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Samstag, 11. September 1963 Kitziihe1er Anaiger Seite 11 Aus der Grunderzeit 00 der Hohnenkonimbohn Bergbahnfunktloncre im Zwieiicht" einer Offentlichkelt Die Gründerzeit ist in den Zeitraumvon 1924 bis 1929 zu stellen. Sie enthält eine Reihe von für die Chronik interessanten 3egebenheiten. Die Wogen einer „Gegner- schaft" fanden in öffentlichen Versamm- lungen und in Flugschriften ihren Nieder- schlag. Christian Mitterer zeichnete sich n dieser Beziehung besonders aus. Seine Ausführungen in den nachfolgenden Flug- schriften haben lakaien, jedoch keinen iistorischen Wert. Alle Zahlen und Daten sind überprüfungsbedürftig. Die Sprache der Zahlen Das längst Befürchtete ist nun eingetre- en. - Die Gemeindevertretung von Kitz- bü'hel-Stadt hat das Erbe der Hahnen- kamrnba'hn-Gese Ilschaft restlos angetreten. Weder die Warnungen einzelner Steuer- träger, noch die Ratschläge ihrer juridi- sehen Vertreter wurden beachtet. Gerade- aus, ohne Ablenkung in den finanziellen Sumpf. Da die logischen Argumente ihre Wirkung verfehlten, so lassen wir heute Ziffern sprechen, Zahlen. Zahlen lassen sich nicht durch Sophismen und einem tiefblauen Himmel beirren. Sie sind un- beugsam und reden eine wuchtige Sprache. Da gibt es kein auskneifen. Sehen wir zu! 1,300.000 S gegenwärtiger Stand der- Baukosten. 52.000 S 1/2 jährigeVerlustzinsen bis zur vollen Aufnahme des Betriebes. 50.000 S „Kleinigkeiten" bis zur endgül- tigen Bahnfertigst. 1,402.000 S Gesamt- baukosten. Rentabilitätshereehnung: 30.000 Fahrten pro Jahr, die Fahrt zu 4 5 = 120.000 S. An Aufwand: Personal, Strom, Abschrei- bung und Steuern = 88.000 S. Bezüglich der Bruttoeinnahme sei fest- gestellt, daß in dieser Ziffer schon ein Stück Optimismus steckt und daß, wenn für die Fahrt mehr berechnet wird als 4S hin und zurück, die Ziffer von 30.000 Fahrten überhaupt nicht erreicht werden könnte. Betreffs der Ausgaben sind die- selben entschieden nicht zu hoch ggriff'en. Aus dieser Gegenüberstellung geht mit zwingender Evidenz hervor, daß das Bahn- unternehmen wenigstens in der ersten Zeit nur 400.000 S Leihkapital zu 8 Oi'0 zu ver- zinsen in der Lage ist, nach Deckung der diversen Betriebsauslagen und Ab- schreibungen. Bei einer Normalbausumme von 800.000 5, wie anfänglich veran- schlagt, hätte sich das ganze investiert Kapital zu 40/0 verzinst. Ein Mehr ist voll- ständig ausgeschlossen, wer das behauptet, betrügt sich selbst. Für die Gemeinde wirkt sich die Sach; wie sie heute eingeleitet ist, in nachstehender Weise aus: Die Gemeinde hat vorläufig 600.000 5 in das Unternehmen hineingelegt. Davon sind 100.000 S als Leihkapital gedacht. Der zweite Hauptaktionär ist engagiert (ich runde nach oben ab) mit 300.000 S. Davon entfallen auf Leihkapital ebenfalls 100.000 S. 100.000 S kommen - ungefähr - auf die kleinen Zeichner. Indem die Bahn, wie oben ausgewiesen, bis zur vollen Inbetriebsetzung auf zirka 1,400.000 S zu stehen kommt, so müssen noch - eine weitere Beteiligung an Aktien halte ich für ausgeschlossen - 400.000 5 geborgt werden, die selbstredend an erster Stelle verzinst werden müssen. Die vorgesehenen 200.000 S an Leihkapital von Seite der zwei Hauptaktionäre bleiben unverzinst, die Rangstellung erweist sich als illusorisch. Die Gemeinde hat daher für die volle Verzinsung der 600.000 S gegenüber der Landushypothekenanstal t aufzukommen, bzw. für die Verzinsung von 450.000 5, da angeblich das Land für die Verzinsung von 150.000 S einspringt. - 8 /o Zinsen von 450.000 5 = 36.000 