Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 10 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 10. April 1965 Johann KARL, St. Johann » Lebenserinnerungen Geboren 1872 - gestorben 1947 Mein Vater Johann Karl, geboren 1821 in Kufstein, dann wohnhaft in St. Johann in Tirol, war Postexpeditor oder Post- meister, wie es damals hieß. 1844 wurde er in Agram zum Militär gepreßt. Er war von Beruf Sattler, welches Gewerbe er in St. Johann erlernte. Nach Agram kam er auf seiner Wanderschaft. Wegen seines Handwerks kam er zu dem ‚Graf- Hartegg-Kürraissier-Reiter-Regiment'. Mein Vater diente in der Folge in vielen ungarischen Garnisonen. Während der Revolution 1848 marschierte sein Regi- ment Seite an Seite mit den Russen, welche von der österreichischen Regierung zur Niederwerfung der Revolution zu Hilfe gerufen wurden. Nach achtjähriger Militärdienstzeit trat er zur berittenen Gendarmerie über, war zeitweilig in Semlin und die letzten Jahre in Kolin in Böhmen tätig. Er erzählte uns Kindern öfter, daß er in der Gegend von Szegedin mehrere- male gegen den damals größten Räuber- hauptmann Rorsa Sander eingesetzt wurde, ohne aber Erfolg gehabt zu haben. Er sagte auch von der damaligen Zeit, daß er, solange er in Ungarn weilte, keinen Tropfen Wasser getrunken habe. Uber sein Ansuchen wurde er pensio- niert und erhielt aus dem R'egiments-Fond jährlich 150 Gulden. Nachher ging er nach Kitzbiihel und bewarb sich dort um die Postexpeditorstelle, die er auch zu- gesagt erhielt. Ob Postmeister oder Ex- peditor, das entzieht sieh meiner Kenntnis. Bekannt war mir, daß mein Vater dreimal wöchentlich nach St. Johann reiten bzw. fahren mußte, um die Post abzuholen bzw. solche zur Weiterbeförderung abzugeben. Damals ging die Post ja von Salzburg über Lofer, St. Johann, Elimau nach Inns- bruck. Wielange er diese Stellung ie- hatte, ist mir nicht genau bekannt. In Kitzbühel lernte er meine Mutter, welche heim Tiefenbrunner Köchin war, kennen. Er heiratete, zog nach St. Johann und meine Mutter Ursula Wieser kaufte in St. Johann des Haus Nr.49 beim Obertisch- ler, Speckbacherstraße und machte eine Krämerei auf. Da meine Mutter eine berühmte Köchin war, buk sie auch Konditorwaren und ich infolgedessen als Lehrling für die Konditorei bestimmt wurde, da ich ihren Wunsch, Priester zu werden, ablehnte. Vorher war ich zwei Jahre im Kloster Ficht bei Schwaz, Bene- diktinerordensschule, als Zögling. Mein Vater erhielt als längerdienender Soldat von der Regierung die Stelle Lotto- kollektur zuerkannt, welche nach damaliger Zeit 500 bis 600 Gulden abwarf. Lotto- kollektor war er bis 1896 in St. Johann. Obwohl mein Vater den Wein nicht ver- achtete, war er doch kein Säufer, in seinem Dorfe und bei Bekannten ob seines langen Schnurrbartes wohlgelitten. Diesen Schnurr- bart konnte er hinter dem Kopf zusam- menbinden, das war eine Tradition vom Kürrassier - Regiment. Mein Vater starb 1899 an seinem Namenstage, 27. Jänner. Meine Mutter trug sich weiter mit dem Gedanken, ich müsse außer der Konditorei noch den Kaufmannsberuf erlernen und so mußte ich zum Kaufmann Franz Azwanger nach Rattenberg in die Lehre ziehen. Dieses Geschäft war damals 1894 das größte Kaufmannsgeschäft im Unterinntal; dem Geschäft war auch ein Tabakhaupt- verlag und eine Lottokoliektur, wie bei meinem Vater, angeschlossen. Wohlgerü- stet konnte ich daher nach dem Tode meines Vaters 1900 das Geschäft über- nehmen. Ich heiratete eine Neuhausbauerntochter von Oberndorf, Maria Hauser; ihr Vater war Prostbauer in Jochberg; meine Frau war ein Jahr alt, als ihre Mutter den Neuhausbauern Gottlieb Landmann hei- ratete. ei- ratete. Meine Nachbarn und meine Ver- wandten stellten mir die Prognose, ich sei ein aufgeweckter Bursche. 