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Seite 6 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 31. Juli 1965 Bekenntnis zur Gemeinschaft verlangt tätige Mitarbeit Wahlthema für den Redewettbewerb der österr. Jugendbewegung für den Bezirk Kitzbühel - Die Rede des Bezirkssiegers Florian Unterrainer, Kitzbühel Als ich anläßlich der vergangenen Bun- despräsidentenwahl das erste Mal in der Eigenschaft als österreichischer Jungbür- ger zur Wahlurne schreiten durfte, war ich voll Stolz und Freude, weil ich in einem Staat leben darf, dessen Volk das Recht der freien politischen Entscheidung genießt, in dem Glaubens- und Gewissens- freiheit, das freie Wahlrecht und die Gleichheit aller vor dem Gesetz - um nur einige Beispiele zu nennen - im Besitz eines jeden Staatsbürgers sind. Sollen wir - die Jugend - nun über die vergangenen zwanzig Jahre, besonders über jene Zeit berichten, in der die Frei- heit unseres Landes und alle heute gelten- den Rechte des Staatsbürgers erst erkämpft werden mußten, wissen wir fast nichts aus eigener Erfahrung. Und unser Wissen aus Geschichtsb üch'ern, aus Berichten unserer Eltern und Lehrer, aus Gesprächen mit älteren Freunden und Bekannten reicht nicht aus, um uns ein richtiges Urteil - besonders über die genauen politischen Zusammenhänge - der Jahre kurz nach dein zweiten Weltkrieg bilden können. Der markanteste Punkt dieser zweiten Republik, den wir auch schon selbst in der Schule mitfeiern konnten, ist zweifel- los der 15. Mai 1955, der Tag, an dem Osterreich seinen Staatsvertrag erhielt. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, .daß die- ser bedeutende Sieg, das Ereignis Staats- vertrag, nicht nur im Innern unseres Lan- des, sondern auch in der Weltpolitik sich erfolgreich auswirkt. Es ist der Haupt- grund des Vertrauens der Staatsbürger wie der ausländischen Mächte in unsere Re- gierung. Des Vertrauens auf die Politiker, die trotz zahlloser Rückschläge, Enttäu- schungen und Mißerfolge mit Geduld und zäher Verhandlungstaktik zehn Jahre nach dem Krieg endlich den Staatsvertrag für unser Land erreichen konnten. Dies nicht zuletzt deswegen, weil sie alle welt- anschaulichen Gegensätze in den Hinter- grund stellten und in gemeinsamer Arbeit für ein Ziel kämpften. Wenn wir Jungen einen Blick auf die große Aufbauarbeit werfen, die vor und nach dem Staatsvertrag geleistet wurde, müssen wir vor allem einmal jener Männer und Frauen gedenken, die nach dem furchtbaren Krieg Hunger und Not er- litten, um uns die nötige Nahrung zu ge- hen, die Mühsal und Entsagung auf sich nahmen, um uns wieder ein Dach über dem Kopf zu bauen, ind die noch den Platz des gefangenen Vaters, des toten Bruders einnehmen mußten, um den Bau- ernhof, die 'Werkstätte oder die Fabrik weiterzuführen. Ihre Entschlossenheit ist uns ein Vorbild! Suchen wir unter jenen ein Beispiel, die trotz begrenzter Hilfe mit Idee und Herz - •etwa wie Hermann ‚Gmeiner - Ein- richtungen schufen, die die Not der Ver- waisten lindern halfen und die heute in aller Welt anerkannt und beispielgebend sind. Denken wir daran, wieviele Osterreicher den Flüchtlingen nach dem zweiten Welt- krieg und besonders nach dem Aufstand in Ungarn Hilfe boten und für ihre Be- treuung Sorge trugen. Da ist der beispielgebende Fleiß der Arbeiter, der kühne Schöpfergeist der Ingenieure, die Brücken und ‚neue Ver- kehrswege - allen voran die Europa- brücke oder die im Bau befindliche, teils fertiggestellte Autobahn - entwarfen und bauten und damit noch bessere Verbin- dungen zu den Mitmenschen schufen. Kraftwerke wie Kaprun, Ybbs-P'ersen- beug, Aschach, Kaunertal und viele andere wurden errichtet, um mit dem steigenden Energiebedarf der Wirtschaft Schritt zu halten. Es galt, das gesamte Kulturleben und Schaffen neu aufzubauen, sollte ‚Uster- reich weiterhin jenen Platz unter den ersten Kulturstaaten der Welt einnehmen, dem ihm Musiker, Dichter, Baumeister und Erfinder und viele andere bedeutende Persönlichkeiten aus unserem Volk ge- schaffen hatten. Dieses große Aufbauwerk umfaßt auch die Hebung der Zahl ‚der Arbeitsplätze, des Wohlstandes für alle Teile