Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 2 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 10. April 1965 Sportalm Willi Kruetschnigg im Blickpunkt des Internationalen Wollsekretariats Die Modeberaterin Sophie Ruef vom Internationalen Wollsekretariat sandte uns nachstehenden Aufsatz zu, den wir gerne unseren Lesern zur Kenntnis bringen. Die Bedeutung der Kitzbüheler Textilindustrie wird in diesem Bericht einmal mehr unter- strichen. „Ein besonders netter junger Mann emp- fängt uns und wir warten nur ganz kurz, bis uns ein jugendlicher Herr mit leicht ergrauten Schläfen entgegentritt. Seine ge- winnende Art zu sprechen, nimmt uns sofort gefangen. Mit einem Seitenblick stellen wir fest, daß der Modeschöpfer der „Sport-Alm" sich selbst auch bestens kleidet. Er trägt ein Tweedsaeco zu grauer Flaneilhose, tadellos geschnitteii und in Material und Farbe dezent, wie die Er- scheinung Willi Kruetschnigg's überhaupt. Kaum sitzen wir in seinem gemütlichen Büro, in dem die neuen Kataloge und neuen Stricks toffmuster aufliegen, als er schon zu erzählen beginnt: „Ich bin ja eigentlich Südtiroler, aber ich habe mit LX meiner Familie hier in Kitzbühel ein Zu- hause gefunden." Er lehnt sich zurück und sagt ein bißchen nachdenklich: „Wis- sen Sie, wie ich hier begonnen habe?" Wir wissen es nicht und bekommen eine kleine abgegriffene Photographie zu se- hen, die eine winzige Baracke auf dem Platz zeigt, auf dem heute die ganz mo- derne „Sport-Alm-Strickerei" steht. Herr Krue ttschnigg ist sozusagen „erb- lich belastet", denn schon sein Vater und Großvater waren Stricker. Die Nachkriegs- zeit mit all ihren Mangelerscheinungen hat ihn eigentlich erst dazu gebracht, in Kitz mit der Strickerei zu beginnen. Sein Verkaufsladen war der äußere An- laß. Hier gibt es und gab es gleich von Beginn an Skier und Skischuhe zu kaufen und die Nachfrage nach guten Reinwoll- pullovern und Jacken, nach Mützen und Stirnbändern aus Wolle, die zum Ski- laufen nun einmal gehören, wurde immer größer. - Die Modelle, die Willi Kruetschnigg sich wünschte, bekam er nicht. - Was war da näherliegender, als sie eben „selbstzumachen". Seine Frau war von Anfang an mit dabei und seine große Hilfe. Die Kinder studieren zwar alle drei noch, aber einschlägig und be- reiten sich für die Arbeit im väterlichen Betrieb vor. Dieses Zusammenarbeiten ei- ner Familie prägt den ganzen Betrieb, gibt ihm die persönliche Note. Ruhige, sichere Organisation in einem peinlich sauberen Betrieb, der mit modernsten Ma- schinen ausgerüstet ist und auch nach ganz modernen Grundsätzen aufgebaut wurde. „Meine Modelle verlangen geradezu nach erstklassigem Material", meint er lä- chelnd, „und darum bleibe ich bei reiner Schurwolle." Wie kommt es nun zu all den verschiedenen Modellen? - „Sehen Sie", sagt er lächelnd, „in Kitz gibt's immer Inspiration!" „Zuerst einmal sind es unsere Sportler und Rennläufer, die gewisse Sachen brauchen. - Hier diese ‚Toni-Sailer-Zipfelmütze' zum Beispiel, sie heißt nicht nur nach ihm, sie wurde wirk- [,ich für ihn gemacht - und Sie werden ihr draußen immer wieder begegnen. Daß der sportliche Skifahrer etwas andere mo- dische Wünsche hat, als ‚aprs-ski-Ha- scrin', ist ja klar - und darum haben wir mit unserem ‚Austrian-Look' soviel Erfolg auf der ganzen Welt." Wir gehen in den Versandraum und sehen, daß das mit der ganzen Welt auf's Wort stimmt. Hier liegen versandfertige Pakete nach