Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 2 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 10. Juli 1965 Der Umbruch im Dorfe Die Bauernkronkenkcsse Pflichtthema für den Redewettbewerb der Osterreichischen Jugendbewegung für den Bezirk Kitzbühel Von Jungbauernobmonn Alois Aufschnaiter, Aurcich Das Dorf, unser liebes Heimatdorf. be- findet sich in einem ständigenWandel, ja man möchte fast sagen in einem Umbruch. Dieser Entwicklungsprozeß darf jedoch nicht ohne unseren Beitrag vor sich ge- hen. Wir sind selber sicher gar nicht daraufgekommeii, weil uns die Vergleichs- möglichkeiten mit früheren Zeiten fehlen; aber fragen wir doch einmal ältere Leute, wie es früher, vor gar nicht allzulanger Zeit noch war, dann erkennen wir es immer deutlicher - und nicht ohne Sorge. Es gibt keine isolierte Dorfsiedlungs- form mehr, es gibt auch keine rein bäuer- liche Dorfgemeinschaft mehr; warum? Das Dorf ist der Welt nicht weniger erschlos- sen als die Großstadt und zwar durch die riesigen Fortschritte, vor allem im Weg- und Straßenbau und dem Motorismus, der eine tägliche Völkerwanderung vom Dorf zum Arbeitsplatz auslöst, sowie eine ge- radezu internationale Völkerwanderung zur Zeit des Massentourismus bzw. der Saison. Das Dorf ist der Welt nicht weniger erschlossen, denn durch Presse, Rundfunk und Fernsehen nimmt der Mensch buch- stäblich mit Aug und Ohr Anteil am Momentangeschehen in der Welt. Die tech- nischen Fortschritte bringen in das ein- fache Bauerndorf von gestern die inter- essantesten Neuheiten. Hatten wir früher solide Hausmusik, haben wir heute die Musikbox. Waren damals hauptsächlich Volkslieder gesungen worden - heute fast nur mehr Schlager; das einfache, solide Gasthaus muß den Restaurants, Cafs 'und Bars weichen usw. Die Veränderungen auf dem Arbeitssektor: Früher noch Dienstboten, heutzutage die allermöglichsten Maschinen; der alte Bote ist längst durch das Telephon ersetzt und der Postwirt, der damals die Pferde wech- selte, ist der Tankstelle gewichen. Der soziale Umbruch im Dorf: Die Be- wohnerschaft ist in politischen Parteien und Bänden organisiert; sie ist von der Wiege bis zum Grabe versichert gegen alle möglichen Eventualitäten, die so im Leben vorkommen können. Nun fragen, wir uns einmal: Was ist bei dieser Situation zu unternehmen? Wider die Strömung schwimmen ist äußerst schwer, mit ihr zu schwimmen, könnte gefährlich sein. Auf keinen Fall aber dürfen wir gedankenlos zusehen und das materiell Beste wahllos herausholen. Was durch den technischen Fortschritt und seine Auswirkungen auf fast allen Gebieten des menschlichen Lebens im Dorfe einen Umbruch herbeigeführt, ist gut und in Ordnung, wenn wir alles richtig gebrauchen, also mit Verstand, Gewissen und Verantwor tungsgefühl das Neue prüfen und einsetzen. Das Wort des Herrn: „Macht euch die Erde untertan!" gilt heute noch genauso bei der Erschaffung der Welt, nur wird es manchmal arg mißbraucht. Der Mensch muß mit gesunder Kritik und gewissen- hafter Arbeit imstande sein und bleiben, alle Ergebnisse des Fortschritts, gleich auch welchem Sektor, richtig zu beurtei- len, anzuwenden, oder auch abzulehnen, was schädlich für die Dorfgemeinschaft sein könnte. Der planmäßige Bau des neuen Dorfes: Man hört heute oft von Plänen, örtlichen Verbauungspläneri, Grundzusammenlegun- gen usw., sowie Bauordnungen zum Schutz des heimatlicher. Dorf- und Landschafts- charakters. Das geistige Dorf des neuen Zeitalters muß natürlich auch nach einer gewissen Ordnung gebaut werden. Der Grundstein des alten Dorfes muß uns je- (loch erhalten bleiben - es ist die Kirche! Sie muß Mitte und Leuchtturm sein, nach ihr müssen wir den neuen Dorfplan zeich- nen und verwirklichen. Was unsere Ahnen uns vorgelebt haben, in ihrem Arbeits- und Geistesleben und in ihren reichen Kultur- und Brauchtums- formen, hat überzeitliche Geltung. Di eventuelle Aufspaltung eines Vereins darf niemals zur Auflösung der ganzen Dorf- gemeinschaft führen. Wir müssen uns immer in Liebe und Gerechtigkeit begegnen, gleich ob Arbeiter, Angestellter oder Bauer, denn