Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 6 Kitzbüheier Anzeiger Samstag, 25. September 1965 Ausbildung genossen hast und an dem sich der Großteil deiner Jugenderinnerungen knüpft? Genug dieser Fragen! Denn alle kennen nur eine Antwort. Und die lautet: Das ist die Heimat. Doch da höre ich gleich wieder eine Frage: Ist das nicht eine Romantik, die nicht in unseren grauen Alltag paßt und in unserem Daseinskampf keinen Platz hat? Wälder von gewaltigem Ausmaß über- zogen einst unsere Berghänge. Das Tal war versumpft und unsere Ache schickte ein- mal dahii, einmal dorthin ihre Wasser. Dichte Auen, in denen der Nebel braute, säumten die Bäche, die wild und un- gezähmt den Boden zerrissen und mit ihrem Geröll bedeckten. Und heute? Heute lacht uns unser Land mit einem lieblichen Antlitz entgegen. Heute durchziehen ertragreiche Äcker das Tal und schmücken blumige Wiesen unsere hänge. Heute gibt es unser liebliches Siädtlein und die stillen Weiler. Heute sind unsere Berghänge übersät von zahl- reichen Einzelhöfen. Wo einst eine öde Wildnis war, besitzen wir einen wahren Garten Gottes. Und daß wir diesen Garten Gottes unser Eigen nennen dürfen, ver- danken wir der harten und schweren Arbeit unserer Vorfahren, die ein gewal- tiges Heimatwerk mit viel Opfer und Schweiß vollbrachten. Hat dies noch etwas mit Romantik zu tun? Nein, es ist harte Wirklichkeit, so sehr Wirklichkeit, daß eure Großväter, als sie vor 50 Jahren in dcii Felsbastion-en der Dolomiten kämpften, in den Eishöhlen des Ort]ers hausten, über die endlosen Weiten Galiziens marschierten und im kahlen Karst des Balkans standen, in jeder stillen Stunde nur an eines dachten: an die Heimat! Sie ist cia mit einer Urgewalt, daß eure Väter, als sie vor mehr als 20 Jahren im fahlen Schein der Mitternachtssonne des hohen Nordens hinaus auf das endlose Meer schauten, in den Staubwolken des Ostens dahintrotteten, in der Kälte der trostlosen Tundra die klammen Finger warm zu reiben versuchten, im heißen \Vüstensan'd Afrikas die ausgetrockneten Kehlen nicit zu nässen vermochten, Heim- weh hallen. Es war vor 15 Jahren. Der große Stau- see am Besehen war fertiggestellt und sollte nun gefüllt werden. Die alten Dör- fer Heschei und Graun mußten geräumt werden, denn das Wasser drang Tag für Tag weiter vor. Tag für Tag erdröhnten die Sprengungen und sobald sich der Hauch verzogen hat, war wieder ein Haus in sich zusammengesunken. Nur inehr Trümmer bedeckten den Boden, wo einst die Häuser standen. Nur die Kirche stand noch da, in der am 9. Juli der letzte Gottes- dienst stattfand. An Stelle der Seiten- altäre gähnte die Leere der verputz- losen Mauern und die Orgel war weg. Herz- ergreifend waren die Abschiedsworte des Pfarrers. Das ganze Dorf, alt und jung, Frauen und Männer, weinten. Ich werde dieses Bild nicht mehr vergessen. Und ebenso bleibt mir unvergeßlich das letzte Läuten der Glocken, die bald darauf ihre Stube verlassen mußten, denn am 23. Juli sank die Kirche in Schutt und Trümmern, nur der Turm blieb stehen. Alsbald wurde er von den Fluten umspült und die Grauner schämten sich nicht, ihren Tränen freien Lauf zu lassen. Seither sind nun 15 Jahre vergangen und noch immer ragt wie ein mahnender Zeigefinger der Turm zu Graun aus den Fluten des Sees, dem die Dörfer weichen mußten. Warum dieses Bild, das sich unaus- löschlich in meiner Seele verankerte? Weil es mir ein Beweis dafür zu sein scheint, daß der Mensch nur dann ganz Mensch ist, wenn er eine Heimat hat, wie es zu vollem Menschsein gehört, einen Glauben zu besitzen. Das war gestern so, das gilt für heute und wird auch morgen so sein. Diese Binsenwahrheit mag im Ungestüm der Jugend altväierisch klingen, im Tru- bel des Alltags untergehen, durch die Schnellebigkeit der Zeit verdeckt werden. Sie ist trotzdem da, wenn man sie auch vielleicht nur dann spürt, wenn man die Heimat verliert, wenn man in die Fremde gtrieben wird. Dann wird einem so richtig elend, denn di eses Wort heißt nichts anderes, als in der Fremde zu sein. Dann über- kommt einem eine Krankheit, die nur dann geheilt werden kann, wenn man wieder eine Heimat hat. Du brauchst ein- fach