Australien, nach allen euro- päischen Ländern ebenso, wie nach Asien und Südafrika. „Wir hier in Kitz sind nun einmal international eingestellt - und wer immer von der großen Welt zu uns kommt, wird etwas Typisches von hier mitnehmen. Meine klassischen Pull- over haben da nicht mehr ausgereicht und so machen wir jetzt auch Kleider und Kostüme, einfarbig, gemustert oder in vie- len kleinen Karos, die nur mit einer Borte verziert sind, oder mit Silberknöpfen." Ein besonders hübsches Trachtenjäckchen aus rosengemustertem Strickstoff wird zu einem einfärbigen Rock gezeigt. So sind die Kleidungsstücke auf der ganzen Welt tragbar und haben doch einen modischen Effekt, von dem man auf das Ursprungs- land schließen kann. Von dem Erzeugerbetrieb gehen wir dann noch in den Verkaufsladen mitten im Ort Kitzbühel. Dort versteht man sehr schnell, woher die wirklichen Inspirationen kommen. Ein buntes Gemisch von Farben und Kleidern, von Sprachen und Men- schen trifft hier zusammen. Lustige Woll- mützen und Schals, herrliche Pullover vom boyfriend ausgeborgt, trägt hier einsuper- schlankes Mädchen und findet sich „trs chique". Die Amerikanerin dort hat einen Tirolerhut auf den kurzen Locken und sagt „how sweet". Ein smarter Engländer betrachtet sich •eben etwas skeptisch in seinen neuen Knickerbockers. - Mit sicherem Geschmack und dem be- stimmten Blick für's Modische hilft Herr Kruetschnigg hier beim Auswählen und dort bei der Beratung. Er weiß fast si- cher zu sagen, welches Stück von wem ausgewählt wird. Er macht beispielsweise für Amerika allein sechs Kollektionen, für manches andere Land wieder nur ein bestimmtes Modell. Nun, was aber ist das Geheimnis des nun schon so lange währenden Erfolges von Willi Kruetschngg? „Es ist kein Geheimnis", sagt er. „Mei- ne klassischen Pullover und Jacken wer- den immer wieder verlangt. Ich mache keine modischen Extravaganzen, ich lege besonderen Wert auf Stil und Ausferti- gung. Sehen Sie, wie diese Raglanärmel sitzen? Das ist kein modischer Gag, der nur zwei Monate aktuell ist." „Meine Rennläufer brauchen jede Sai- son einige neue Pullover, aber der ‚Lieb- lingspullover', in dem er oder sie ein ganz bestimmtes Rennen gewonnen hat, der sozusagen ein Talisman geworden ist, den muß man oft nach Jahren auch noch tragen können. Und man kann es, ohne unmodern zu sein, mit diesen klas- sischen Modellen." Und was wünscht sich Willi Kruetsch- nigg für die Zukunft? „Es ist nicht mehr modern, jede Saison einen völlig neuen Stil oder eine ganz neue Linie zu brin- gen. Es entwickelt sich eine Kollektion organisch aus der vorhergegangenen. Ich muß immer international denken, denn viele meiner Sachen haben schon Welt- reisen gemacht. Und die junge Sportlerin, die bei unsi ihre Ferien verbringt, will ja mit dem Kleid und dem Pullover aus Osterreich auch noch in ihrer Heimat Freude haben." Es ist spät geworden - die Jugend twistet beim 5-Uhr-Tee, die ältere Ge- neration sitzt beim Nachmittagskaffee - und wir danken Willi Kruetschnigg für die uns geopferte Zeit. Wir gehen hinaus in den klaren Februarabend und obwohl der Vorfrühling schon insgeheim in der tauen Luft zu spüren ist, wissen wir, daß ein neuer Winter mit Sport und Spiel, mit Pullovern und Mützen, mit Stutzen und Jankern seinen Einzug halten wird." Feuernotruf nur für Kitzbühel Tele . Notruf Gendarmerie 133 Rettung (Rotes Kreuz) Te. 144
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