S, die die Ge- meinde Jahr für Jahr bzw. die Steuer- träger zu leisten haben, ohne eigentlichen Gegenwert. Wenn die Gemeinde die bestehenden Steuersätze, die Grundsteuer von 500 0 /0 auf 1500 Ob, die Gebäudesteuer von 40001Q auf 1000Ø/o erhöht - und das ist die höchste gesetzlich zulässige Grenze also die Steuerschraube auf das wahn- sinnigste anziehen würde, so ergibt diese Maßnahme' nur eine Mehreinnahme von 19.600 5, die entfernt nicht ausreicht, obige Summe zu decken. Es bleiben noch Kürzlich erhielt die Redaktion von Herrn Ernst Ganzer ein altes „Hahnenkammbahnplakat", gezr zeichnet von Rolf Kakalla, für das Archiv. Die propagandistische Wirkung des Bildplakates ist nicht zu unterschätzen. Bürgermeister Josef Herold mußte jedoch dieses PIakt einziehen, da seine Gegner den Adler als „Pleitegeler" bezeichneten. 16.400 S unbedeckter Rest aus dem Titel Hahnenkammbahn. Wie diese Summe Jahr für Jahr aufzubringen ist, darüber haben sich die Herren wahrscheinlich noch nie d'eai Kopf zerbrochen. Gegen diese Sprache der Zahlen kommt niemand auf. Sie reden eine eindringliche Sprache. Sie bilden eine furchtbare Anklage gegen die heutige Ge- meindewirtschaft. Der Bürger von Kitzbü- heI muß sich aufraffen. Er muß erwachen. Bis hierher und nicht weiter. Es gibt doch noch eine Oberhehördic. Eine Landes- behörde. Der rufen wir zu: Brutus, schläfst du? Wie lange noch? Als der römische Feldherr Varus iim Teutoburgerwalde von dein Germanen f ii rsten Hermann vernjch - tend geschlagen wurde und der römische Kaiser Augustus davon erfuhr, zerriß er seine Kleider und klagte laut in seinem Palaste: „Varus, Varus, gib mir meine Legionen wieder." - Und wir rufen: „Herrgott, Herrgott, gib unseren Bürgern das Erwachen, unseren Stadtvätern die Vernunft und unseren armen Steuerträgern die Milliarden wieder . Kitzbühel, am 6. Jänner 1928. Christian Mitterer Preis 20 Groschen Nach der Beschlagnahme 2. Auflage Offener Brief An die verehrliche Gemeinde- vertretung von Kitzbühei Stadt Meine Herren! Ich erlaubte mir, vor zirka drei Wochen einige Fragen betreffs der Hahnenkamm- bahn - Bausache an Ihre löbl. Adresse zu richten. - Eine Antwort wurde mir bis datto nicht zuteil. - Nun ich haiteIhnen (las nicht für ungut. Als Fachmann weiß ich, daß Sie sich gegenwärtig in einer kritischen Phase befinden, wo man lieber schweigt als spricht. - Es war mir weni- ger •darum zu tun, eine Antwort zu ei-- zwingen; der Zweck war vielmehr der, die Bürger von Kitzbühel auf das Bedenk- liche der gegebenen Situation durch eben diese Fragestellung hinzulenken. - Es geht nämlich nicht an, daß eine Gemeinde zu Zwecken eines Privatunternehmens, auch wenn es den Anschein hat, für die Gemeinde nützlich zu sein, ihre letzten Reserven opfert. - Wenn ich sage, die letzten Reserven, so ist das nicht etwa ein Spiel mit Worten, sondern brutale Wirk- lichkeit. - Auch das Stadtspital von Kitzbühel mußte als Sicherheit herhalten. - Der einzelne Mensch kann ja machen was ihm gut scheint, doch die Gemeinde hat ihre Steuergroschen dreimal umzuwen- den, bevor sie aus der Hand gegeben wer- den. - Es ist fremdes Geld. - Ich will hier keine weiteren Beki agnisse ausspre- chen und auch keine persönlichen Vor- würfe erheben, sondern der Zweck dieser kurzen schlagwortartigen Ausführung ist nur der, der Gemeinde den Weg zu weit- sen, dcii sie unter den gegebenen Verhält- nissen gehen muß, um wenigstens die Sub- stanz und ihre Ehre zu retten. - Ich spreche hier als Fachmann und ich bitte,
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