schließlich und endlich sind wir alle aufeinander an- gewiesen. Seien wir stets bedacht, unseren Geist zu schulen, unseren Charakter zu formen und vor allem uns den Glauben und die gute Sitte zu bewahren. Vergessen wir es nie: Es gibt ewige Gesetze und Werte, die überzeitlich sind und in jedem wie auch immer gearteten Wandel des Dorfes gelten. Dazu gehört einmal das sittliche Ver- halten, das dich, dein Gehaben und Be- nehmen am meisten beeinflußt. Dann das Gottvertrauen, das dir wie nichts anderes in der Welt über alle Wechselfälle hin- weghilft und nicht zuletzt die Liebe und Treue zur Heimat, die in jedem auch noch so rauhen Herzen wohnt und sich als Heimweh meldet, wenn man fern der Hei- mat ist. Diese unbeschriebenen, und ewigen Ge- setze brauchen keine Novellierung, wie die heutigen Gesetzentwürfe. Sie sind ebenfalls jederzeit in Geltung, mag der Wandel des Dorfes einer Umwälzung gleichkommen. Die Jugend in Dorf soll und muß der Be- wahrer dieser ewig gültigen Gesetze und Werte sein. Wir bauen das sich wandelnde Dorf; unser Leitmotiv muß dabei sein: Mit fe- stem Glauben und ehrlicher Arbeit, sowie mit gesundem Fortschritt wollen wir das Dorf, nämlich unsere Heimat für Leib und Seele bauen. Auf Grund von Untersuchungen bei den Musterungen und bei Reihenuntersuchun- gen ist man auf den Gedanken gekom- men, •eine eigene Pflichtkrankenkasse für die Landwirtschaft zu schaffen, und ich glaube, sie ist den vorliegenden Umstän- den gemäß vollkommen gerechtfertigt. Der „Grüne Bericht", der alljährlich her- ausgegeben wird, ergab, daß keine kosten- deckenden Vers icherungsbe träge aufge- bracht ufge- bracht werden können, daher ist ein Staats- zuschuß in begründeten Fällen von vorn- herein notwendig. Es gibt viele Argumente für und gegen die Bauernkrankenkasse, das wesentlichste muß sein, beizutragen, den Gesundheits- zustand esundheits- zustand der Landbevölkerung wieder zu heben. Dies geschieht dadurch, daß vielen die Scheu vor dem Arztbesuch infolge des Wegfalls der finanziellen Risiken genom- men wird. Daß diese Scheu vorhanden ist, hat sich vielfach bewiesen. Nun zu einigen Punkten des Gesetzes- entwurfes. Die Beiträge werden viertel- jährlich eingehoben, die erste Zahlung soll im Jänner 1966 vorgeschrieben werden. Das Leistungsrecht beginnt am 1. April 1966, zu diesem Zeitpunkt können private Versicherungen unter verkürzter Kündi - gungsfrist gelöst werd'en. Der Personenkreis der neuen Kasse deckt sich im wesent- lichen mit dem der landwirtschaftlichen Zus chußreii tenvers icherung. Alle Bauern sind pflichtversichert. Die einzigen Aus- nahmen sind unselbständig Erwerbstätige und Inhaber von Gewerbebetrieben. Eine ganz wesentliche Neuerung bedeu- tet, daß alle Zuschußrentner ohne Rück- sicht auf das Alter in der Bauernkranken- kasse versichert sind. Die Kinder und Schwiegerkinder eines Bauern sind ab dem 18. Lebensjahr selbständig versichert, wenn sie hauptberuflich im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern oder Großeltern ar- beiten. Eine entscheidende Frage ist die Beitragshöhe. Sie kann sich nur nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Be- triebes richten und wird nach dem Ein- heitswert errechnet. Von ausschlaggebender Bedeutung ist der wesentliche Unterschied zu den ande- ren Kassen: Es ist sicher nicht zu erwar- ten, daß die Bauern nun aus nichtigen Gründen den Arzt konsultieren werden, ist doch die Scheu vor dem Arzt noch gege- ben, aber diesem Zustand wird allein da- durch ein Riegel vorgeschoben, daß 20 Prozent der Kosten selbst aufgebracht wer- den müssen. Zu Debatten innerhalb der Bauern- schaft und zu unsachlichen Angriffen von außerhalb hat die Tatsache geführt, daß der Bund als Starthilfe 30 Millionen Schil- ling geben wird und für die Jahre 1966 und 1967 die Ausfallhaftung in der Höhe übernimmt, in der die Bauern selbst Zah- lungen 'erbringen. Von großen Geschenken ist da keine Rede, wenn man weiß, daß der Staat bei Krankenversicherungen schon mit ganz anderen Beträgen aushelfen
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