der erste Grund dieser Ablehnung ist, daß durch diese Ulleitung zweifel- los die Wasserversorgung Kitzbühel und damit eine der Lebensgrundlagen der in unserer Stadt lebenden Bevölkerung ge- fährdet ist. rtschaftlicher Hin- 1 Damit und darüber hinaus aber he- Oberregierungsrat Dr. Franz Rohr-
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