die Heimat, um Mensch sein zu können. Daraus folgert sich: Wenn du die Hei- mat brauchst, dann braucht aber auch die Heimat dich. Ohne dich wird sie öde und leer, ist sie ohne Herz und Seele. Denn du und die Heimat sind eine Ein- heit. Die Heimat wird dieses Band niemals zerreißen, da sie nicht die Untreue kennt. Diese kennt nur der Mensch, wofür aber er auch schwer büßen muß. Und noch etwas: Wenn du dir die Hei- mat nicht selbst erwirbst, wenn du nicht für sie arbeitest, für sie ringst und kämpfst, für sie leidest und opferst und sie nicht verteidigst, wenn sie in Gefahr ist und dies ist täglich der Fall, dann) wird sie niemals ein Stück deines eigenei Ich's, dann trügst du niemals Heimat in dir. Du mußt aber die Heimat in deinem Herzen tragen, denn Unglück. Leid und Not sind in das Buch deines Lebens ge- schrieben. Aber es kann noch so großes Unglück dich ereilen, noch so tiefes Leid über dich kommen und noch so schwere Trauer dich überschatten, eines bleibt dir immer: die Heimat, in der wieder das Glück lachen und die Freude einkehren, wird, wie die Strahlen der Sonne nach dem Dunkel der Nacht. Und noch etwas will ich euch an dem Tag mitgeben, wo ihr als vollberechtigte und vollverpflich- tete. Bürger in die Gemeinschaft unserer Stadt, unseres Landes Tirol und unseres Vaterlandes Osterrech eintretet. Ohne ein Starkes I-ieimatbewu ßtsein wer- det ihr in eurem Leben wie ein Schilf- rohr im Winde hin und hier geweht wer- den, denn im Heimatboden wurzelt deine Kraft. Ohne ein tiefes Heimatgefühl wird unsere, eure Stadt Kitzbühel nicht das bleiben, was sie all' den vielen Geschlech- tern, die vor uns waren und an der Schön- heit dieses wahren Gottes Garten wirkten und werkten, war. Ohne eine tiefe Liebe zur Heimat wird unser Tirol, euer Tirol nicht ein Land bleiben, das mehr ist als ein geographischer Begriff. Ohne eine starke Treue zur Heimat wird unser Vater- land Usterreich nicht seiner Aufgabe ge- recht werden, die ihm von Gott und von der Geschichte gestellt ist. Darum wollen wir in dieser Stunde ge- loben: Mein Kitzbühel, mein Tirol, mein Osterreich, euch weihe ich Herz und Sinn, denn mächtig zieht der Heimat Band die Seele zu euch hin!" Aus der Ansprache des Herrn Landtcgsprsdenten „Liebe junge Freunde! Als Ehrenbürger der Stadt Kitzbühel habe ich für immer ein berechtigtes Interesse, an der wirt- schaftlichen und kulturellen Entwicklung der Stadt teilzunehmen. Ich danke dem Bürgermeister und dem Gemeinderat für die Einladung, der ich gerne gefolgt bin. Der Tiroler Landtag halte mit der Ein- führung der Jungbürgerfeiern den Zweck im Auge, allen jungen Menschen in ihrer staatsbürgerlichen Laufbahn einen Mark- stein zu setzen. Die heutige schöne Feier in der Bezirksstadt Kitzbähel soll die Jungbürgerinnen und Jungbürgern von der 1-last (her Umwelt befreien und sie an die Heimat binden, auch wenn die Ferne lockt. An die Lehrerschaft appelliere ich, nie zu erlahmen, in der Jugend den Ungeist der Umwelt auszumerzen und dem Ge- meinderat gratuliere ich zu seinem Erfolg, die Weichen richtig gestellt zu haben." Abschließend sprach der Herr Land- tagspräsident dem Landesoberarchivar Dr. Widmoser den Dank dafür aus, daß er es verstanden hatte, in so eindrucksvollen Worten den jungen Menschen zu sagen, was die Heimat wirklich ist. Dem Kolping- chor dankte er für die schönen Lieder und dem Bürgermeister mit dem Gemeinderat, daß er die Kosten für die Jungbürger- bücher übernommen hatte und rief der Jugend zu: „Erzählt zu Hause wie es war, auf daß der nächste Jungbärgerjahrgan gerec - und zahlreicher - kommt : Aus der Ans,rache des Herrn Stadtpfarrers „Mich ergreift die Jugend! Ich werde fcöhlicher oder trauriger, wenn ich einem jungen Menschen in die Augen schauen kann. Die Jugend ist das Neuland der Schöpfung und die Menschen versagen, wenn sie es nicht zustande bringen, im herzen jung zu bleiben. Pflanzt drei Bäume in eurem jungen Leben, damit sie euch im Alter noch Schatten spenden: Den Baum der Heimatliebe, denn Hei- matliche ist auch Elternliebe, Kamerad- schaft, Nächstenliebe und Heiinatfreude;
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