der Be- völkerung. Sie alle, die ‚an diesem Werk mitarbeiteten, 'zeigten uns, was sich mit Fleiß und Ausdauer erreichen läßt. Der Abschluß des Staatsvertrages öff- nete Osterreich neue Wege und Möglich- keiten, um auf allen Gebieten der Wirt- schaft, 'der Politik und ‚der Kultur mit anderen Ländern in enge, nutzbringende Beziehung zu treten. So wurde Osterreich 1955 in die Ver- einten Nationen aufgenommen und trat anfangs 1956 dem Straßburger Europa- rat bei. Osterreich fand sich mit den Län- der der EFTA zu einer Handelsgemein- schaft zusammen und erwägt heute einen möglichen Beitritt zur Europäischen Wirt- schaftsgemeinschaft. Internationale Orga- nisationen, wie etwa die Internationale Atomenergiekommission, wählten Oster- reich zum ständigen Sitz. Bedeutende' Staatsmänner und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens trafen sich in Oster- reich zu wichtigen Besprechungen. Das bedeutendste Ereignis in dieser Hinsicht war wohl das Treffen Kennedy—Chru- schtschow inWien. Osterreich tauschte Bot- schafter und Vertreter mit ‚anderen Län- dern aus, die um einen engen Kontakt zwischen den Völkern bemüht sind. Unser Land unterhält ein eigenes Bun- desheer zum Schutze unserer Grenzen und der Sicherheit im Innern des Landes. Osterreich als Fremdenverkehrsland be- mühte sich ständig, den vielen Besuchern Möglichkeiten zur Erholung und Erbauung zu bieten. So entstanden Seilbahnen, die die Schönheit unserer Berge erschließen, moderne Schwimmbäder, Winter- und Sommersportplätze. Jährlich werden glanz- volle Festspiele, Festwochen und Ausstel- lungen veranstaltet, bei denen bedeutende Künstler aus aller Welt mitwirken. Viele dieser Einrichtungen mußten erst ge- schaffen werden. Daher war ein großer Teil des Aufbaues auf den Fremdenver- kehr ausgerichtet. Nicht zuletzt ist es aber auch das hei- tere, humorvolle österreichische Volk, das viele Besucher unseres Landes schätzen und lieben lernten. Unsere Sportler konn- ten bei vielen Großv'erans taltungen herr- liche Siege erringen, die mit dazu beitra- gen, Usterreichs Namen auf der ganzen Welt bekannt zu machen. In den Bergen von Tirol fanden olympische Winterspiele statt. Für Usterreich fliegt eine eigene Luft- verkehrsgesellschaft, die friendly air lines, unsere AUA, 'die in vielen Ländern hohes Ansehen genießt. Eine Rückschau auf die Vergangenheit unseres Landes ist erst dann von beson- derem Wert, wenn wir auch den Blick in die Zukunft richten. Die Väter haben um dieses Land in oft hartem, gegensätzli- chem Kampf gestritten. Sie haben für die- ses Land in später Erkenntnis 'dann auch gelitten. Der Jugend aber ist 'dieses ge- meinsame Vaterland heute zum selbst- verständlichen Besitz geworden, natürlicher Lebensraum, gemeinsame Heimat. Halten wir uns vor Augen, 'daß man auf die Dauer nichts geschenkt bekommt, auch nicht die Freiheit, 'das Recht und die Demokratie. Daß man letztlich nur soviel bekommt, als man bereit ist, zu geben! Unser Bekenntnis zu 'Osterreich wird die- ses Land nicht vor Not und Gefahr retten, wenn wir nicht ständig bereit sind, dieses Bekenntnis durch tätige Mitarbeit am Le- ben der Gemeinschaft glaubhaft zu machen. Unser Bekenntnis zur Demokratie wird eine Phrase bleiben, wenn wir es nicht als unsere Pflicht ansehen, die Rechte, die uns die Demokratie gibt, auch zu ge- brauchen. Die Worte der letzten Strophe unserer Bundeshymne „Mutig in die neuen Zeiten, frei und gläubig sieh uns schreiten, ar- beitsfroh und hoffnungsreich! Einig laß in Brüderchören, Vaterland, dir Treu schwören. Vielgeliebtes Osterreich!" sollen ein Willensbekenntnis, 'ein echter Wunsch unseres Herzens sein. Um mit dem großen Demokraten Alt- bundeskanzler Dr. Alfons Gorbach zu sprechen: „Sorgen wir dafür, daß Oster- reich auch in den kommenden Jahrzehn- ten der zweiten Republik die Achtung und Anerkennung der Welt für sich in Anspruch nehmen kann!" 600 Jahre Katharinenkirche Florian Unterrainer wählte im Rahmen des Rednerwettbewerbes als zweites Thema, für dessau Bearbeitungen zwar die Unter- lagen zur Verfügung standen, aber nur mehr
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