Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag. 24. Juli 1965 Kitzbüheler Anzeiger Seite 15 St. Jakob plant Sportplatz für die Jugend in der ersten Sitzung des Gemeinderates set der Neuwahl von Bürgermeister Stein- acher wurde nach der Angelchung der Gemeinderäte eine ausführliche Tagesord- ordnung sehr sachlich erledigt, wo- bei es nur einstimmige Beschlüsse gab. So beschloß der Gemeincerat, sich mit 40 Prozent der Beihilfekosten hei Mietzins- und Annuitätenbelastung von so- zial bedürftigen Familien nach dem Be- schluß des Tiroler Landtages zu betei- ligen. Sobald die neuen Grundteuermeß- bescheide aufliegen, ergehen die neuen und endgültigen Bescheide, wobei die vorläufig gezahlte Grundsteuer dann verrechnet wird. Dies entspricht den Beschlüssen der meisten anderen Gemeinden. Ein Ansuchen des Bezirksobmanns des Zivilinvalidenverbandes wurde mit 200 Die Chronik dieses so denkwürdigen, in- zwischen katastrophal ausgearteten Jahr- iundertwinters, die wir in der vorvorletz- ten Nummer unterbrochen hatten, wollen wir unseren Lesern nicht vorenthalten. Auf den Bergen rings um Kitzbühel länger als neun Monate meterhohe Schneemassen! In den Tälern rings um Kitzbühel schwerste Hochwasser-Schäden! In St. Jchann steht seit Wochen und Monaten das Wasser in den Kellern, ganz ungewohnt für die „Seini-Honser". Das Salzachtal wurde zu einer Seenplatte, jenseits des Hahnetn- kamms, im nur sechs Kilometer entfern- ten Spertental reißt am Montag, 28. Juni (Ije Aschauer Achte eine Alnihütte mit sich, 6 Brücken, Autos, und schneidet \schau von der Umwelt ab! Ganz zu schweigen von dem Riesensee, zu dem das Unterinntal geworden ist. Da kann Kitz- bühel Gott danken, daß es inmitten eines Hexenkessels von Katastrophen unversehrt geblieben ist und seinen Gästen nur An- genehmes zu bieten in der Lage war! Seit Fronleichnam, 17. Juni 1965 herrliches Wetter, August-Temperaturen, 30 bis 40 Grad heißes Heilmoor rings um den, Schwarzsee, Schneebäder noch immer auf Horn und Kamm, hie Ski und Rodel (noch am 24. und 25. beobachtet) -.dort Wasserski, Strand- und Freibad, sowohl wie Bergwanderer durch die jetzt endlich erblühte herrliche Alpenfloral Ja: nicht einmal zu Lawin:rn kam's! Doch zurück zum vorletzten großen Schnee-Einbruch dieses hartnäckigen Win- ters: Und nun der 21. April. Als ich am Mittwochmorgen, 21. April 1965 mich auf den Weg mache, um noch- mals in die Stadt hinab zu fahren, ist es just wie am 8. Oktober 1964: Schneesturm, vollkommen im dichtesten Wolkennebel, Tiefschnee bis zum Bauch stellenweise! Schilling Beihilfe erledigt. Einen weit- tragende.n Crundsatzbeschluß faßte der Gemeinderat über Antrag von Bürgermei- ster Steinacher: Zur Sportausiibung für die Jugend soll ein Sportplatz errichtet werden, wobei daran gedacht ist, einen Platz dafür zu kaufen und einzurichten. Die Fraktion der Sozialistischen Partei hat die Angelegenheit „Vorstandswahl" an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, die in- zwischeii mit den Ermittlungen betraut ist. esuzht das Kitzbüheer Hemtrnuseum Neben der Alfons-Walde-Galerie und dem Franz-Reisch-Gedächtniszimmer se- hen Sie eine große Anzahl von Kunst- gegenständen der alten und neuen Zeit, Werke Kitzbiihe.ler Künstler, Erinnerungs- stücke prominenter Personen und hoch- interessante Gegenstände des „alten Man- nes" aus der prähistorischen Zeit des Bergbaues. Auf Anhieb finde ich zwar dcii „Letzten Baum" -‚ ein Glück daß es dich gibt! — , aber dann kaum mehr das knapp 200 m darunter gelegene Alpenhaus! Ich bin zu weit rechts -‚ da gerate ich in den steilen Graben, das wäre ganz schiach bei dem Schnee. Nach links. Wo jetzt? Zurück die Spur bis zum Baum. Jetzt also mehr links halten. Nur weiter. Kein Alpenhaus. Aber Felsen scheinen durch! Au, da wird's auch wieder steil. Wieder in die Spur zum Baum zurück. Mittendurch. Das Gefühl für die Steilheit des Abhangs geht leider verloren. Nanu, das Alpenhaus müßte doch schon da sein - und rechts wie links von ihm geht's rapid steil abwärts. Nur da nicht hingeraten. Vorsichtig. Ich rufe. Ver- gebens. Ich