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Seite 4 Kitzbüheler Anzeiger - Samstag, 24. Juli 1965 Zehntausende Wohnungen waren zerstört. Die größte Sorge war die drückende Lebensmittelnot. Besonders in den östli- chen Bundesländern gab es bei Kriegsende keinerlei Lebensmittelvorräte. In den er- sten Jahren entwickelte sich ein reger Schleichhandel, in dem Waren zu kaum erschwinglichen Preisen verkauft wurden. Kein Vergleich kann die Not besser zum Ausdruck bringen als ein Vergleich der Staatsbudgets von 1945 mit einem Budget der letzten Jahre: 144 Millionen zu 47,4 Milliarden (1961). Usterreieh mußte aber auch aus eigener Kraft darangehen, die Wirtschaft wieder aufzubauen. Da dem Geld die Kaufkraft fehlte, entschloß sich die Regierung im Jahre 1947 (November) zur Währungsreform: 150 Schilling wur- den im Verhältnis 1 1, darüber hinausge- hende Beträge 1: 3 umgetauscht. Damit konnte der Banknotenumlauf verringert werden. Der wirtschaftliche Aufstieg nach dem Krieg führte zum bescheidenen Wohl- stand aller Bevölkerungskreise. Im Jahre 1945 war unser Land wohl wieder ein selbständiges Staatswesen ge- worden, durch die vierfache Besetzung blieben ihm Freiheit und Unabhängigkeit versagt. Zudem wurden die finanziellen Forderungen der Besatzungsmächte zu 1111- erträglichen Lasten. Usterreich drängte zum Abschluß des Staatsvertrages mit den Alliierten, der die Voraussetzung für den Abzug der fremden Truppen bilden konnte. Im Jänner 1947 begannen in London die Staatsvertragsverhandlungen zwischen den Außenministern der Sieger unter Beizie- hung der Vertreter Osterreichs. Während Osterreich alle Forderungen auf Bezahlung von Kriegsentschädigungen zurückwies, da es während des zweiten Weltkrieges nicht als eigener Staat bestanden hatte, wollte die Sowjetunion vor allem ihre Ansprüche auf das sogenannte „deutsche Eigentum" in Usterreich verankert wissen. Erst im Mai 1949 einigten sich die Alli ierten auf die Anerkennung der Grenzen nach dem Stand vom Jänner 1938. Schon im italie- nischen Friedensvertrag war alle Hoffnung auf eine glückliche Lösung des Südtirol- problems zunichte gemacht worden, die einzige Ausbeute war der von Italien nicht eingehaltene Pariser Vertrag. Als im Febreuar 1955 der russische Außenminister MoIotow die Möglichkeit der Räumung Osterreichs unter der Be- dingung einer Vier-Mächte-Garantie an- deutete, griff Osterreichs Bundeskanzler Ing. Julius Raab zu. Am 11. April 1955 flog er mit Vizekanzler Dr. Schärf und Außenminister Ing. Dr. Figi nach Moskau, um über den Abschluß des Staatsvertrages zu verhandeln. Als in den Abendstunden des 14. April Extrablätter mit der Schlagzeile „Oster- reich ist wieder frei" erschienen, fanden sie nur geringen Absatz, so wenig glaubte man an diesen Satz. Am 15. Mai 1955 unterzeichneten die Außenminister der vier Besatzungsmächte und Osterreichs Außenminister Ing. Dr. Figi im Schloß Belvedere in Wien den Staatsvertrag. Der Jubel über die endlich erreichte Freiheit war unbeschreiblich. Eine unübersehbare Menschenmenge wartete schon seit dem Morgengrauen vor dem Schloß. Um 12 Uhr trat Bundeskanzler Ing. Raab, begleitet von den Außenmini- stern, auf den Balkon des Schlosses von Prinz Engen: An diesem Tag erlebte die Welt, was Friede und Freiheit einem klei- neu, aber geschichtsbewußten Volk be- deuten. Im Vertrag anerkennen die Besatzungs- mächte Usterreich als freien und unab- hängigen Staat und erklären sich zur Ach- tung der Grenzen von 1938 bereit. Als im Oktober 1955 der letzte Soldat das Land verließ, war der letzte Zweifler bekehrt. Dichtgedrängt standen die Menschen beim Dankgottesdienst im Stephansdom, der durch die gemeinsame Leistung aller Usterreicher aus Schutt und Asche wieder erstanden war, und sangen den Lobgesang „Großer Gott, wir loben Dich!" Die Pummerin verkündete über Stadt und Land Friede und Freiheit. Am 15. Dezember 1955 wurde Usterreich in die Vereinten Nationen aufgenommen und trat am 16. April 1956 dem Europa- rat bei. Nach mehr als eineinhalb Jahr- zehnten der Unfreiheit war es wieder zu einem freien und geachteten Staat ge- worden. Unser Vaterland, das 1945 in Not zu versinken drohte, zählt heute zu den wirt- schaftlich und politisch gefestigten