1909 kaufte ich von Georg Muhr in Oberndorf das große Hubergut mit 78 Kühen und drei Almen um den Preis von 154.000 Kronen. Der Ver- käufer kaufte mir den Großteil des \iehe:s um 30.000 Kronen zurück, wenn ich ihm die Lachtalaim über dem Sommer lasse. Wir kamen auf folgende Weise zu einem Handel: da ich kein Bauer bin, mußte er mir für die sommerliche Uberlassung der Alpe und des Pletzergutes in Fieberbrunn das Oberndorfer Hubergut mit seinen Leuten einarbeiten und ab Kirchtag den Sommernutzen übergeben. Der Alpnutzen gehört ihm. Weiters sagte ich zu meinem Schwager Neuhausbauern, er kriegt von mir 30 0/0 des Verdienstes von dem Hubergut nur dafür, daß er Aug und Ohr gehörig. aufmachen muß, ohne für etwas zu haften oder Geld vorzustrecken, das er überhaupt nicht hatte. Zuerst konnte er meinen An- trag nicht fassen, so unerwartet und kurios kam ihm dieser vor. Nachdem er diese Sache beschlafen, kam er in der Früh zu mir und meinte, ob mir wirklich ernst sei mit dem Anbot, nichts zu zahlen und nichts zu verbürgen, so wäre er bereit, sein Bestes zu tun. Er erhielt •dann nach Verrechnung und Ubereinkommen einen schönen Besitz an Wald und Feld und war mir ein getreuer Verwalter und Be- rater. Ich kaufte im selben Jahr noch die Wiesenschwanger Mühle und Säge von Johann Dandler in Fieberbrunn, überließ diesen Besitz gegen eine kleine Anerken- nung der Firma Josef Hof inger und Con- sorten, Elektrizitätswerk in St. Johann, dessen Mitteilhaber ich bereits seit meiner Verheiratung war. Unter viel Kopfarbeit und Sorgen usw. gedeiht mein Handel und das Geschäft ging gut vorwärts. Etwas möchte ich er- wähnen, weil es mich freute: Georg Muhr, von dem ich den Besitz kaufte, machte mit seinem Vieh, das er im Herbst von der Ahn abtrieb und verkaufen wollte und mußte, ein schlechtes Geschäft. Ich schenkte ihm daher zirka 36 bis 40 Klafter Heu in der Rem des Hauses, weil er mir auch umsichtig das Gut einarbeitete. Da- durch imponierte ich dem stolzen Huber- bauern und zwar so, daß er seiner Tochter sagte, im Falle, daß ihm etwas zustoßen sollte, was dann auch wirklich eintraf, soll mich seine Tochter als Vormund für seine minderjährigen Kinder fragen. Das war ein schöner Lohn, daß mir, dem klei- nen Konditor der große Huberbauer, der seinen Stolz hatte, ein solches Vertrauen einräumte. Georg Muhr ist auch im selben Jahr durch Schlaganfall bei einem Brande verstorben. Das Huberanwesen war zur damaligen Zeit der größte Besitz im Kitzbüheler und Kufstejnier Kreis. Das- selbe Jahr 1914 kaufte ich auch in Obern- dorf das Schießlinggut. Doch dann kam der Weltkrieg und ich mußte am 1. August einrücken. So schaute ich, daß ich davon los wurde und verkaufte diesen Besitz ohne großen Verdienst an Landmann. Als Unteroffizier rückte ich am 1. August 1914 ein. War gerade noch nicht 42 Jahre alt. Ich kam zum 1. Landes- schützenregiment nach Schwaz und nach: beendeter Rekrutenzeit zum Regiments- stab nach Innsbruck, wohin ich als Schrei- berling versetzt wurde. \Vicder erhielt mein Schwager von dem Handel etwas ab, wenn auch nicht mehr 30 %‚ für sein Auf- passen. Mein Schwager Klaus Fischer, Bärenwirt und meine Nachbarin Frau Klausner meinten, ob ich wohl richtig im Kopf sei, solche FIandelschaften zumachen, ich verstehe ja von all dem nichts, hieß es. Ich mußte also nach Innsbruck ein- rücken und kam von dort zurück nach Kitzbüh'el,um das Notlazarett einzurichten, das Dr. Kecht als Kommandant leitete. Trotzdem traf mich als Feldwebel, der ich wurde, eine Menge Arbeit. Bis zu Pfingsten 1915, als uns Italien den Krieg erklärte, hielt ich in Kitzbühel aus, dann meldete ich mich freiwillig an die Front. Im Wehrgesetz schrieb der §34, daß ein gebildeter Unteroffizier, welcher die vor- geschriebenen Bedingungen aufweist, zum Landessch ützenleutnant designiert werden kann. Ich machte sogleich bei meinem freiwilligen Eintritt das Gesuch an die Landcsverteidigungsbehörde. Am 3. Juli 1915 rückte ich nach In- nichen zum Landsturm-Infanteriebataillon 167 ein. Mittlerweile wurde der §34 ge- ändert und ich mußte für den Landsturm- leutnant wieder als Rekrut anfangen. Ich wurde zur 2. Kompanie unter Landsturm- Oberleutnant Dr. Erlacher zugeteilt, um die Zugskommandanten-Prüfung zu be- stehen, welche eine Forderung für den Rang eines Oberjägers war, und kam dann nach Inriergfell bei Sexten; dann erhielt ich eine Feldwache nach der anderen. Als ich im November zum Kadetten ernannt wurde, lag bei mir der „Marschallstab im Tornister bzw. im Rueksack".Nach weiteren Feldwachen von neun Monaten in den Safugana wurde ich dem Fiauptmann Engl aus Bregenz als Proviantoffiziersgehilfe zugeteilt, wurde zum Fähnrich befördert und für meinen Dienstfleiß mit dem „Goldenen Kreuz am Bande der Tapfer- Fli
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