taste mich weiter. Da reißt es ein bißchen auf -‚ schwarze Konturen wie von einem riesigen Schiff stehen vor mir auf -‚ 20 Meter zum Alpenhaus. Das kann ja heiter werden! Das Seilbahnpersonal fährt heute in Ur- laub. Wer bleibt, ist der Hausherr mit Frau und Kind. Und zwei schwarze Bern- hardiner. Ansonsten biste allein in dieser Arktis. Gefangen in der Hornköpflhütte. Das ging ja noch. Aber als ich den Abend wiederkomme, nachdem es unentwegt „wei- tergeschneibt" hatte, kehre ich nach 20 Meter um. Ich will knapp vor Dämmerung nichts Unvernünftiges riskieren und kein Objekt der Bergrettung werden. Da frage ich lieber vorher; Sepp von der Seilbahn, der Nachtdienst hat, eine Bärennatur an Leib und Seele, ißt bedächtig fertig und sagt nichts. Mal sehen. Er probiert's, er- barmt sieh meiner und stampft und wühlt und boxt sich durch den mehr als meter- hohen, weichen, haltlosen, weißen Schlamm - inmitten der weitertobenden Natur- gewalten. Man weiß kaum, wie man den Fuß weiter und höher ansetzen soll, damit es eine Vorwärtsbewegung ergibt. Man strengt sich über alles gewohnte Maß au und sieht keinen Fortschritt. Man sieht ja garnichts als weiß, gerade noch die Spur des Vordermannes. Und auf einmal: den „Letzten Baum"! Aber zu zweit geht's. Ein Schneepflug ist verschenkt gegen Sepp! Wieviel PS er wohl hat? Mit den Stöcken schlägt und schaufelt er Bahn. Und am Gipfel des Wilden Dörndl haut er sich durch eine zirka drei Meter hohe Wächte - wo heute früh noch nichts Außerge- wöhnliches, Bedenkliches war. (Erleichtert bin ich, als er später gesteht, da wär' auch er schier umgekehrt! Und er sei nach dem Rückweg ganz erschlagen gewesen.) Am 22. April 1965: Keine Außentür geht mehr auf an der Hütte, drei sind bis au und über den Querbalken zugeschneit, eine bis zur Klinke. Gefangen. Die Hälfte der Fenster ist bis oben zugeschneit. So ist es über Nacht in den Räumen bei Tag Nacht geworden -‚ darunter auch in der Küche. Eine schöne Bescherung. Also ab- warten und Tee trinken. An einem der nächsten Tage gelingt es mir, über die Dachrinnen auf die Terrasse zu gelangen und dies ist in vielen folgenden Tagen mein morgendlicher Ausstieg. Der April 1965 hat die größte Schnee- masse des Winters - und vieler 'inter! - gebracht. Man kann ja fast sagen im Mai. Und am Weißen Sonntag lag auch drüben am Hahnenkamm, herunter bis zur Ziel- hütte, der Schnee wadentief. Der Schnee wird nun so hart, daß ich von 7 bis 9 Uh bequem herumgehen kann, ohne ein- zusinken. Auch das ist tröstlich. So wird es sehr heiß. Bis 50 Grad habe ich auf dem Blechdach gemessen. Der erste Kuckuck schlägt von ferne - vom Karstein her? Oder ist's der von St. Jakob oder St. Ulrich? Es apert aus - wirklich? 231ai 1965. Ein kleines Fensterlein wird schneefrei. Am Alpenhaus vorbei sehe ich an die 20 Skispuren. Und die Bahn geht nicht. Der Aufstieg bringt einen ja nicht um. Im Ge- genteil. Ist bloß nicht mehr so modern (wird es wieder - auf Krankenschein; holländische Ärzte verschreiben bereits Radfahren auf grünen Rezeptzetteln, da- mit es auch ernst genommen wird). Im Alpenhaus werde ich sehr gastfreundlich aufgenommen - und bin wieder unter Menschen. Und erfahre vieles über die Berge und die Tierwelt. Ich höre die Mankeis pfeifen und die Schneehühner schwirren. Am 8. Mai. In der Hütte geht's wieder leidlich. Ein unerschütterliches Kleeblatt aus Augsburg und Hamburg hat es sich nicht nehmen lassen, zum Wochenende heraufzustapfen! In drei Stunden! Sie sind klitschnaß -‚ aber bester Laune! Man sieht, welche An- ziehungskraft das Kitzbüheler Horn selbst über tausend Kilometer ausübt. Inzwischen sind auch durchgebrochen: Krokus, kleiner und großer Enzian, vereinzelt Huflattich und Soldanellen. in einer Woche oder höchstens zwei kommen wohl die eidotter- gelben Platenigeln, die „Gamsbleami!" Kitzbühe hat's geschafft — und überwunden! Aus der Chronik des Jahrhundert-Winters 1964/65 - Aufzeichnungen von Kitzbüheler Horn und Hornköpfl-Hütte (1760 m) von Utto Eichhorn 2. Fortsetzung und Schluß
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