Staaten der Welt. Der Wiederaufbau Osterreichs, getragen von der gesamten Bevölkerung, kam allen zugute. Ein kurzer Blick zeigt uns, wieviele Häuser errichtet wurden, wieviel Schulen, Kindergärten, Alters- heime, Kirchen und Kapellen und wirt- schaftliche irt- schaft1iche Unternehmungen aufgebaut wurden. Hotels und Fremdenverkehrs- betriebe wurden erneuert und erweitert oder neu gebaut, die Bergwelt wurde durch Lifte und Gondelbahnen erschlossen. Die Menschen, von denen viele ihr Hab und Gut mehrmals verloren hatten, wurden zu- versichtlich. Die Jugend, die in einem freien und einigen Staat heranwachsen konnte, ist stolz auf dieses ihr Land. Sie ist bereit, ihren Platz einzunehmen und mitzuarbeiten, daß es weiter aufwärts geht in einem glücklichen Usterreich. Die Feibertauernstraße Als Pflichtthema für die Teilnehmer am ersten Bezirksredewettbewerb der österr. Jugendbewegung stand auch das Projekt der Felbertauernstraße zur Aus- wahl, handelt es sich doch bei diesem Projekt um eine bedeutende Frage unserer Volkswirtschaft. Der Kandidat Josef Ober- hauser führte dazu aus: Die Felbertauernstraße liegt ziemlich genau in der Mitte zwischen dem Brenner und dem Radstätter Tauernpaß und hat drei wesentliche Zufahrtsstraßen von Nor- den her: die Unterpinzgauer Straße von Zell am See her, die Oberpinzgauier Straße vom Gerlospaß und dem Zillertal und die Paß-Thurn-Straße aus Kitzbühel—St. Jo- hann mit mehreren Anschlüssen an den süddeutschen Raum. Geschichtlich gesehen ist der Feiber- tauernpaß ein alter Verkehrsweg, der nur durch den Ausbau anderer Projekte in den Hintergrund trat. Die Notwendigkeit des Ausbaues ergab sich auch erst in unse- rem Jahrhundert, da durch die zuneh- mende Verkehrsverdichtung eine weitere Nord—Südverbindung notwendig erschien, eine direkte Verbindung Osttirols, das bis 1918 politisch und wirtschaftlich ein Teil Südtirols war, mit dem Bundesland Tirol erforderlich wurde, und die schlechte Ver- kehrslage der unbedingte Feind jeder wirt- schaftlichen Besserstellung des betroffenen Gebietes war, sodaß Hilfe dringend not tat. Die Geschichte des Kampfes um die Straße ist die Geschichte des Kampfesum den Anschluß Nordtirols an das euro- päische Straßennetz. Ich möchte nun einen kurzen Einblick in das Projekt der im Bau befindlichen Straße geben: Der Alpenkamm wird durch einen 5,2 km langen Scheiteltunnel auf 1600 m Seehöhe durchstoßen. Die Straße beginnt auf 780 m Höhe in Mittersill, am Eingang ins Felbertal wird der Mühlen- bichi in einer Länge von 150 m durch- brochen. Der Nordanstieg ist 17 km lang und steigt ohne jede Kehre maximal 8 Prozent. Die 16km lange Südrampe folgt der bestehenden Tauerntalstraße, auch ihre Steigung beträgt nur 8 Prozent. Das wichtigste Bauwerk ist der Tunnel. Die erste Ausbaustufe entspricht dem der- zeitigen Spitzenverkehr des Brenners, eine zweite Ausbaustufe auf das Doppelte (1000 Personenautos pro Stunde) ist wahrschein- lich. Das schädliche Kohlenoxyd darf in der Tunnelluft nur zu 0,2 Prozent ent- halten sein. Die Frischluft wird durch Ge- bläsestationen, die in den Portalen seitlich angeordnet sind und je vier Gebläse ent- halten, in den über der Fahrbahn befind- lichen Luftkanal eingeblasen. Alle sechs Meter sind seitliche Düsen angeordnet, durch die die Frischluft in den Verkehrs- raum gelangt. Ganz wesentlich ist, daß symmetrisch angeordnete Ausweichen ein- geplant wurden. Null werden Sie fragen, was das alles koste. 377 Millionen der Tunnel 71,7 Millionen die Südrampe und 130,7 Millio- neu die Nordrampe, das ergibt mit ande- rem 600 Millionen Schilling. Die nächste Frage: Wer finanziert die- ses Großprojekt? Ein Drittel des Geldes wird von den Bauherren (der Republik Osterreich, dem Land Tirol und den Ge- meinden) aufgebracht, 400 Millionen müs- sen als Fremdkapital aufgenommen wer- den. Als unbedingte Notwendigkeit ergab dieser Finanzierungsweg die Führung als Mautstraße. Der Baufortschritt ist gut, alle Bauab- schnitte sind vergeben, die Eröffnung wird spätestens im Frühjahr 1967 erfolgen, Kitzbühel hat an der Gründung der Ge- sellschaft großen Anteil, gab es doch auf Nordtiroler Seite den Anstoß und erfolgte
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